Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat heute die bisher längste Haftstrafe für die Teilnahme an einer Sitzblockade der Letzten Generation verhängt. Verhandelt wurde über mehrere friedliche Proteste in den Jahren 2022 und 2023, an denen sich der 65-jährige Winfried Lorenz beteiligte. Gegen 13 Uhr fiel das Urteil: Insgesamt ein Jahr und zehn Monate Haft ohne Bewährung, davon ein Jahr für eine einzige Blockade. Die Staatsanwaltschaft hatte über zwei Jahre Haft gefordert.
Lukas Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) und Verteidiger des Angeklagten, ordnet den Richterspruch ein: „Mit dem heutigen Urteil entfernt sich die Strafrichterin Holzheid von Recht und Gesetz. Statt einer von Verfassung wegen gebotenen Abwägung der gegeneinander streitenden Grundrechte wird hier Feindstrafrecht angewendet. Eine derart hohe Gefängnisstrafe gegen einen Unbestraften, der nichts gemacht hat, außer an Sitzblockaden teilzunehmen und den von der Richterin angebotenen Deal nicht zu akzeptieren, hat mit der Anwendung des Strafgesetzbuches nichts mehr zu tun.“
Winfried Lorenz (65) bekräftigt: „Die Argumentation der Richter:in geht komplett an der Realität vorbei. Wir befinden uns in der bisher größten Menschheitskrise, die jeden Tag weiter eskaliert. Es gibt nichts Vernünftigeres, als gegen eine Politik zu protestieren, die uns und unsere Kinder immer tiefer in die Klimakatastrophe treibt. Verurteilt und an ihrem Handeln gehindert werden müssten diejenigen, die sich am Verfeuern unserer Lebensgrundlagen bereichern!“
Er ergänzt: „Ich frage mich auch, ob der Richter:in bewusst ist, wie zynisch ihr Urteil ist: Sie will mich so lange wegsperren, dass es, wenn ich wieder freikomme, sehr wahrscheinlich zu spät ist, um noch ernsthafte Veränderungen anzustoßen. Die Klimakatastrophe löst sich nicht in Luft auf, nur weil diejenigen, die auf sie hinweisen, hinter Gittern sind!“
Besonders paradox: Nur wenige Wochen zuvor war Winfried Lorenz für die Teilnahme an einer Straßenblockade freigesprochen worden. Ebenfalls heute erfolgten zudem gleich sechs Freisprüche in Rostock, gleichermaßen für eine Straßenblockade.
Letzte-Generation-Sprecherin Lina Johnsen betont: „Hier zeigt sich erneut: Die Justiz weiß nicht, wie sie mit unserem Protest umgehen soll. Die Regierung weigert sich, ihrer Verantwortung nachzukommen, und verlagert den Konflikt auf Institutionen, die damit überfordert sind und zu komplett unterschiedlichen Urteilen gelangen. Es ist die Aufgabe aller gesellschaftlicher Akteure, sich den Fragen zu stellen, die unser Protest aufwirft, allem voran: Wer wollen wir gewesen sein?“
Winfried Lorenz wird gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.