Es mag ein Zufall sein, dass kurz nach dem Verbot des rechten Magazins Compact nach dem Vereinsgesetz die Tageszeitung junge Welt vor dem Verwaltungsgericht Berlin mit ihrer Klage gescheitert ist.

Sie wollte erreichen, dass sie nicht mehr im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik Linksextremismus gelistet wird. Schon wieder wird die Hufeisentheorie bemüht und von „den linken und rechten Extremen“ schwadroniert, die man entweder aushalten oder bekämpfen müsse. So wird das übliche Spiel wiederholt, dass die wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde links und rechts vorgehen müsse. Dagegen gilt es die Fälle getrennt zu behandeln.

Es geht darum, die Reichweite der jungen Welt einzuschränken

Die Repression gegen die junge Welt steht ganz in der Tradition der Repression gegen linke und kapitalismuskritische Medien. Dagegen haben die autoritären Staatsapparate in den letzten Jahrzehnten sehr unterschiedliche Mittel angewandt. Die Listung im Verfassungsschutzbericht ist ein klarer Versuch, die Reichweite der jungen Welt einzuschränken.

Wie sich die Listung der Zeitung auf die Redaktionsarbeit auswirkt, schildert der Stellvertretende Chefredakteur der jungen Welt Nick Brauns. „Die junge Welt kann bei Nahverkehrsbetrieben in Großstädten, bei der Deutschen Bahn und selbst bei Drittanbietern in Bahnhofsgebäuden keine bezahlte Werbung mehr schalten. Der öffentlich-rechtliche RBB hat einen Werbespot mitten in einer crossmedialen Werbekampagne abgesetzt,“ nennt Brauns konkrete Folgen der Listung im VS-Bericht.

Doch auch die redaktionelle Arbeit der Zeitung wird nach Brauns Darstellung dadurch beeinträchtigt. „Manche Institutionen verweigern Redakteuren und Journalisten Auskünfte auf Presseanfragen, mögliche Interviewpartner lehnen ab. In einigen öffentlichen Bibliotheken ist die Website der jungen Welt gesperrt. Das Archiv einer großen überregionalen Tageszeitung, mit dem wir lange kooperiert haben, wollte uns keine Fotos mehr verkaufen.“ Das wurde immer mit der Listung im Verfassungsschutzbericht begründet.

Junge Freiheit klagte erfolgreich gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht

Dass das Verwaltungsgericht in der Listung der Zeitung keine Einschränkung der Pressefreiheit sah, ist umso bemerkenswerter, wo doch die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit vor fast 20 Jahren erfolgreich gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen geklagt hat.

„Der Hinweis im Verfassungsschutzbericht eines Landes auf den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen eines Presseverlags kommt einem Eingriff in die Pressefreiheit gleich und bedarf deshalb der Rechtfertigung durch ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. § 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen.“ (aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht gegen die Listung der Jungen Freiheit im Verfassungsschutzbericht von NRW).

Im Fall der jungen Welt hingegen meinte das Verwaltungsgericht schon in einem Bild von Lenin auf der für Leserbriefe reservierten Seite eine marxistisch-leninistische und damit verfassungsfeindliche Haltung konstatieren zu müssen. Denn Lenin, da sind sich die Richter*innen sicher, wäre ein Feind der Fdgo. Die gab es allerdings noch nicht, als Lenin sich für kurze Zeit in Deutschland aufgehalten hat. Heute würde wohl eine Einreisesperre drohen. Doch es ist schon ein bedenklicher Eingang der Pressefreiheit, wenn ein Gericht sich anmaßt, über Fotos in einer Zeitung zu richten. Denn über die Inhalte einer Zeitung entscheidet die Redaktion und da sollten Staatsapparate aller Art draußenbleiben. Wie würde das Gericht über ein Bismarck-Bild in einer konservativen Zeitung urteilen? Der Erfinder des Sozialistengesetzes kann nun auch keineswegs als Vorkämpfer der Fdgo gelten.

Die Pressefreiheit gilt auch für radikale Ansichten

Dass die Inhalte einer Zeitung von den Redakteur*innen festgelegt wird und von den Leser*innen und Anzeigenkund*innen sollte eigentlich die Grundlage für die Pressefreiheit in einer bürgerlichen Presse sein. Die gilt es auch als Kritiker*in der bürgerlichen Gesellschaft gegen repressive Staatsapparate zu verteidigen. Das gilt unabhängig davon, wie man selber zu den Positionen steht.

