Die Klimakatastrophe ist hier, und der Blick in die Zukunft ist alles andere als positiv.
Mittlerweile ist dies auch in einer breiteren Bevölkerung angekommen, und trotzdem bleiben die politischen Massnahmen gegen die Zerstörung der Erde weitgehend aus. Wie denn auch? Dafür müsste grundsätzlich das wirtschaftliche System und die Privilegien des reichen Europas und Nordamerikas hinterfragt und umgewälzt werden. Denn solange wir in einem neoliberalen Wirtschaftssystem mit globaler Ausbeutung und Transportwegen um die halbe Erde leben und uns die Welt mit profitorientierten Konzernen teilen, wird sich an diesen Verhältnissen nichts – oder auf jedenfall zu wenig – ändern.
Durch das Auflehnen mehrheitlich junger Menschen auf der ganzen Welt gegen die Klimakatastrophe mussten sowohl Konzerne, wie auch Regierungen Massnahmen für den Klimaschutz ergreifen. Dass sich die Erde unwiderruflich aufheizt ist mittlerweile nicht mehr zu leugnen und dass das Austossen von CO² durch Verbrennungsmotoren und Industrie dabei eine zentrale Rolle spielt, liegt auch auf der Hand. Die Frage der Herrschenden könnte also wie folgt lauten: wie können aufgebrachte, wütende und verzweifelte Menschen wieder in kapitalistisch-produktive Rollen gezwängt werden? Dazu müsste primär das Vertrauen in die Politik und das Wirtschaftssystem wieder hergestellt werden, damit die Menschen nicht mehr protestieren, sie motiviert am Arbeits- und Konsummarkt teilnehmen und dabei auch noch im Glauben sind, etwas Gutes zu tun – oder wie die aktuelle Bezeichnung dazu lautet: ein möglichst kleiner ökologischer Fussabdruck zu hinterlassen.
Der Versuch dieses Vertrauen wieder aufzubauen ist jedoch scheinheilig. Es geht nie um den ehrlichen Versuch nachhaltige und dezentrale Wirtschaftssysteme aufzubauen und zu unterstützen. Für die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsträger:innen geht es einzig darum das alte Spiel unter neuem Deckmantel zu spielen. Dies bedeutet Profitorientierung und Gewinnmaximierung mit grünem Anstrich. Dafür haben die Herrschenden, angelehnt an tatsächlich wichtige Diskurse und Auseinandersetzungen, sich einen Hauptfeind ausgesucht, welchen sie mehr schlecht als recht bekämpfen, um sich die Weste rein zu waschen: das CO². Somit liegt der Fokus bei Fragen zum Klima und unserer Umwelt nur bei einem Aspekt der Katastrophe. Eigentlich auch ganz praktisch, die fossilen Brennstoffe sind ein endliches Produkt und die Reserven neigen sich dem Ende zu. Zwei Fliegen auf einen Streich also.
Kein CO² = nachhaltig?
Mit Diskursen in den Parlamenten über weniger CO²-Emissionen werden immer absurdere Ideen wieder salonfähig. So wurde beispielsweise im EU-Parlament Atomkraft wieder als «nachhaltige» Energiequelle eingstuft.¹ Was für ein Witz, reichen Tschernobly und Fukushima denn eigentlich nicht?! Weitere Ausführungen dazu sind wohl nicht nötig. Ein weiterer Punkt, welcher bei diesem Diskurs häufig aufkommt ist die Mobilität mit Autos, Flugzeugen oder anderen Transportmitteln. So gehören Benzin- und Dieselautos u.a. in der Schweiz immer noch zur Normalität vieler Menschen. Dies aber nicht unbedingt weil die Menschen faul, zu verwöhnt oder rücksichtlos sind. Die kilometerlangen Staus auf den Autobahnen kommen ja in den allermeisten Fällen morgens bei Arbeitsbeginn und abends beim Feierabend zu stande. Also eine begrenzt freiwillige Mobilität welche eng verknüpft mit dem kapitalistischen Veständnis von Arbeit ist, sowie auch die Lohnabhängigkeit von Menschen aufzeigt, die pendeln müssen.
Und by the way, solange öffentliche Verkehrsmittel so unverschämt teuer sind und immer teurer werden, wird es auch keine Verschiebung zu kollektiven Transportmittel geben. Liebe Grüsse an die SBB an dieser Stelle. Jedoch ist hierbei nicht bloss der Individualverkehr zu beachten, sondern muss auch ein Auge auf den von Kapitalinteressen gesteuerten Güterverkehr von LKWs und Co. geworfen werden. So stellen sich in diesem Zusammenhang Fragen, wie Rüebli aus der Dose in unseren Supermärkten von einem Feld in Deutschland, in die Niederlande zum schälen gebracht werden, weiter nach Belgien zum Abpacken und schlussendlich in unsere Regale kommen? Ein nicht ganz frei erfundenes Beispiel, welches nur schon im Kleinen die absurden Auswüchse des Güterverkehres aufzeigt.
Dies sind nur ein paar wenige Beispiele von Unsinnigkeiten, Problemen und Widersprüchen, welche sichtbar werden, wenn wir uns mit der Frage von CO²-Emissionen beschäftigen. Das es global betrachtet auf diese Umstände nicht nur die schnellen Antworten und Lösungen gibt, scheint logisch, wenn die diversen Realitäten von Menschen auf der Welt betrachtet werden. Jedoch scheinen die Herrschenden schon eine Lösung gefunden zu haben wie dieser Konsum mit ihrem Verständnis von Nachhaltigkeit zusammengeht.
