Ich verbrachte die letzten Wochen auf dem westlichen Balkan, um anlässlich des 29. Jahrestags des Dayton Abkommens und seiner Ratifikation in Paris, sowie der Feierlichkeiten zum 11. Juli als „Internationaler Tag des Gedenkens und der Erinnerung an den Völkermord von Srebrenica 1995“ Trends und Spannungen in der Region besser zu verstehen. Dazu zitiere ich den Artikel von Paulina Wonkiewicz, einer auf Mitteleuropa spezialisierten Forscherin am Zentrum für Osteuropastudien, als einen ersten Versuch, mich dem fragilen Gleichgewicht in der Region des westlichen Balkans anzunähern.

Das diesjährige Gedenken am 11. Juli fand unter dem Druck der jüngsten UN-Resolution (Dokument A/78/L.67/Rev.1) statt, die „jede Leugnung des Völkermords von Srebrenica als historische Tatsache sowie Handlungen verurteilt, die diejenigen verherrlichen, die von internationalen Gerichten wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verurteilt wurden. In demselben Dokument wird der Generalsekretär der Vereinten Nationen aufgefordert, ein Informationsprogramm mit dem Titel „Der Völkermord von Srebrenica und die Vereinten Nationen“ zu entwickeln, das im Vorfeld des dreißigsten Jahrestages im nächsten Jahr, anlaufen soll.

Die Wissenschaftlerin erläutert in ihrem Beitrag die Vorbehalte, die die westlichen Balkanstaaten gegen die Resolution erhoben haben. Vielleicht sind die aktuellen Turbulenzen im Zusammenhang mit dem seit drei Jahren andauernden Krieg zwischen Russland und der Ukraine und dem internationalen, europäischen und nationalen Druck auf die Balkanländer, eine pro-ukrainische Position einzunehmen, zu sehen.

In Anbetracht des Mangels an „Grassroot-Initiativen zur Bearbeitung der Differenzen zwischen den beiden Nationen Bosnien – Herzegowina und Serbien“, wie die Autorin in ihrem Text feststellt, könnte es der Organisation des 3. Weltmarsches für Frieden und Gewaltlosigkeit helfen, über Interventionen und Basisinitiativen nachzudenken, die zur Versöhnung beitragen könnten.

Die Srebrenica-Resolution: geringe Chancen für Versöhnung

Geschrieben von Paulina Wankiewicz, veröffentlicht auf der Website des Zentrums für Osteuropastudien

Die UN-Resolution zum Völkermord von Srebrenica hat eine Reihe von Spannungen in der westlichen Balkanregion ausgelöst. Am 23. Mai stimmte die UN-Generalversammlung für die von Bosnien -Herzegowina (BiH), Deutschland und Ruanda eingebrachte Resolution, deren langfristiges Ziel die Versöhnung zwischen den Nationalitäten in BiH ist. Die bosnische Seite argumentierte, dass die Verabschiedung der Resolution der schändlichen Praxis der Leugnung des Völkermords ein Ende setzen würde. Gleichzeitig behaupteten die serbischen politischen Eliten, das Dokument richte sich gegen die Serben und bezeichne sie als „völkermordende“ Nation.

Entgegen der serbischen Darstellung sagt die Resolution nichts über die kollektive Verantwortung der Nation aus; stattdessen besteht ihr wichtigstes Ziel darin, den 11. Juli zum „Internationalen Tag des Gedenkens und der Erinnerung an den Völkermord in Srebrenica 1995“ zu erklären (siehe Anhang). Sie verurteilt auch die Leugnung des Völkermords und die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und fordert die Mitgliedstaaten auf, geeignete Bildungsprogramme unter Berücksichtigung der historischen Fakten zu entwickeln. 171 UN-Mitgliedsstaaten nahmen an der Abstimmung teil, wobei 84 die Resolution unterstützten, 19 sie ablehnten und 68 sich der Stimme enthielten.

Reaktionen auf die Resolution in der westlichen Balkanregion

Der Abstimmung waren intensive Diskussionen in Bosnien – Herzegowina und anderen Ländern der Region vorausgegangen. Der Führer der bosnischen Serben, Milorad Dodik, nutzte dieses Thema, um seine Drohungen zu verschärfen, dass sich die von ihm geführte Republika Srpska (RS), eine Teilrepublik von Bosnien – Herzegowina, von Bosnien abspalten würde (siehe „Bośnia i Hercegowina – gry separatyzmem Republiki Serbskiej“). Dodik organisierte einen massiven Protest gegen die Resolution in Banja Luka und kündigte an, dass ein Dokument mit einem Vorschlag für eine friedliche Abspaltung der RS von Bosnien – Herzegowina ausgearbeitet werde. Er initiierte auch eine Debatte über die Änderung des Namens der Stadt Srebrenica, die in der RS liegt.

Diese Frage hat in Montenegro, wo sich etwa 30 % der Bevölkerung als ethnische Serben bezeichnen, besonders heftige Diskussionen ausgelöst. Um die Spannungen im eigenen Land und in den Beziehungen zu Belgrad zu minimieren, hat die montenegrinische Regierung Änderungsanträge zur Resolution vorgelegt, in denen die individuelle Verantwortung für die begangenen Verbrechen und die Unverletzlichkeit der Bestimmungen des Dayton-Abkommens betont werden. Darüber hinaus schlugen einige montenegrinische Abgeordnete, die mit der Entscheidung der Regierung, die Srebrenica-Resolution zu unterstützen, unzufrieden waren, ein ähnliches Dokument zu den in Jasenovac (einem Konzentrationslager im Unabhängigen Staat Kroatien während des Zweiten Weltkriegs) begangenen Verbrechen vor. Diese Idee wurde sofort vom kroatischen Außenminister kritisiert, der argumentierte, dass sich dieser Schritt negativ auf die Bestrebungen Montenegros auswirken könnte, der EU beizutreten.