Man muss der Positionierung der jungen Welt beispielsweise im Nahostkonflikt oder im Konflikt Russland-Ukraine keineswegs zustimmen, um die Maßnahmen der autoritären Staatsapparate gegen die Zeitung abzulehnen. Man kann ihre Positionen kritisieren oder sie auch gar nicht für kritikfähig halten und dann eben ignorieren. Das ist aber kein Grund, repressive Maßnahmen gegen die Zeitung zu unterstützen.

Hier hat Deniz Yücel in der konservativen Welt erfreulich klare Worte gefunden „Die Pressefreiheit gilt auch für abwegige, verstörende und – ja, auch das – radikale Ansichten. Eine grundsätzliche Kritik am Kapitalismus, die der Verfassungsschutz der „jungen Welt“ ankreidet, ist nicht nur legitim, sie ist auch durch das Grundgesetz geschützt.“ Deniz Yücel, Die Welt.

Compact-Verbot – in Ordnung weil es die richtigen trifft?

Diese Worte hat Deniz Yücel auch auf das Verbot des rechten Magazins Compact-Magazin gemünzt. Hier tun sich gesellschaftliche Linke begreiflicher schwerer bei einer Kritik. Manche sehen im Compact-Verbot sogar ein Stück Staatsantifaschismus und fordern wie die Interventionistische Linke, dass nun auch ein AfD-Verbot erfolgen soll. Das ist einerseits bemerkenswert, weil (post)autonome Linke mit der Devise Antifa ist Handarbeit eher distanziert zu Maßnahmen der Staatsapparate standen.

Zudem verkennen die antifaschistischen Gruppen die juristischen Unterschiede zwischen einem Parteienverbot und einem Vereinsverbot. Die Hürden für ein Parteienverbot sind hoch, selbst bei einem Erfolg würde es einige Jahre dauern. Ein Vereinsverbot hingegen ist niedrigschwellig und sofort vollziehbar. Auch eine Klage dagegen hat keine aufschiebende Wirkung.

Genau deshalb wurde ein Verbot nach dem Vereinsrecht ein Klassiker des repressiven Liberalismus, der auch beim Verbot der linken Plattform Indymedia Linksunten und des Verbots des Mesopotamien-Verlag im Jahr 2019 durch den damaligen Bundesinnenminister Seehofer zur Anwendung gekommen ist. Letzteres hat in Deutschland anders als im Ausland für wenig Kritik gesorgt. Dabei sind die Auswirkungen für die Betroffenen groß. Im Februar 2019 wurden beim Verbot des Mesopotamien-Verlag circa 50.000 literarische Werke und das europaweit größte kurdische Musikarchiv im Zuge einer Razzia bei den Unternehmen beschlagnahmt. Das Verbot wurde durch das Verwaltungsgericht bestätigt.

Die Proteste hielten sich hier in Grenzen. Das Vorgehen des autoritären Liberalismus hat bei den so unterschiedlichen Medien doch Gemeinsamkeiten. Mit dem Vereinsrecht wird in die Pressefreiheit eingegriffen, ohne dass es vorher juristische Klagen gegen die Medien gegeben hat. Es wäre für eine gesellschaftliche Linke daher unbedingt notwendig, sich mit dem Verbot nach Vereinsrecht intensiv zu beschäftigten und es genauso bekannt zu machen, wie die repressiven Terrorparagraphen 129a/b, mit denen Linke für eigentlich legale Aktionen bestraft werden. Auch hier ist die türkische und kurdische Linke besonders betroffen. Deutschland hat in verschiedenen europäischen Ländern Haftbefehle gegen linke, türkische und kurdische Aktivist*innen erwirkt, um sie vor Gericht zu stellen. Oft sind lange Haftstrafen die Folge. Hier ist Deutschland mit der Türkei der Vorreiter einer repressiven Staatspolitik.

Autoritärer Liberalismus ist kein Antifaschismus

Es ist daher bestenfalls naiv, dass sogar manche staatskritische Linke im Compact-Verbot vor allem einen antifaschistischen Aspekt sehen und nicht die repressive Grundlage kritisieren, auf der das Verbot fußt. Wäre denn der 129a/b nicht mehr kritikwürdig, wenn er in Zukunft mehr gegen Rechte angewandt würde? Übrigens sei daran erinnert, dass nicht irgendwelche Staatsapparate sondern die Politikwissenschaftler Kevin Culina und Jonas Fedders bereits 2016 in ihrem Buch „Im Feindbild vereint“ antisemitische Stereotype in der Berichterstattung von Compact analysierten und kritisierten. Sie haben eine fundierte Grundlage für eine zivilgesellschaftliche Kritik an dem Magazin geliefert, während in der Verbotsverfügung des Vereins lediglich Schlagworte aneinandergereiht wurden. Man kann Compact bekämpfen und trotzdem die Verbotsgrundlage kritisieren.

Wann bog Jürgen Elsässer nach rechts ab?

Es wäre auch für sämtliche Spektren der gesellschaftlichen Linken in Deutschland wichtig, zu analysieren, ob es beim nun ehemaligen Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer schon in seiner linken Geschichte Anzeichen für den Weg nach rechts gegeben hat. Schließlich war Elsässer nicht nur über viele Jahre Stichwortgeber der antideutschen Linke, er arbeitete mehrere Jahre in der Redaktion der Monatszeitung Konkret, war kurze Zeit Redakteur der Wochenzeitung Jungle Word, dann kurze Zeit freier Autor für junge Welt und andere linke Zeitungen. Bekannt wurde er in den 1990er Jahren durch seine Bücher, in dem er prägnant die Rolle Deutschlands im Krieg gegen Jugoslawien in den Fokus nahm.

Damals kam er in Kontakt zu serbischen Ultranationalisten, die er schon in den 1990er Jahren verteidigte. Ich kann mich noch an meine Irritation erinnern, als Elsässer in den späten 1990er Jahren in einer serbisch-orthodoxen Kirche im Berliner Stadtteil Wedding auftrat, wo vor seiner Buchvorstellung ein Diavortrag das christliche Serbien als Bollwerk gegen den Islamismus feierte. Damals galt Elsässer noch unangefochten als antideutscher Linker. Doch irgendwie passte er in die Veranstaltung, weil er serbischen Nationalismus schon damals nicht kritisierte, dafür Albanien mit Stereotypen wie Hütchenspielernation belegt hatte. Könnten hier nicht Anzeichen für seinen langen Marsch nach rechts gefunden werden?

„Vielleicht nicht rechtswidrig, aber ganz mieser Stil“

Die Bloggerin Detlef Georgia Schulze hat in einer Textserie auf ihrem Tazblog das Verbot einer fundierten Kritik unter juristischen und politischen Gesichtspunkten unterzogen. Das ist spätestens dann notwendig, wenn man sich wie die IL auf das realpolitische Feld begibt, und dann nicht zwischen Vereinsrecht und Parteiverbotsverfahren unterscheiden will.

Detlef Georgia Schulze kommt beim Compact-Verbot zu folgendem Fazit: Das Bundesinnenministerium weiß also augenscheinlich, dass es Medien nicht verbieten darf und versucht deshalb, sein Ziel bestimmten Medien den Garaus zu machen, auf dem Umweg eines Verbots (angeblich oder tatsächlich) vereinsförmig organisierter Medien-HerausgeberInnen bzw. -Verlage zu erreichen. Das ist, wenn nicht rechtswidrig, jedenfalls ganz mieser Stil.

Der autoritäre Liberalismus will zunehmend durchsetzen, dass die Fdgo zur einzigen Richtschnur politischen Handelns wird und das auch noch rückwirkend, wie der Rekurs auf das Lenin-Foto in der jungen Welt zeigt. Wer dagegen verstößt, wird sanktioniert. Das zeigt sich bei Klagen gegen inkriminierte Parolen auf Demonstrationen ebenso wie im Vorgehen gegen bestimmte Medien. Dagegen ist festzuhalten, dass es eben auch in einer bürgerlichen Demokratie möglich sein muss, Positionen zu äußern, die nicht auf den Boden der Fdgo stehen. Dann muss man vielleicht in Kauf nehmen, kein Beamte werden zu können.

Aber es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, dass man sich auf politischen Manifestationen oder in Medien nur noch in den Grenzen der Fdgo bzw. einer bestimmten Auslegung von ihr, äußern darf. Würde dem autoritären Liberalismus diese Einengung gelingen, wäre es ein weiterer Schritt hin zu einem autoritären Staatsumbau, der momentan in vielen kapitalistischen Ländern im Gange ist. Diese Form der Rechtsentwicklung im Spätkapitalismus steht eindeutig zu wenig im Fokus der Kritik.

Peter Nowak

Der Originalartikel kann hier besucht werden