Pluriversum ist eine Reihe von Beiträgen aus dem gleichnamigen Buch, gewidmet all jenen, die für das Pluriversum kämpfen, indem sie sich gegen Ungerechtigkeit wehren und nach Wegen suchen, in Harmonie mit der Natur zu leben. Die Welt, die wir wollen, ist eine Welt in die viele Welten passen. Die Einführung zur Serie gibt es hier und die Entstehungsgeschichte hier.

von Teresa Anderson

‚Klimasmarte Landwirtschaft‘ ist ein Schlagwort, mit dem eine Landwirtschaft beschrieben wird, die angeblich den Klimawandel abschwächt oder sich an ihn anpasst. Da es jedoch weder eine klare Definition noch spezifische Kriterien zur Unterscheidung gibt, hat die Agrarindustrie den Begriff begeistert aufgegriffen, um ihre Aktivitäten als gut für das Klima darzustellen.

Viele Organisationen in der Ernährungsbewegung stehen dem Konzept der klimasmarten Landwirtschaft misstrauisch – oder sogar ablehnend – gegenüber. Sie teilen die wachsende Sorge, dass der Begriff so vage ist, dass er dazu benutzt wird, Greenwashing mit Praktiken zu betreiben, die tatsächlich schädlich für das Klima und die Landwirtschaft sind. Viele sind besorgt, dass die Förderung einer klimasmarten Landwirtschaft mehr schadet als nützt und in Wirklichkeit den Übergang zu Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit untergräbt, der in unseren Ernährungssystemen dringend notwendig ist.

Der Begriff ‚klimasmarte Landwirtschaft‘ wurde ursprünglich von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO – UN Food and Agriculture Organization) geprägt, um landwirtschaftliche Konzepte zu fördern, die den Klimawandel abschwächen und sich an ihn anpassen, und die gleichzeitig die Erträge steigern können.

Das Problem ist, dass es keine spezifischen Definitionen dafür gibt, was als ‚klimasmart‘ – oder nicht – bezeichnet werden kann. Aufgrund der vagen Konzeptualisierung durch die FAO verwenden Konzerne den Begriff gerne, um Praktiken zu beschreiben, von denen sie behaupten, dass sie Innovationen vorantreiben und die Umweltbelastung verringern. Es gibt jedoch keine aussagekräftigen Kriterien oder Beweise, die für die Verwendung des Begriffs erforderlich sind. Die Praktiken der klimasmarten Landwirtschaft müssen nicht nach agrarökologischen oder ähnlichen Grundsätzen erfolgen. Auch gibt es keine sozialen Schutzmaßnahmen, um zu verhindern, dass sogenannte klimasmarte Aktivitäten die Lebensgrundlage der Landwirt*innen untergraben, zu Landraub führen oder die Landwirt*innen in die Verschuldung treiben.

Wenngleich manche davon ausgehen, dass klimasmarte Landwirtschaft bedeutet, dass solche Tätigkeiten dem Klima zugutekommen, gibt es keine Garantien dafür, dass dies auch der Fall ist. Leider ist der Begriff inzwischen so weit verbreitet, dass es für die Entwicklung sinnvoller Definitionen oder Kriterien zu spät ist. Damit die Landwirtschaft die vielfältigen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel tatsächlich bewältigen kann, ist ein tiefgreifender Systemwechsel erforderlich.

Da die Folgen des Klimawandels weltweit spürbar sind, sind Landwirtschaft, Ernährungssicherheit, Ernährungssouveränität und bäuerliche Gemeinschaften durch seine Auswirkungen besonders gefährdet. Unregelmäßige Niederschlagsmuster, Dürren, Überschwemmungen und Temperaturextreme wirken sich zunehmend verheerend auf die Fähigkeiten der Landwirt*innen, Nahrungsmittel anzubauen, aus.

Gleichzeitig ist die Landwirtschaft – insbesondere das Modell der grünen Revolution der industriellen Landwirtschaft – eine der Hauptursachen des Klimawandels. Ein erheblicher Anteil der weltweiten Emission von Treibhausgasen (THG) wird durch die industrielle Viehzucht und den weit verbreiteten Einsatz von synthetischem Stickstoff verursacht (Gilbert 2012).