Der Streit um die Resolution hat auch in Bulgarien zu einem Skandal vor den Wahlen geführt. Die lokalen Medien enthüllten einen Briefwechsel, in dem der Interims-Premierminister Dimitar Glavchev (der früher der GERB-Partei angehörte) den bulgarischen Botschafter bei der UNO unter Druck setzte, die Position des Landes zu dem Dokument zu ändern und dagegen zu stimmen. Der derzeitige GERB-Vorsitzende und frühere Ministerpräsident Bojko Borissov unterhielt enge Beziehungen zu Serbiens Präsident Aleksandar Vučić. Der Versuch, die Haltung zu ändern, ging höchstwahrscheinlich auf Borissovs Initiative zurück. Letztendlich stimmte Bulgarien jedoch für die Resolution.

Vučićs Diplomatie und Propaganda-Arithmetik

Präsident Vučić setzte sich aktiv dafür ein, dass die UN-Mitglieder gegen die Resolution stimmten oder sich zumindest der Stimme enthielten oder gar nicht erst an der Abstimmung teilnahmen. Die Diplomatie des serbischen Präsidenten beruht auf persönlichen Kontakten und einem transaktionalen Ansatz (z. B. dem Angebot an Länder, im Gegenzug für eine Entscheidung in seinem Sinne die Visumspflicht zu lockern oder finanzielle Hilfe zu leisten). So hat beispielsweise Ungarn als einziges EU-Land gegen die Resolution gestimmt, was auf Vučićs enge Beziehungen zu Ministerpräsident Viktor Orbán zurückzuführen ist (außerdem enthielten sich die Slowakei, Griechenland und Zypern der Stimme). Der serbische Präsident überredete Länder, die seine stark antiwestlichen Ansichten teilen, wie Russland, Weißrussland, China, Nordkorea, Syrien, Kuba und Nicaragua, gegen das Dokument zu stimmen (Serbien unterhält als Nachfolgestaat Jugoslawiens immer noch enge Beziehungen zu einigen dieser Länder).

Obwohl die Resolution angenommen wurde, verkündeten die Regierungen der Republika Srpska und Serbiens einen „moralischen Sieg“ und behaupteten, dem Dokument fehle es an internationaler Legitimität. Auf Plakaten in der Republika Srpska und in Serbien wurde das Ergebnis mit 109:84 angegeben (die Länder, die nicht an der Abstimmung teilnahmen, sich der Stimme enthielten oder dagegen stimmten, wurden zusammengezählt). Am Tag nach der Bekanntgabe der Ergebnisse fanden zahlreiche Demonstrationen statt, um den „Sieg“ der serbischen Diplomatie in der UNO zu feiern. Vučić nutzte die Resolution, um sein Image als Anführer aller Serben zu stärken und nationalistische Gefühle in der Region zu schüren. Das Unvermögen der EU-Staaten, eine einheitliche Haltung einzunehmen, hat auch deutlich gemacht, dass die EU keine einheitliche Haltung gegenüber dem westlichen Balkan hat, selbst wenn es um symbolische Fragen geht.

Aussichten: Versöhnung bleibt ein fernes Ziel

Eine der Intentionen der Resolution war es, den Versöhnungsprozess zwischen ethnischen Bosniaken und Serben zu erleichtern. Das Dokument ist sowohl moralisch als auch rechtlich gerechtfertigt, da das Massaker von Srebrenica von internationalen Gerichten als Völkermord anerkannt wurde (siehe Anhang). Die Resolution wurde jedoch zu spät verabschiedet und hat inmitten der zunehmenden Instabilität in der Region die Streitigkeiten über die traumatische Vergangenheit neu entfacht.

Die Diskussionen über die UN-Resolution und ihre Verabschiedung haben den nationalistischen Narrativen von Vučić und Dodik zusätzlichen Auftrieb gegeben, die jeden Versuch, die vom serbischen Militär während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien begangenen Verbrechen anzusprechen, als Angriff auf die heutige serbische Nation darstellen. Frühere Bemühungen, dem serbischen Geschichtsrevisionismus entgegenzuwirken, wie z. B. Änderungen des Strafgesetzbuchs von Bosnien – Herzegowina, die die Leugnung des Völkermords von Srebrenica und die Verherrlichung von Kriegsverbrechern unter Strafe stellen, wurden bisher nicht wirksam durchgesetzt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Geschichte hier für politische Zwecke missbraucht wird und es keine Basisinitiativen gibt, um die Gräben zwischen den beiden Nationen zuzuschütten, scheint eine echte bosniakisch-serbische Versöhnung in weiter Ferne zu liegen. Schon bald werden diese Fragen zu weiteren Spannungen führen, insbesondere vor dem 11. Juli, wenn der Internationale Tag des Gedenkens an den Völkermord in Srebrenica 1995 zum ersten Mal begangen wird.

Appendix

Der Völkermord von Srebrenica. Im Juli 1995, während des Krieges in Bosnien und Herzegowina, tötete die bosnisch-serbische Armee (Armee der Republika Srpska, VRS) über 8.000 bosnische Muslime, die sich in der UN-Sicherheitszone bei Srebrenica aufhielten. Das Massaker von Srebrenica war einer der Gründe für den Beginn der NATO-Operation Deliberate Force, bei der militärische Ziele der bosnisch-serbischen Streitkräfte bombardiert wurden. Das Massaker von Srebrenica ist sowohl vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien als auch vom Internationalen Gerichtshof als Völkermord anerkannt worden.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Heidi Meinzolt vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden