Die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels werden zunehmend spürbarer, vor allem in Lateinamerika. Mexiko leidet seit fast einem Jahr unter einer extremen Dürre. Mit am stärksten betroffen ist der südmexikanische Bundesstaat Oaxaca. In der Hauptstadt Oaxaca de Juárez kommt es zunehmend zu Engpässen bei der Wasserversorgung. Grund: das Versiegen von Grundwasserleitern und Austrocknen der Flüsse. Lokale Initiativen haben sich zur Aufgabe gemacht, dem etwas entgegenzusetzen und den einst majestätischen Río Atoyac zu retten – und so nicht nur die Wasserversorgung zu sichern, sondern auch das Klima in der Stadt zu verbessern.

Ein heißer Sonntagmorgen am Río Atoyac: Menschen stapfen durch hohes, vertrocknetes Gras. Sie schleppen Plastiksäcke, gefüllt mit Müll, den sie am Ufer des Flusses gesammelt haben. Aus der Ferne sind Gesänge zu hören. Sie stammen von einer Gruppe von etwa 15 Personen, die dem Aufruf des Simbiosis Chors (Simbiosis Coro), an diesem Morgen zum Río Atoyac zu kommen, gefolgt sind.  Jedes Jahr am 22. März, dem Weltwassertag, kommen auf der ganzen Welt Menschen zusammen, um gemeinsam zu singen und sich die Bedeutung des Wassers bewusst zu machen. Auch der Simbiosis Chor hatte zum „Canto al Agua„, dem „Singen für das Wasser“ eingeladen.

Lokale Initiativen treten für Renaturierung ein

Alejandra Sic ist Mitorganisatorin des Events, an dem neben Simbiosis Coro auch weitere Gruppen und Initiativen teilnehmen, die sich für die Rettung des Río Atoyac einsetzen. Der einst wichtigste Fluss der Hauptstadt des südmexikanischen Bundesstaates Oaxaca ist kaum noch als solcher zu erkennen. Aufgrund fehlender Strategien zu seinem Schutz dient er heute als Müllkippe, zur Entsorgung von Abwässern oder um Kies für die Bauindustrie abzubaggern.

Einer von mehr als 50 Menschen, die an diesem grauen Tag zum Fluss gekommen sind, ist Roberto Torres Jarqín von der Initiative „La Voz de la Montaña Ancestral„. Jeden Sonntagmorgen kommen Mitglieder der Initiative an den Fluss, um ihm ein wenig Liebe zu schenken und Bäume zu pflanzen, damit Vögel und Insekten einen Rückzugsort haben. Und sie wollen auch dem Fluss helfen, der so viel für ihre Geschichte und ihre Wurzeln bedeutet, ihn zu einem Ort der Reinigung und einer Lunge für die Stadt machen. Denn heute ist von dem einst majestätischen Atoyac, der weniger als 50 Kilometer vor der Stadt entspringt, wenig geblieben. Auf den letzten 20 Kilometern gleicht er einem schwarzen, öligen Bach, der am frühen Nachmittag, wenn die Sonne am höchsten steht, einen ekelerregenden Gestank verströmt.

Sticken, um ins Gespräch zu kommen

Unter den ausladenden Ästen eines der wenigen Bäume baut eine Gruppe Frauen ihren Stand auf. Auf einem Tisch verstreut liegen Stickrahmen und bunte Fäden. Die Frauen gehören zum Kunstkollektiv „Hacer Tequio“. Mit ihren Stickereien wollen sie einen Prozess der Erinnerung und Reflexion über den Atoyac anschieben. Marbella erklärt, was damit gemeint ist: “Dieses Projekt soll helfen, über das Thema nachzudenken und zu diskutieren, über die Verantwortung sowohl der Bürger als auch der Behörden.“

Marbella und Hacer Tequio nutzen die Stickerei, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und über den Zustand des Atoyac zu reden. Deshalb sind sie auch der Einladung zum „Canto al Agua“ gefolgt. Der Fluss beschäftigt das Kollektiv allerdings schon länger. Während der letzten sechs Monate hat es in verschiedenen Stadtteilen Oaxacas zum gemeinsamen Sticken eingeladen. Auf den Zusammenkünften wurde an einem Wandteppich über den Atoyac gearbeitet. Die Ausstellung des Gemeinschaftswerks soll eine öffentliche Diskussion über den Fluss und seinen Zustand anschieben.