Darüber hinaus trägt der Ansatz der ,grünen Revolution‘ in der Landwirtschaft nicht nur zum Problem des Klimawandels bei, sondern macht die Nahrungsmittelsysteme auch besonders anfällig für dessen Auswirkungen. Das von der Agrarindustrie verkaufte Saatgut wurde weitgehend so gezüchtet, dass es große Mengen an Wasser und synthetischem Stickstoffdünger benötigt. Diese synthetischen Düngemittel führen jedoch dazu, dass die wasserspeichernde organische Substanz im Boden abgebaut wird und verschwindet, so dass der Boden in regenarmen oder trockenen Zeiten schnell austrocknet, was zu schlechten Erträgen oder Ernteausfällen führt. Die verringerte Fähigkeit des Bodens, Wasser zu absorbieren, führt auch dazu, dass die Anbaupflanzen bei starken Regenfällen oder Überschwemmungen stärker geschädigt werden.

Es ist daher klar, dass dringender Handlungsbedarf besteht, sowohl um den Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel zu verringern, als auch, um die Nahrungsmittelsysteme dabei zu unterstützen, seine Auswirkungen jetzt und in Zukunft zu bewältigen und sich an sie anzupassen. Erfreulicherweise ist eine der wirksamsten Lösungen zur Verringerung des Beitrags der Landwirtschaft zum Klimawandel auch eine der wirksamsten Anpassungsstrategien, die es gibt. Indem synthetische Düngemittel durch natürliche Techniken ersetzt werden, reduziert die Agrarökologie Emissionen und verbessert die Fähigkeit des Bodens, in Zeiten von Dürre und Überschwemmungen Wasser aufzunehmen und zu speichern. Die Verbesserung des Zugangs der Landwirt*innen zu einer Vielfalt von lokal angepassten Saatgutsorten ist ebenfalls entscheidend, um sicherzustellen, dass sie mit einer Reihe von unvorhersehbaren Wetterereignissen umgehen können. Und durch die Stärkung der lokalen Wirtschaft können die Transportwege von Lebensmitteln reduziert und gleichzeitig die Ernährungssouveränität und die Kontrolle der Landwirt*innen über ihre Nahrungsmittelsysteme verbessert werden.

Agrarkonzerne versuchen jedoch, diese erforderlichen Veränderungen in unseren Ernährungssystemen zu verzögern. Anstatt die Notwendigkeit einer Umstellung der landwirtschaftlichen Praktiken anzuerkennen, verwenden viele dieser Unternehmen den Begriff ‚klimasmarte Landwirtschaft‘ lediglich, um ihre eigenen schädlichen Praktiken der industriellen Landwirtschaft umzubenennen, damit sie weiterhin das tun können, was sie bisher getan haben – business as usual.

Unternehmen wie Monsanto, McDonalds, Syngenta, Walmart und Yara (der weltgrößte Düngemittelhersteller) behaupten alle, Vorreiter der klimasmarten Landwirtschaft zu sein. Sie argumentieren, dass der größte Nutzen für das Klima dadurch entstehen wird, dass die größten Akteure Maßnahmen ergreifen, und dass umweltverschmutzende Konzerne Teil der Lösung sein müssen.

Monsanto behauptet, dass sein gentechnisch verändertes Saatgut, tolerant gegen sein eigenes Herbizid ,Roundup­Ready‘, die CO2­Emissionen aus dem Boden reduziert, da Herbizide eingesetzt werden, anstatt Unkraut durch Pflügen zu vernichten. Und Monsanto hofft, Systeme zur Überwachung von THG­Emissionen und zur Beratung über Wettermuster zu entwickeln. Yara entwickelt Düngemittelprodukte und Anwendungstechniken, die nach eigenen Angaben weniger Emissionen verursachen. McDonalds behauptet, bei der Entwicklung von ‚nachhaltigem Rindfleisch‘ führend zu sein. Viele Befürworter*innen der industriellen Landwirtschaft behaupten, dass ‚nachhaltige Intensivierung‘ eine Strategie für eine klimasmarte Landwirtschaft sein kann, weil sie die Erträge erhöht und gleichzeitig die Emissionen pro Produktionseinheit senkt. Einige Projekte im Bereich der klimasmarten Landwirtschaft wurden auch mit umstrittenen Finanzierungen durch Kohlenstoffausgleich in Verbindung gebracht.

Indem sie sich selbst als klimasmart bezeichnen, hoffen Konzerne, einer Überprüfung und Regulierung zu entgehen, so dass sie ihre Aktivitäten fortsetzen und ihr Geschäft ausweiten können, auch wenn sie wahrscheinlich ihre THG­Emissionen insgesamt weiter erhöhen. Indem sie so weitermachen wie bisher, untergraben sie aber auch die lokale Ernährungssouveränität und bringen eine Reihe anderer sozioökonomischer und umweltrelevanter Probleme mit sich, die mit den Praktiken ihrer industriellen Landwirtschaft verbunden sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Gruppen, die kleinbäuerliche, agrarökologische Anbaumethoden fördern, die tatsächlich dem Klima zugutekommen, ihre Tätigkeiten ebenfalls als klimasmart bezeichnen. Verwirrung entsteht, wenn verschiedene Akteur*innen denselben Begriff verwenden, um sehr unterschiedliche Ansätze zu beschreiben. Der Begriff ‚klimasmarte Landwirtschaft‘ wird weiterhin von einigen Regierungen, NGOs und Unternehmen verwendet, allerdings mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen und Zielsetzungen. Mehrere Regierungen, Konzerne und NGOs haben sich der Globalen Allianz für Klimasmarte Landwirtschaft (GACSA – Global Alliance for Climate­Smart Agriculture) angeschlossen. Inzwischen haben sich Hunderte von zivilgesellschaftlichen Organisationen gegen klimasmarte Landwirtschaft, die GACSA, und gegen jede formale Befürwortung des Begriffs in den UN­Klimaverhandlungen ausgesprochen.

Übersetzung ins Deutsche von Anna Voß.

Pressenza veröffentlicht in einer Reihe Auszüge aus „Pluriversum: Ein Lexikon des Guten Lebens für alle“ mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber und unter Creative Commons Lizenz: CC-BY-NC-ND. Das Buch ist als PDf-Datei unter agspak.de/pluriversum kostenlos abrufbar.

Alle Beiträge in der Reihe Pluriversum gibt es hier.

Weitere Quellen

ActionAid (2014). Climate Resilient Sustainable Agriculture Experiences from ActionAid and its partners. https://actionaid.org/publications/2011/climate-resilient-sustainable-agriculture-experiences-actionaid-and-its-partners (abgerufen am 8.6.2023)

Climate Smart Agriculture Concerns (2014). Corporate-Smart Greenwash: Why We Reject the Global Alliance on Climate-Smart Agriculture. https://www.climatesmartagconcerns.info/rejection-letter.html (abgerufen am 8.6.2023)

Food and Agriculture Organization (FAO). Climate-Smart Agriculture. https://www.fao.org/climate-smart-agriculture/overview/en/ (abgerufen am 8.6.2023)

Gilbert, Natasha (2012). One-Third of Our Greenhouse Gas Emissions Come from Agriculture. Nature, https://www.nature.com/articles/nature.2012.11708 (abgerufen am 8.6.2023)

Monsanto (2017). Driving Innovation in Modern Agriculture to Combat Climate Change. https://monsanto.com/company/sustainability/articles/climate-smart-agriculture-practices/ (Seite nicht auf der Webseite dokumentiert)

ScienceDirect (2014). Sustainable intensification: What is its role in climate smart agriculture? https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1877343514000359 (abgerufen am 8.6.2023)

Yara. Sustainability. https://www.yara.com/sustainability/climate_smart_agriculture/ (Nur noch im Internet­Archiv, z.B.: https://web.archive.org/web/20170802120641/https://www.yara.com/sustainability/climate_smart_agriculture/ (abgerufen am 25.7.2023)


Teresa Anderson ist Politik­ und Kommunikationsbeauftragte für Klimawandel und Resilienz bei Action Aid International; sie arbeitet in London. Sie hat mehrere Berichte und Artikel verfasst, darunter Clever Name, Losing Game: How Climate-Smart Agriculture is Sowing Confusion in the Food Movement und Hotter Planet, Humanitarian Crisis: El Niño, the ‚New Normal‘ and the Need for Climate Justice, veröffentlicht von Action Aid.

Der Originalartikel kann hier besucht werden