Micah Hendler, Gründer des Jerusalem Youth Chorus, einem palästinensischen und israelischen Musik- und Dialogprojekt, das junge Palästinenser und Israelis durch gemeinsames Singen zusammenführt, erklärt: „Wir Menschen neigen dazu, einander stärker zu vertrauen, wenn wir gemeinsam singen.“ Hendler und der leitende Direktor Amer Abu Arqub verdeutlichen, wie Musik interkulturelles Verständnis fördern kann – selbst in Zeiten des Krieges. Sie stellen die jungen Sängerinnen und Sänger vor, die eine kraftvolle Hymne darbieten, die zu Gewaltfreiheit aufruft und das Publikum dazu einlädt, einen neuen, zukunftsweisenden Weg zu beschreiten.

Deutsche Übersetzung des Transkriptes:

Hallo, ich bin Micah Handler und ich bin Amer Abu Arqub.

Micah: Und wir sind die Leiter des Jerusalem Youth Chorus, einem palästinensischen und israelischen Musik- und Dialogprojekts, und erheben unsere Stimmen, um der uns umgebenden Gewalt etwas entgegenzusetzen.

Amer: Wir lehnen Krieg, Besatzung und Terror ab und haben uns stattdessen entschieden, für Frieden, Gerechtigkeit, Inklusion und Gleichheit zu singen. Im Jerusalemer Jugendchor sind wir nicht der gleichen Meinung, wir stimmen nicht überein und Woche für Woche führen wir darüber schwierige Gespräche. Aber was wir miteinander teilen, ist eine gemeinsame Zukunft, allen gegenteiligen Äußerungen der Politiker zum Trotz.

Micah: Ich habe den Jerusalem Youth Chorus vor zwölf Jahren gegründet, weil wir als Menschen so veranlagt sind, einander stärker zu vertrauen, wenn wir zusammen singen. Das Singen in Gruppen erzeugt einen Raum, in dem Gespräche stattfinden können, die zu Veränderungen führen. Sehr heftige Gespräche, gerade zwischen Menschen, die dazu erzogen wurden, einander Feind zu sein. Und dann, durch diese Musik, können wir die Wirkung dieser Begegnungen ausweiten, wenn sich die Stimmen unserer Sängerinnen und Sänger gemeinsam erheben und zu einer Kraft für einen systemischen Wandel werden, so wie Musik im Laufe der Geschichte soziale Bewegungen schon immer angetrieben hat.

Amer: Vor zehn Jahren bin ich dem Chor beigetreten, und dort habe ich meine Stimme als Musiker, als Palästinenser und als Amer gefunden. Und letztes Jahr war ich so stolz darauf, die Rolle als leitender Direktor zu übernehmen, mit der Vision, eine Jugendgesangsbewegung zu schaffen, die Jugendlichen hilft, ihre Stimme in ganz Israel/Palästina zu finden, so wie ich meine gefunden habe. Die Sängerinnen und Sänger des Jugendchores von Jerusalem haben während des Krieges nicht aufgehört, sich zu treffen, denn JYC ist unser Zuhause, und wir werden einander nicht aufgeben.

Micah: Das Lied, das wir heute mit euch allen teilen werden, wurde von unseren Chormitgliedern nach dem 7. Oktober geschrieben. Und es macht vollkommen die Trauer, den Schmerz und den Verlust deutlich, aber auch die tiefe Einsicht und die starke Widerstandsfähigkeit, die sie in dieser Zeit gefunden haben.

Amer: Diese Gewalt begann nicht am 7. Oktober. Diese Gewalt und der letzte Krieg sind nur ein sehr schreckliches Beispiel dafür, wie Israelis und Palästinenser*innen von den extremen Führern gegeneinander ausgespielt werden, die sich gegenseitig brauchen, um an der Macht zu bleiben. Und es sind immer die gewöhnlichen Menschen, die den Preis dafür zahlen.

Micah: Wir wissen, dass wir als palästinensisch-israelischer Jugendchor nicht die Macht haben, im Alleingang den Krieg zu beenden. Aber wir wissen auch, dass der Grund, warum der Krieg weitergeht, darin besteht, dass die Menschen das Gefühl haben, dass es keinen anderen Weg gibt.

Beide zusammen: Wir sind der andere Weg.

Liedtext auf Deutsch weiter unten:

Chor:

Der Ölbaum vergießt Tränen von Öl,
er verstoßt nicht, noch formt er Herden.
Und die Erde im Sommer und im Winter,
sie trägt mich mit all meinen Sünden und meinen guten Taten.

Meine Familie und meine Nachbarschaft sind in den Nachrichten
und du sprichst immer noch in unserem Namen.

Sie sagen, es sei Sieg oder Niederlage.
Sie sagen, es sei Leben oder Tod.

Aber wenn dieser Tag vorbei ist, was wird dann bleiben?
Nur du und ich, deren Zukunft miteinander verflochten ist.

Wir leben inmitten der Kriege,
wir fühlen den Schmerz des Anderen.

Durch dich weiß ich,
wir müssen einen anderen Weg wählen.
Wir müssen einen anderen Weg wählen.

Das schönste Mädchen im Kindergarten.
Sie hat die traurigsten Augen im Kindergarten
und sie steht in den Trümmern dessen, was einst ihr Kindergarten war,
und sie weint um alle, die verloren gegangen sind.

Das schönste Mädchen im Kindergarten,
ihre Haare riechen noch nach Rauch.
Aber wir werden die Morgendämmerung sehen.
Diese Dunkelheit kann nicht weiter bestehen.

Aber wenn dieser Tag vorbei ist, was wird dann bleiben?
Nur du und ich, deren Zukunft miteinander verflochten ist.

Wir leben inmitten der Kriege,
wir fühlen den Schmerz des Anderen.

Durch dich weiß ich,
wir müssen einen anderen Weg wählen.
Wir müssen einen anderen Weg wählen.

Und wenn dieser Tag vorbei ist, was wird dann bleiben?
Nur du und ich, deren Zukunft miteinander verflochten ist.

Durch dich weiß ich, wir müssen einen anderen Weg wählen.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!