(Tuxtla Gutiérrez, amerika21).- Mehrere Tausend Personen haben am Wochenende im mexikanischen Chiapas gegen die zunehmende Gewalt der organisierten Kriminalität demonstriert. Der Friedensmarsch in der Hauptstadt Tuxtla Gutiérrez, zu dem die katholische Kirche aufgerufen hatte, fand breites Echo. Die je nach Quelle zwischen 10.000 bis 30.000 Demonstranten aus dem ganzen Bundesstaat, zu denen auch die indigenen Maya-Völker der Tzotzil, Tzeltal, Tojolabal, Chol und Zoque gehörten, trugen weiße Fahnen als Friedenssymbol und Transparente mit Botschaften wie „Frieden für Chiapas“ und „Frieden ist ein Schrei, der es verdient, gehört zu werden“.
Der bekannte Pfarrer und Menschenrechtsaktivist Marcelo Perez von der Diözese San Cristobal de Las Casas eröffnete den Marsch mit der Botschaft: „Chiapas ist eine Zeitbombe. Es gibt viele Verschwundene, Entführungen und Morde aufgrund der Präsenz des organisierten Verbrechens“.
Insbesondere in der Grenzregion zu Guatemala ist der Kampf der kriminellen Banden um die Kontrolle der Routen für Drogen und Migration in den letzten Monaten eskaliert. Der Terror und die Zwangsrekrutierungen führten zur Flucht von zahlreichen Dörfern, einige flohen ins benachbarte Guatemala.
Auf dem Friedensmarsch wurde auch an elf Menschen aus dem Dorf Nuevo Morelia in der Gemeinde Chicomuselo erinnert, die im Mai massakriert wurden, weil sie die illegale Ausbeutung einer Bergbaumine angeprangert hatten und sich weigerten, mit den Mafiagruppen zu kollaborieren. Die Teilnehmer forderten außerdem ein Ende dieser Megaprojekte, denn die strukturelle Ursache der Gewalt liege in der „Enteignung der indigenen Völker“, die durch Megaprojekte wie Bergbau, Erdölförderung, den Bau von Autobahnen und der Privatisierung anderer natürlicher Ressourcen wie Wasser gefördert werde, betonten die drei Diözesen von Tuxtla Gutiérrez, Tapachula und San Cristóbal de Las Casas in ihrer gemeinsamen Erklärung.
Am Ende des zehn Kilometer langen Pilgermarsches wurde vor der Kathedrale im Stadtzentrum eine Messe zum Gedenken an die Opfer der Gewalt zelebriert und einmal mehr an die Regierung appelliert, die Dramatik des Terrors gegen die Bevölkerung in Chiapas anzuerkennen. Die Lokalregierung wie auch Präsident Andrés Manuel López Obrador haben die Sicherheitskrise in Chiapas bisher verharmlost.
Wie dramatisch die Lage ist, zeigte sich auch anlässlich des Unabhängigkeitstages am 15. September, an dem in jeder Gemeinde Mexikos die heroische Geste des Unabhängigkeitskampfes gegen die spanische Kolonialmacht nachgespielt wird. In den umkämpften Regionen Sierra und Fronteriza in Chiapas konnte diese traditionelle Feier nicht stattfinden. Auch in den Gemeinden Villaflores und Villacorzo unweit der Hauptstadt wurden die Aktivitäten abgesagt. Im Zentrum von Tuxtla Gutiérrez führte der chiapanekische Gouverneur Rutilio Escandón von der Partei Morena die Zeremonie an. Doch inmitten des patriotischen Rituals begann das Publikum, die Parole „Wir wollen Frieden“ zu skandieren.