Der israelisch-palästinensische Konflikt ist eines der komplexesten und tragischsten Themen unserer Zeit, das nicht nur die Menschen in der betroffenen Region betrifft, sondern weltweit tiefgreifende Reaktionen und emotionale Debatten auslöst. Inmitten dieses Konflikts erleben wir nicht nur eine Eskalation der Gewalt, sondern auch eine besorgniserregende Zunahme von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.

In diesem Artikel wird eine humanistische Perspektive auf den Konflikt zwischen der israelischen Regierung und der Hamas dargelegt, die versucht, die Menschlichkeit in den Vordergrund zu stellen, den Kreislauf von Gewalt und Hass zu durchbrechen. Die Autoren, die aus einem jüdischen und humanistischen Hintergrund kommen, sprechen sich gegen die Verbrechen aus, die auf beiden Seiten begangen wurden, und plädieren für eine Lösung, die auf Dialog, Versöhnung und einem gemeinsamen Projekt der Humanisierung basiert. Dabei werden sowohl die historische als auch die aktuelle Notwendigkeit eines sicheren Nationalstaates für Juden, sowie das Recht der Palästinenser auf eine eigene nationale Heimat anerkannt.

Dieser Text ist ein Appell an das Mitgefühl, die Vernunft und die gemeinsame Menschlichkeit, um den Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden in der Region zu finden.

Der Text wird in einer leicht veränderten Form wiedergegeben. Das spanische Originaldokument kann hier und die deutsche Übersetzung hier heruntergeladen werden.

Ziel des Dokuments

Das Ziel dieses Dokuments besteht darin, einen Beitrag zu einer humanistischen Sichtweise des Konflikts zwischen der derzeitigen israelischen Regierung und der Hamas in Gaza zu leisten. Der Konflikt zwischen der gegenwärtigen israelischen Regierung und der Hamas in Gaza, dessen jüngstes Kapitel mit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. und 8. Oktober 2023 und der sofortigen israelischen Vergeltung begann. Das Dokument befasst sich mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von der Hamas und Israel begangen wurden. Die Hamas hat dabei mehr als tausend Zivilisten getötet, gefoltert, vergewaltigt und entführt, Tausende von Kindern, Frauen und Zivilisten wurden verwundet und Tausende von Raketen wurden auf israelische Städte abgefeuert. Israel leistete seinen Teil mit massiven Vergeltungsmaßnahmen, mit fortgesetzten Umsiedlungen der Bevölkerung, wiederholter Zerstörung der zivilen Infrastruktur, Hunderten von Bombardierungen, Angriffen mit Panzern und Infanterie, bei denen Zehntausende von Kindern, Frauen und Zivilisten getötet, verstümmelt oder schwer verwundet wurden.

Als Humanisten und Siloisten mit jüdischem Hintergrund wollen wir als Erstes klarstellen, dass wir die Massaker in Israel und Palästina ablehnen.

Dieses Dokument enthält eine Sichtweise, die von Siloisten und Aktivisten für die Versöhnung zwischen Palästinensern und Israelis über einen Dialog mit Anderen dargelegt wird. Möge dieser Dialog zu einer gemeinsamen Erfahrung und einem gemeinsamen Projekt der Humanisierung beitragen.

Um dieses Dokument nicht unnötig zu komplizieren, haben wir den internationalen Kontext außer Acht gelassen.

Ein Aufschrei

Die blutigen Aktionen der Hamas und der israelischen Regierung zeigen uns ein schmerzliches Versagen. Wir haben Gerechtigkeit mit Rache verwechselt und versucht, Hass und Ressentiments zu rechtfertigen, indem wir dem Anderen die Schuld geben. Mit jedem Tag, der vergeht, entfernen wir uns vom Menschen, von den Gefangenen in Gaza, von den Familien der Getöteten, von den palästinensischen Familien, die alles verloren haben, Kinder, Eltern und Großeltern. Mitgefühl wurde als antisemitisch oder zionistisch abgestempelt. Der Mensch erstickt in den Trümmern der zerbombten Stadt.

Die Schwächen der formalen Demokratie haben dazu geführt, dass beide Regierungen in den Händen von Extremisten gelandet sind, für die das menschliche Leben einen Marktwert, aber keinen heiligen Wert hat. Es ist ein Versagen der Demokratie, der jüdischen, islamischen und christlichen Religion. Es ist ein Versagen des Menschen, der sein Wesen mit einem Staat, mit Geld, mit einer Heimat oder einer Tradition identifiziert hat. Es ist auch ein Versagen der Vereinten Nationen, die nicht in der Lage waren, die Menschenrechte in globalen Konflikten durchzusetzen.