Der Fluss gestern und heute

Da wir Hacer Tequios Ansatz spannend finden, besuchen wir einen ihrer Stickereien-Workshops. Dort lernen wir José Demetrio kennen. Demetrio ist Lehrer und einer der wenigen männlichen Teilnehmer des Workshops. Eigentlich hatte ihn die Stickerei in den Workshop gelockt, doch dann musste er feststellen, dass es um mehr geht. Gemeinsam über die Bewahrung der Wasserreserven Oaxacas zu reflektieren hält Demetrio für eine ausgezeichnete Idee, denn es ist nie zu spät, die Probleme zu lösen, die von so entscheidender Bedeutung für das Leben sind.

José Demetrio hat sein ganzes Leben in Oaxaca gelebt, folglich hat er so manche Geschichte über den Atoyac parat. Als Kind hatte er im Fluss gebadet, ihn immer wieder überquert und kleine Fische gefangen. Am Ufer haben die Kinderr kleine Löcher gegraben und aus diesen das Wasser getrunken. Nie sind sind sie krank geworden sagt Demetrio. Heute traut er sich nicht mal, seine Hände in den Fluss zu stecken, wegen der Verschmutzung. Es macht ihn sehr traurig zu sehen, wie der Fluss nach und nach verschwindet. Von dem Fluss, der vor 50 Jahren noch die Stadt überfluten konnte, ist nur noch ein Rinnsal übriggeblieben. Schuld daran ist nicht zuletzt die extreme Trockenheit, die die Stadt im letzten Jahr heimgesucht hat. Auch das unkontrollierte Wachstum der Stadt und das Versiegen der Grundwasserleiter haben dazu beigetragen. Diese Probleme wurden im einem Bürgerdialog aufgegriffen und als drängende Aufgaben aller definiert.

Weg aus der Krise: Stärkung lokaler Initiativen

Úrsula Hernández forscht seit Jahren zu sozialen Prozessen und dem Widerstand gegen Großprojekte. Dabei arbeitet sie eng mit sozialen Organisationen zusammen. In Oaxaca versucht ihr zufolge eine Reihe lokaler Initiativen, der Klimakrise und dem Wassermangel etwas entgegenzusetzen. Dabei stoßen sie aber immer wieder auf Apatie und Desinteresse von Seiten der Behörden. Obwohl seit Jahren auf internationalen Konferenzen über den Klimawandel geredet wird, hat sich wenig getan, weder auf internationaler noch auf Landes- oder lokaler Ebene. Deshalb hat Hernández einen Vorschlag: „Der einzige Weg, die Wasserkrise anzugehen, ist, lokale und regionale Prozesse zu stärken.“ Da der menschengemachte Klimawandel von vielen geleugnet wird und seine katastrophalen Auswirkungen noch nicht überall erkannt werden, sind lokale Initiativen wichtig, um ihn ins Bewusstsein zu rücken. Sie schaffen Räume, in denen über Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit diskutiert werden kann und konkrete Maßnahmen zum Schutz der Lebensgrundlagen entwickelt werden.

Weitere Infos zu der dramatischen Wasserknappheit in Oaxaca findet ihr hier.

Einen Audiobeitrag von Miriam & Knut über die lokalen Initiativen gegen die Wasserkrise in Oaxaca gibt’s auf Deutsch und Spanisch.

Der Originalartikel kann hier besucht werden