In Deutschland leben neben ca. 100.000 deutschen Sinti und Roma etwa 1,2 Millionen migrantische und postmigrantische/ neue deutsche Roma, die aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland kamen.

Die ersten Roma, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland kamen, waren Gastarbeiter:innen vor allem aus Jugoslawien, aber auch aus der Türkei, Griechenland, Spanien und Italien, die seit den 1960er angeworben wurden und seither mit ihren Kindern und Enkeln in Deutschland arbeiten und leben. Viele von ihnen ließen sich einbürgern. Ihre Kinder und Enkel erhielten die deutsche Staatsangehörigkeit mit ihrer Geburt. Die Gastarbeiter:innen aus Jugoslawien waren oder sind teils noch selber Überlebende des NS-Völkermords sowie Angehörige der 2. Generation.

Seit Ende der 1980er Jahren flüchteten Roma vor den nationalistischen Spannungen und anschließenden Bürgerkriegen aus den verschiedenen Regionen Jugoslawiens. Sie suchten Schutz in Deutschland. Manche bekamen ihn und konnten tragfähige wirtschaftliche Existenzen aufbauen. Ein Teil von ihnen ließ sich einbürgern. Vielen wurde ein Schutzstatus jedoch verwehrt, obwohl sie aus einem Kriegsgebiet kamen und blieben über Jahre oder gar Jahrzehnte geduldet, also ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Beschäftigungsverbot, Residenzpflicht, Gutscheinsystem, kaum Möglichkeit auf Fortbildung oder Integrationskurse – diese langjährige Stagnation hat bis heute gravierende Folgen für die Betroffenen. Als Geduldete wurden viele trotz Jahrzehnte langem Aufenthalt, Arbeit und Schulbesuch doch abgeschoben oder ihnen droht nach wie vor die Abschiebung.

Auch aus Rumänien flüchteten Roma zu dieser Zeit, wo sie nach dem Ende des CeaușescuRegimes vielfach ihre Arbeit verloren und der sich wieder Bahn brechende Rassismus – das Erbe von 500 Jahren Versklavung von Roma in Rumänien – ihre Lage verschärfte. In der Hoffnung, in Deutschland arbeiten und für ihre Kinder eine Zukunft aufbauen zu können, kamen sie hierher. Wenige dieser Menschen konnten in Deutschland bleiben. Die Stimmung gegen Roma eskalierte im Pogrom von Rostock-Lichtenhagen im August 1992. Auf diesen folgte wenige Wochen später das Rücknahmeabkommen mit Rumänien und die Abschiebung der meisten geflüchteten Roma.

Nach dem Kosovokrieg 1999 wurden innerhalb kurzer Zeit fast 90 Prozent der kosovarischen Roma (ca. 150.000 Menschen) systematisch aus ihrer Heimat vertrieben und ihres Eigentums beraubt. Die meisten flohen nach Westeuropa, darunter viele nach Deutschland, wo sie sich neue Existenzen aufbauten. Manche haben nach wie vor keinen sicheren Aufenthaltsstatus. Auch ihre in Deutschland geborenen Kinder und Enkel leben zum Teil im „geerbten“ Nicht-Status der Duldung.

Die geflüchteten Roma aus Jugoslawien und die vertriebenen Roma aus dem Kosovo sind die 2. und 3. Generation der Überlebenden und Nachkommen des Völkermords während des Zweiten Weltkriegs. Einige von ihnen sind selbst noch Überlebende des Genozids.

Seit 2014 verlassen viele Roma als EU-Bürger:innen vor allem aus Rumänien und Bulgarien ihr Land. Gründe sie meist anhaltende Marginalisierung und Diskriminierung. Sie kommen nach Deutschland und nehmen eine Arbeit auf, um für sich und ihre Familien tragfähige Zukunftsperspektiven zu entwickeln, auch wenn sie dabei oft in prekäre Beschäftigungsverhältnisse geraten.

Bis heute fliehen Roma vor allem aus den als „sichere Herkunftsstaaten“ deklarierten Ländern Ost- und Südosteuropas vor rassistischer Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. Sie stellen häufig zum wiederholten Mal Asylanträge. Manche von ihnen sind in Deutschland geboren und aufgewachsen und wurden zum Teil schon mehrfach abgeschoben. Ihre Anerkennungschancen sind jedoch äußerst gering, da der Gesetzgeber annimmt, in diesen Ländern gebe es keine Verfolgung, und falls doch, gebe es staatlichen Schutz für die Betroffenen. Die Erfahrungen zeichnen jedoch ein anderes Bild. Diese Menschen befinden sich häufig in einem nicht endenden Teufelskreis aus Flucht und Abschiebung.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 fliehen viele Roma auch von dort nach Deutschland, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Als ukrainische Staatsangehörige ist ihr Aufenthaltsstatus derzeit noch gesichert, jedoch erleben viele von ihnen vor, während und nach der Flucht ein hohes Maß an Diskriminierung.

Die meisten Roma in Deutschland und Europa sind Nachkommen und zum Teil selbst noch Überlebende des Holocaust, für den deutsche Verwaltungen, SS, Polizei und Wehrmacht verantwortlich und an dem Verbündete in damals besetzten und befreundeten Gebieten beteiligt waren. Deshalb ist der 2. August, der Europäische Gedenktag an den Holocaust an den Sinti und Roma Europas, der bis heute nachwirkt, auch eine Mahnung insbesondere an die Politik in Deutschland, ihre Verantwortung für den Schutz und die Sicherheit der Roma und Sinti ernst zu nehmen.

Eine gemeinsame Pressemitteilung von:

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