Es ist ein Versagen von uns selbst, die wir nicht in der Lage waren, die Tragödie zu stoppen. Wir brauchen eine persönliche Veränderung, um das Ressentiment in den Wiegen unserer Familien zu überwinden und auf alle Formen von Gewalt zu verzichten, sei sie körperlich, wirtschaftlich, moralisch oder sexuell.

Wir verzichten auf die Zusammenarbeit mit verlogenen Demokratien und dem religiösen Fanatismus und wir lehnen jede individualistische Haltung ab, die Andere verneint, die ihre Bedürfnisse und Rechte verneint, die gleichwertig zu meinen eigenen sind.

Die menschliche Seele weint. Lasst uns auf ihr Weinen hören und lasst uns schweigen.

Die Lage in Israel und Palästina

Historischer Hintergrund:

In dem historischen, sozialen und geografischen Raum, der früher von den Semiten als Kanaan (20. Jahrhundert v. Chr.), von den Assyrern und Akkadiern als Palastu (ein Begriff philistäischen Ursprungs) und später von den Römern als Syria Palaestina (2. Jahrhundert v. Chr.) bezeichnet wurde, haben heute der Staat Israel und der Staat Palästina das Recht zu existieren.

Die historisch-geografische Verbindung des jüdischen Volkes zu dieser Region ist unbestreitbar und reicht zurück bis 1200 v. Chr. Später wurden die Juden (Hebräer) von den Babyloniern (587 v. Chr.) aus diesen Gebieten vertrieben. Nach ihrer Rückkehr aus dem ersten Exil wurden sie erneut von den Römern (70er und 135 n. Chr.) vertrieben. Im Mittelalter, einer Zeit großen Einflusses der christlichen Kirchen, wurden die Juden aus England, Frankreich, Spanien und Portugal vertrieben und in Ghettos in ganz Europa eingepfercht. In Mittel- und Osteuropa und in Russland wurden sie von Pogromen bedrängt. Der nationalsozialistische Völkermord löschte einen Großteil der jüdischen Bevölkerung in Europa aus und war das letzte Glied in der Kette der Notwendigkeit, eine jüdische nationale Heimstätte zu schaffen. Mit der Gründung des Staates Israel wurden die Juden aus den Ländern des afrikanischen Mittelmeerraums und Syriens, dem Libanon, dem Irak und dem Jemen vertrieben, und mit dem Aufkommen des islamischen Fundamentalismus auch aus dem Iran; Hunderttausende von Flüchtlingen, Überlebenden des Nazi-Holocausts in Europa einerseits und Hunderttausenden von Vertriebenen aus muslimischen Ländern andererseits. Diese nicht erschöpfende Zusammenfassung soll verdeutlichen, dass das jüdische Volk als Nation keinen Ort hat, an den sie hingehen kann und eine nationale Heimat verdient.

Die Interpretation des Zionismus und des Staates Israel als bloßes rassistisches, imperialistisches und neokoloniales Projekt leugnet die historische und aktuelle Notwendigkeit eines Schutzraums für Juden angesichts des in der ganzen Welt grassierenden Antisemitismus.

Auch die historische Verbindung des palästinensischen Volkes zu dieser Region ist unbestreitbar. Seine Vorläufer reichen zurück in die biblische, römische und byzantinische Zeit, in die Zeit der Umayyaden, Fatimiden, Kreuzfahrer, Ayyubiden, Mameluken und Osmanen. Das palästinensische Volk schafft seine Identität vom 20. Jahrhundert an mit dem Erwachen des arabischen Nationalismus gegenüber dem europäischen Kolonialismus und verstärkt sich mit der Gründung des Staates Israel. Auch dieses Volk hat eine nationale Heimat verdient.

Indem der im November 1947 von den Vereinten Nationen verabschiedete Teilungsplan für Palästina (Resolution 181) von den arabischen Nachbarländern und der palästinensischen Führung selbst nicht akzeptiert wurde, bricht ein Krieg aus, der mit der Zerstörung vieler Dörfer und der Vertreibung Hunderttausender von Palästinensern endet, von denen die meisten bis heute Flüchtlinge sind. Daran erinnert sich das palästinensische Volk als die Nakba. Heute sind mehr als fünf Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen Flüchtlinge in verschiedenen Ländern, ohne Bürgerrechte oder Staatsangehörigkeit. Bis heute hat das palästinensische Exil keinen Staat, in dem es sich niederlassen könnte. Das zeigt, wie dringend notwendig die Schaffung ihres eigenen Nationalstaates ist.

Die Vereinten Nationen und die meisten Länder der Welt befürworten ein Zweistaatenmodell. Das Modell, das beiden Völkern das Zusammenleben in einem Land ermöglicht, muss noch definiert werden, da keines von beiden ideal ist. Ob es sich um ein Zweistaatenmodell, einem Staat für beide Völker oder ein konföderatives Modell handelt, sollte in guter Absicht und mittels des Dialogs und der Versöhnung geprüft werden.

Gegenwärtiger Konflikt:

Auf dem schmerzhaften Weg zur vollen Verwirklichung der Rechte beider Völker wurden viele Fehler (mit guter und böser Absicht) und unzählige Verbrechen begangen. Jede explizite oder implizite Behauptung, welche die Verweigerung der unveräußerlichen Rechte beider Völker als Folge dieser Fehler und Verbrechen rechtfertigt, ist zurückzuweisen und abzulehnen. Die kollektive Bestrafung der Menschen beider Völker für die Fehler und Verbrechen ihrer Regierungen, ihrer Armeen oder ihrer Milizen ist zurückzuweisen und abzulehnen.

Die palästinensische Miliz Hamas hat am 7. Oktober 2023 einen brutalen Angriff auf Militärstützpunkte und auf von Zivilisten bevölkerte Orte verübt, darunter auch auf ein Jugendfestival. Dabei handelte es sich nicht um einen „legitimen“ Angriff (falls es so etwas wie eine legitime Gewalttat überhaupt gibt) auf militärische Einrichtungen, sondern um einen brutalen Angriff auf die Zivilbevölkerung, der die Vergewaltigung von Frauen sowie die Entführung und Ermordung von Babys, Frauen und älteren Menschen beinhaltete. Diese Aktion muss als schwerer und unmenschlicher terroristischer Akt und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet werden. Die Strategie der Hamas-Führung, die sich als Taktik hinter der Zivilbevölkerung in Schulen und Krankenhäusern versteckt, entmenschlicht nicht nur die Israelis, sondern auch ihr eigenes palästinensisches Volk, indem sie es dem vorhersehbaren und massiven israelischen Angriff aussetzt. Anstatt das Wohl des palästinensischen Volkes in den Vordergrund zu stellen, hat die Hamas-Führung der angeblichen „palästinensischen Sache“ Priorität eingeräumt.

Dieser brutale Angriff rechtfertigt in keiner Weise das Massaker, das die israelische Regierung im Namen des Rechts auf Selbstverteidigung an der Bevölkerung von Gaza, einschließlich Zivilisten, Frauen und Kindern, verübt. Die Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee waren (und sind es bis heute) brutal und zerstörerisch. In ihrem Eifer, die Hamas-Miliz auszuschalten, haben die israelische Regierung und Armee Zehntausende von Menschen getötet oder verletzt und den ohnehin schwachen und überbevölkerten palästinensischen Lebensraum zerstört. Hunderttausende von Menschen haben keine Häuser, in die sie zurückkehren können, keine Krankenhäuser, Schulen und Arbeitsplätze mehr.

Über die Verwendung des Begriffs Völkermord:[1]

Wir beobachten in den extremistischen Sektoren beider Seiten eine völkermörderische Mentalität. Das bedeutet nicht, dass wir ein Volk oder ein Land als völkermörderisch bezeichnen können.

Ob Israel in diesem Konflikt einen Völkermord begeht, sollte vom Internationalen Gerichtshof sorgfältig geprüft werden. Bislang hat der Gerichtshof den Krieg in Gaza nicht als Völkermord durch Israel eingestuft. In diesem Konflikt wird der Begriff Völkermord zu leichtfertig verwendet. Der Begriff wurde erfunden, um das Verbrechen zu beschreiben, das „keinen Namen hat“, und er wurde ab 1948 international für das „schlimmste aller Verbrechen“ verwendet. Der Begriff bezieht sich auf die Absicht, ein Volk oder einen Teil eines Volkes zu vernichten, so wie der Völkermord an den Armeniern durch die Türken und der Völkermord am jüdischen Volk durch die Nazis.

Nach dieser Definition ruft die Gründungserklärung der Hamas[2] zum Völkermord am jüdischen Volk auf.

Die Verwendung des Begriffs „Völkermord“ in Bezug auf Israel — solange dies nicht von internationalen Gerichtshöfen bewiesen wird — behindert die vollständige Lösung des Konflikts, indem sie den Hass verstärkt und überdies die in der Geschichte begangenen Völkermorde relativiert und banalisiert. Das Gleiche gilt für die Kampagnen und Slogans, die Israel mit Nazideutschland vergleichen: Sie verharmlosen nicht nur das Ausmaß des nationalsozialistischen Völkermordes, sondern schüren auch Hass und Gewalt und können nicht als humanistisch betrachtet werden.

Über die Besatzung im Westjordanland:

Wir wollen den Leitlinien der UN-Resolutionen und -Abkommen folgen und fordern den Abbau der von der UN für illegal erklärten Siedlungen, den Rückzug der israelischen Armee und der Siedler aus den nach 1967 besetzten Gebieten.

Wir unterstützen die Empfehlungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) aus dem Jahr 2024 zum Rückzug Israels aus den seit 1967 besetzten Gebieten, wobei die Besatzung als völkerrechtswidrig eingestuft wird.

Solange es keine einvernehmliche Lösung gibt, lehnen wir unilaterale Handlungen ab (die in der Regel unumkehrbar sind). Dazu gehören die Ausweitung israelischer Siedlungen und die faktische Errichtung eines Apartheidsystems, das in Gesetz und Praxis zwischen Israelis und Palästinensern in den besetzten Gebieten unterscheidet (nicht aber so innerhalb der israelischen Staatsgrenzen).

Wir verurteilen die Gewalt von Siedlern in palästinensischen Dörfern, die versuchen, die palästinensische Bevölkerung aus ihrem eigenen Territorium zu vertreiben.

Antisemitismus[3]

Hier wollen wir die explizite und implizite Diskriminierung[4] des jüdischen Volkes entlarven, der das jüdische Volk unterworfen ist.

Alte antisemitische Erscheinungsformen tauchen in vielen Ländern der Welt auf. Unter dem Deckmantel, das Handeln der israelischen Regierung abzulehnen, untergraben sie die Integrität und Integration jüdischer Gemeinden an ihren Wohnorten. Diese Erscheinungsformen des Antisemitismus, ob explizit oder implizit, müssen abgelehnt und zurückgewiesen werden.

Die Forderung nach dem Verschwinden des Staates Israel betrachten wir heute als einen klaren (wenn auch oft verdeckten) Ausdruck von Antisemitismus.

Gewaltfreie pro-palästinensische Demonstrationen in der ganzen Welt sowie Aufrufe zur Beendigung des Krieges, zur Anerkennung des palästinensischen Staates oder zur Verurteilung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland erscheinen uns völlig legitim und unterstreichen die Entmenschlichung, die sich dort abspielt. Auch halten wir Aufrufe zu einer Wirtschaftsblockade gegen Produkte aus den 1967 und später besetzten Gebieten nicht für antisemitisch. Hingegen lehnen wir die Blockade von Menschen, Kunstschaffenden, Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen oder Universitäten ab. Eine solche Blockade ist ein Fehler, weil sie die Möglichkeit des Austauschs und des Dialogs verhindert und von Antisemitismus getrieben sein könnte.

Antisemitische Gruppierungen und Interessengruppen nutzen diese Proteste jedoch aus, um Hass und Ressentiments gegen jüdische Einzelpersonen und Gemeinschaften zu schüren. Diese sollten verurteilt, zurückgewiesen und gemieden werden, da ihre Interessen nicht darin bestehen, den Konflikt zu beenden, sondern ihn zu verschärfen.

Ebenso sind einige der Forderungen, die auf diesen Demonstrationen zu hören sind (wie die Forderung nach dem „Verschwinden des Staates Israel“, „vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein“, Solidaritätsbekundungen mit der Hamas oder die Einstufung der Hamas als legitime Widerstandsorganisation), halten wir für antisemitisch, gewalttätig und antihumanistisch, da sie als Konsequenz zur Auslöschung des jüdischen Volkes in diesem Gebiet führen. Anstatt eine Lösung zu fördern, steigern sie den Hass und die Gewalt gegen Juden und Jüdinnen.