Uns wird eine Variante des «nachhaltigen Konsums» als die Lösung präsentiert: die E-Mobilität. CO²-neutral sei dies, modern, effizient… und nebenbei extrem teuer in der Anschaffung. Und solange kein stinkender Rauch aus irgendeinem Auspuff rauskommt, können wir auch ein verdammt gutes Gewissen haben. Doch was für Rohstoffe stecken denn eigentlich in diesen «nachhaltigen» E-Autos? Ein kurzer und unvollständiger Überblick:
- Lithium: Abbaugebiete in Australien, China und Salzwüsten in Südamerika. Salziges Wasser wird hochgepumpt und verdampft. Einfluss auf Trinkwassermengen unklar.
- Kobalt: Abbaugebiet hauptsächlich im Kongo, China. Durch das Abbauen Verdrängung vieler Menschen. Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen in vielen Fällen.
- Nickel: Abbaugebiete u.a. China, Russland, Indonesien, Philippinen. Schwermetalle gelangen in grossen Mengen in Flüsse und das Meer, was eine Zerstörung der Wasserökosysteme zur Folge hat.
- Kupfer: Abbaugebiet u.a. Ecuador. Schwermetalle gelangen in grossen Mengen in Flüsse und das Meer, was eine Zerstörung der Wasserökosysteme zur Folge hat.²
Fassen wir also kurz zusammen: durch kapitalistische und koloniale Denkstrukturen angetrieben stossen Menschen des globalen Nordens durch Konsum und Mobilität so viel CO² aus, dass sich das Klima so stark erhitzt, dass grosse Teile der Erde austrocknen und dadurch für Mensch und andere Tiere nicht mehr bewohnbar sind oder werden. Oder wegen des steigenden Meeresspiegel gar nicht mehr existieren und bald untergehen werden. Die kapitalistische Konsequenz daraus ist also: kaufen wir uns ein E-Auto von Tesla, Audi, VW, Renault, Fiat o.ä. und wir stossen bei unseren täglichen Fahrten alleine zur Arbeit kein CO² mehr aus und können ein gutes Gewissen haben. Der Abbau und die Verarbeitung der benötigten Ressourcen ist dabei kein Thema. Denn die vergifteten Gewässer und die ausgebeuteten Kinder und die zerstörten Wälder und die vertriebenen Menschen sind nicht gerade PR-freundlich. Aber hey, wenigstens werden die Köpfe der Auto- und Treibstoffindustrie nun CO²-neutraler immer reicher. Ein aktuelles und lokales Beispiel:
Shell – eine der weltweit grössten Treibstoffanbietern (also der Treibstoff mit CO²) weitet seit einer Weile die Geschäfte in Richtung E-Mobilität aus. So hat Shell im Februar 2023 evpass übernommen. evpass entwickelte und betreibt das erste öffentliche Ladestationsnetz der Schweiz für E-Mobilität. Dazu gehört auch ein Drittel des Netzes von Shell Recharge und ubitricity.³ Und genau dieses ubitricity startete nun in Bern in Kollaboration mit der EWB (Energie Wasser Bern), Siemens und MOVE ein Pilotprojekt, um Strassenbeleuchtungen auch als E-Ladestationen zu verwenden.⁴
Damit zeigt sich ein weiteres Mal, wie die grossen Konzerne uns hinters Licht führen wollen. Shell zerstört täglich durch die Gewinnung und Verkauf von fossilen Brennstoffen den Lebensraum und somit die Lebensgrundlage von tausenden Menschen und anderen Lebewesen. Die Profitgier solcher globaler Riesen ist systembedingt und unersättlich. Trotzdem versuchen sie mit solchen Greenwashing-Aktionen den Konsument:innen eine «nachhaltige» Lösung zu präsentieren, die von den zerstörerischen Untaten ablenken soll. Das Problem bleibt jedoch das kapitalistische System, dass auf ewigen Wachstum angewiesen ist. Solange solche Konzerne Profit für ihre Aktionnär:innen generieren müssen, werden sie auch die Erde ausplündern. Und daran wird ganz bestimmt auch «grüner» Kapitalismus nichts ändern.
Die Politik des Verlagerns der Probleme, die Ignoranz der eigentlichen Probleme (kapitalistisches Wirtschaftssystem) und das Weiterführen der Probleme (koloniale Ausbeutung) hat für uns nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Wir müssen aufhören, Lösungen innerhalb der Probleme finden zu wollen. Wir müssen akzeptieren, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem und der durch Werbung schmackhaft verkaufte Lebensweise des sogenannten «Westens» der Kern der allermeisten Probleme auf der ganzen Welt darstellt. Profit, Konsum, Import, Wegwerfkultur, Produktivität, sind nur einige Beispiele dafür, wo wir dringend über die Bücher müssen. Und somit sind E-Autos hauptsächlich ein Pflaster für das – berechtigte – schlechte Gewissen der wohlhabenden (und mehrheitlich weissen) Schichten.
Fussnoten:
2 https://www.geo.de/wissen/elektroautos–woher-kommen-die-rohstoffe–31564220.html
4 https://ubitricity.com/de/pressemitteilungen/erste-laternenladepunkte-in-der-schweiz/