Gleichzeitig lehnen wir die Unterstützung von Organisationen und Gruppen ab, die eindeutig antisemitisch und rassistisch sind und die Israel vorübergehend unterstützen, um eine islamfeindliche Haltung zu verbreiten. Auch sie fördern nicht die Versöhnung zwischen den Völkern, sondern verstärken Hass und Gewalt.

Die israelische Regierung sollte bedenken, dass ihr skrupelloses Vorgehen den bereits existierenden Antisemitismus fördert und verstärkt. So wie Israel zur Unterstützung der jüdischen Gemeinden aufruft, sollte es auch die Auswirkungen seines Handelns auf diese bedenken. Juden und Jüdinnen in aller Welt sind jedoch keine Vertreter/-innen der israelischen Regierung. Tatsächlich fördern Israelis sowie jüdische Gemeinden in anderen Ländern zahlreiche Protestaktionen gegen die gewaltsame Politik der israelischen Regierung und alle extremistischen Gruppen. Ebenso gibt es gemeinsame Aktionen von israelischen und palästinensischen Friedensaktivisten für den Frieden und die Koexistenz. Über diese Demonstrationen wird in den Medien und in den sozialen Netzwerken nur selten berichtet.

Überlegungen für einen humanistischen Vorschlag

  • Vollständiger Waffenstillstand an allen Fronten (mit oder ohne Freilassung der Geiseln).
  • Sofortige Freilassung aller Geiseln (mit oder ohne Waffenstillstand).
  • Die Führer und Regierungen beider Seiten sind für ihre kriminellen Handlungen verantwortlich und sowohl die militärische als auch die politische Führung Israels sowie der Hamas müssen vom Internationalen Strafgerichtshof IStGH (ein Gericht, das Einzelpersonen und nicht Staaten anklagt) strafrechtlich verfolgt werden.
  • Ablehnung und Verurteilung fanatischer jüdischer Gruppen, die für ein „Groß-Israel“ oder die Vernichtung des palästinensischen Volkes eintreten. Gleichzeitige Ablehnung und Verurteilung der Organisationen, Gruppen oder Einzelpersonen, seien sie arabisch, islamistisch oder irgendeiner anderen Religion, egal welcher Ethnie oder Kultur, seien sie rechts, links oder einfach „progressiv“, welche die Zerstörung des Staates Israel und/oder den Völkermord am jüdischen Volk gutheißen oder fördern.
  • Stärkung der demokratischen Prozesse und Auflösung des zerstörerischen Einflusses der gewalttätigen Gruppierungen in beiden Völkern. Gruppen, die für ihre Ziele Gewalt fördern, müssen aus dem demokratischen Spiel ausgeschlossen und ihre Handlungen strafrechtlich verfolgt werden.
  • Die israelische Regierung sollte bedenken, dass obwohl Antisemitismus ungerechtfertigt ist, er durch ihre skrupellosen Maßnahmen gefördert und verstärkt wird. So wie Israel um die Unterstützung der jüdischen Gemeinden bittet, sollte es auch die Auswirkungen seines Handelns auf diese Gemeinden bedenken.
  • Es ist notwendig, bezüglich der Zwei-Staaten-Lösung, wie sie von den Vereinten Nationen vorgeschlagen wird, Fortschritte zu machen, auch wenn die derzeitige Situation mit dem halb zerstörten Gazastreifen, den über 700.000 israelischen Siedlern in den besetzten Gebieten, einem aufgrund der Isolierung des Gazastreifens unzusammenhängenden palästinensischen Gebiet, den Checkpoints im Westjordanland und der Nichtanerkennung des Existenzrechts Israels durch palästinensische Gruppierungen erschweren und Widerstände darstellen, die es zu überwinden gilt.
  • Es ist auch notwendig, den Dialog zwischen den Völkern selbst über ihr Modell der Koexistenz und des Zusammenlebens zu fördern, sei es auf der Grundlage von zwei Staaten für zwei Völker, einem Staat für beide Völker oder einem konföderativen Modell. Dieses Modell ist im Zusammenhang mit der Integration und Normalisierung der Beziehungen zwischen den Ländern der Region zu sehen sowie einer gerechten Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems, so wie es im Vorschlag der Arabischen Liga von 2002 dargelegt wurde.
  • Der Rückzug der Truppen aus dem Gazastreifen und den seit 1967 besetzten Gebieten sowie die unumschränkte Anerkennung des Existenzrechts Israels durch alle palästinensischen Organisationen sind unabdingbare Voraussetzungen für den Dialog und müssen so schnellstmöglich umgesetzt werden.
  • Alle Länder in der Region (derzeit Israel und Iran) müssen ihr Nuklearpotenzial transparent machen und die diesbezüglichen internationalen Regelungen übernehmen.
  • Der Konflikt wird erst dann gelöst sein, wenn der Weg der gegenseitigen Zerstörung und des Kreislaufes der Rache erschöpft ist. Dies kann nur auf beabsichtigte Art und Weise geschehen, indem die richtigen Bedingungen für einen Dialog zwischen den Parteien geschaffen werden. Beide Völker müssen wirklich gewillt sein, einen echten und dauerhaften Frieden anzustreben. Dessen Verwirklichung kann nur erreicht werden, wenn einerseits die zerstörerischen Worte und Handlungen beendet werden, und wenn andererseits ein Prozess der Versöhnung mit der langen Kette von erlittenen und zugefügten Wunden gefördert wird. Versöhnung bedeutet, weder zu vergessen noch zu vergeben, es bedeutet, alles, was geschehen ist, zu erkennen und sich vorzunehmen, den Teufelskreis des Ressentiments und der Rache zu verlassen. Es ist notwendig, neue Wege zu beschreiten, die zu neuen Horizonten führen.

Auf dem Weg zu einer universellen menschlichen Nation

Die Lage ist kritisch. Es ist notwendig, den Humanismus der jeweils eigenen Kultur wiederzugewinnen und ihn in den Dienst der gesellschaftlichen Entwicklung und aller Menschen in allen Teilen der Welt zu stellen. Es ist notwendig, die Traditionen der eigenen Kultur zu hinterfragen, die Hass, Rache und Diskriminierung fördern. Wir müssen lernen, ausgehend von der Vielfalt der Völker und jedes einzelnen Menschen, zusammenzufinden, wobei die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen als Rahmen dient.

Auf dem Weg zu einer universellen Menschennation ist es notwendig, den Dialog zwischen den kulturellen Identitäten zu verstärken und so einen Fortschritt in Richtung Koexistenz zu ermöglichen und die Konvergenz der Vielfalt stärken. Dies wird nicht durch die Ausweitung des Hasses und die Verleugnung des Anderen erreicht.

Die persönliche Befreiung und die Befreiung der Völker sind nur im Rahmen des universellen Grundsatzes möglich, der uns dazu auffordert, „andere so zu behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen“. Diese neue Lebenshaltung führt uns dazu, kreative Antworten auf die Gewalt in der Gesellschaft und in unserem eigenen Bewusstsein zu suchen, sie entfernt uns von der Rache und dient als Richtungsweiserin im Umgang miteinander, eines Volks mit einem anderen und einer Kultur mit einer anderen. Dieses Prinzip der Solidarität, das seit der Antike als Goldene Regel bekannt ist und auch von Silo formuliert wurde, gibt uns Inspiration, Schutz und Orientierung, es bringt uns in die Gegenwart des Menschlichen im anderen und in uns selbst, und das ist es, was wir anstreben und brauchen.

19. August 2024

Aaron Elberg, Ariane Weinberger, Dani Horowitz, Dario Ergas, Rosita Ergas, Robby Blueh und Roberto Kohanoff

[1] Artikel 6 des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs von 2002:
Im Sinne dieses Statuts bedeutet «Völkermord» jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Vernichtung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

[2] Es folgt ein Zitat aus der Gründungscharta der Hamas vom 18. August 1988 (Übersetzung: Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas (aus dem Arabischen von Lutz Rogler, in: Helga Baumgarten, Hamas. Der politische Islam in Palästina, München 2006, S. S. 207-226):
„Die Stunde (der Auferstehung) wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen. Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: Muslim, Oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn […]´, (Art.7).
Dieser Charta wurde nie für ungültig erklärt.

[3] Die weit verbreitete Feindseligkeit gegenüber Juden hat eine etwa 2500 Jahre alte Tradition. Anders als Fremdenfeindlichkeit wird sie mit vermeintlich unveränderlichen Eigenschaften von Juden begründet, die oft in ähnlicher Weise bezeichnet und dargestellt werden. So galten die Juden seit der Antike als „Feinde der Menschheit“, ab dem frühen Mittelalter als „Brunnenvergifter“, „Ritualmörder“ und heimliche „Verschwörer“ und ab der frühen Neuzeit als „Wucherer“ oder „Schmarotzer“, „Ausbeuter“ und „Weltherrscher“.
Der Begriff Antisemitismus als solcher erscheint zum ersten Mal im Dezember 1879, zu einer Zeit, in der die früheren Formen des Judenhasses durch das scheinbar wissenschaftlich-biologische Konzept verschiedener „Menschenrassen“ ersetzt und gerechtfertigt werden.

[4] Humanistisches Wörterbuch: DISKRIMINIERUNG (von lat. discriminare: trennen, unterscheiden). Bezeichnet eine Art minderwertiger Behandlung bezüglich der Rechte und gesellschaftlichen Anerkennung von Menschen, Organisationen und Staaten aufgrund ihrer ethnischen oder rassischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Kultur, ihrer Religion oder ihrer Ideologie. Vorsätzliche Vorenthaltung oder Beschneidung von Rechten und Leistungen. Eine Form der politischen D. ist die Einschränkung des aktiven oder passiven Wahlrechts. Die D. ist ein ausdrücklicher oder verdeckter Akt der Unterscheidung eines Individuums oder einer menschlichen Gruppe als Folge der Verneinung ihrer Absichten und Freiheiten. Im Gegensatz dazu werden immer besondere Eigenschaften, Tugenden oder Werte hervorgehoben, die sich die Diskriminierenden selbst zuschreiben. Ein solches Vorgehen ist mit einem „Blick“ (einer Sensibilität oder Ideologie) auf die menschliche Wirklichkeit verbunden, welche die menschliche Wirklichkeit objektivieren.
Der Neue Humanismus verurteilt D. in all ihren Erscheinungsformen und ruft zu ihrer öffentlichen Entlarvung auf.


Anhang 1: Glossar

Zionismus

Der Zionismus war ein Projekt, das im späten 19. Jahrhundert begann, einer Zeit der Bildung von Nationalstaaten und libertärer Ideale. Die Hauptidee des Projekts war die Errichtung einer Nationalen Heimstätte für das jüdische Volk im Land Zion (auf dem Berg Zion in Jerusalem). Das zionistische Projekt endet mit der Gründung und Konsolidierung des Staates Israel.

Für uns bezieht sich der Zionismus oder das Bekenntnis zum Zionismus auf all diejenigen, die die Existenz Israels als Land mit jüdischen kulturellen Akzenten unterstützen, ohne deswegen notwendigerweise mit der expansionistischen Politik bestimmter Sektoren Israels einverstanden zu sein.

Muslimische, islamistische und arabische Menschen

Muslime und Musliminnen sind Menschen islamischen Glaubens (dem Glauben Mohammeds), sollten aber nicht mit arabischen Menschen (die der arabischen Kultur angehören), verwechselt werden. So ist zum Beispiel das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt Indonesien, obwohl die indonesische Bevölkerung kein Arabisch als Muttersprache spricht. Auch die iranische Bevölkerung (persische) ist nicht arabisch. Arabische Menschen sind diejenigen (in einer groben Vereinfachung), deren Muttersprache Arabisch ist. Genauso wie nicht alle muslimischen Menschen arabisch sind, sind auch nicht alle arabischen Menschen muslimisch, sondern es gibt auch christliche, drusische und viele andere. Palästinenser/-innen sind arabische Menschen aus Palästina.

Als Islamisten werden diejenigen Muslime bezeichnet, die sich nicht nur zum Islam bekennen, sondern auch vorschlagen, Länder nach den Gesetzen und Regeln des Islam und seiner Ableitungen zu regieren.

Jüdische und israelische Menschen

Ähnlich wie der Unterschied zwischen Muslimen und Arabern sollten Juden (auch Hebräer oder Israeliten genannt) nicht mit Israelis (Bürgern Israels) verwechselt werden. Juden sind all diejenigen, die sich als Angehörige des jüdischen Volkes bezeichnen.

Etwa 45 % des jüdischen Volkes sind in Israel ansässig, der Rest in vielen anderen Ländern (35 % in den USA, der Rest in Frankreich, Kanada, dem Vereinigten Königreich, Argentinien, Russland, Australien, einigen osteuropäischen Ländern, u. a.). Was die Israelis betrifft, so sind zwar etwa 80% Juden, aber es gibt auch arabische Israelis (sowohl muslimische arabische Israelis als auch christliche arabische Israelis) und andere Minderheiten.