Als Friedensforscher habe ich vor einigen Jahren damit begonnen, die Zusammenhänge zwischen Gewalt in der Kindheit und Kriegen anhand internationaler Statistiken zu untersuchen (siehe dazu dieser Pressenza Artikel und mein E-Book „Die vergessene Friedensformel“). Dafür bekam ich im Netzwerk der österreichischen Friedensforschung (NEFKÖ) teilweise Anerkennung, aber auch die kritische Rückmeldung, dass dies nicht die einzige psychologische Kriegsursache sein könne – was natürlich richtig ist.

Ich habe daher mein Konzept erweitert um die Frage, ob man eine hohe Akzeptanz der Gewalt, die bereits innerhalb einer Gesellschaft vorherrscht, messen kann. Der Friedensforscher Johan Galtung prägte dafür den Begriff „kulturelle Gewalt“: Sie dient der Legitimation der direkten Gewalt und ist in Religion und Ideologie, in Sprache und Kunst, Wissenschaft und Recht, Medien und Erziehung verankert.

Was man von diesen Dimensionen der kulturellen Gewalt eindeutig analysieren kann, ist das Recht – also die Gesetzgebung in den Ländern der Welt. Daher habe ich die Gesetze zu einigen Themenbereichen recherchiert, bei denen die direkte Gewalt (auch ein Begriff in Johan Galtungs Gewaltdreieck) gegen Menschen erlaubt wird – also nicht verboten ist – und diese zu einer Skala zusammengefasst: der „Culture of Violence Scale“.

Jene Länder, die auf dieser Skala hohe Punktezahlen erreichen, also die höchste Akzeptanz von Gewalt in ihrem Rechtssystem haben, sprechen kein absolutes Verbot aus bezüglich folgender Tatbestände: Todesstrafe, Folter, Gewalt in der Kindererziehung (Körperstrafe), häusliche Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung in der Ehe, körperliche Bestrafung im Strafrecht, Gewalt gegen LGBTIQ Personen.

Am schlechtesten schnitten dabei Ende 2023 Afghanistan, der Iran, Tansania und der Jemen ab (jeweils 8 Punkte), gefolgt von Nigeria, Saudi-Arabien und Somalia (7 Punkte).

Meine Theorie dazu ist – wie bereits zu Beginn meiner Friedensforschung – dass Länder nicht nachhaltig friedlich werden können, wenn bereits innerhalb ihrer Gesellschaften Gewalt in so hohem Ausmaß akzeptiert wird.

Für die Friedensbewegung heißt das meiner Ansicht nach, dass sie sich neben ihren laufenden Aktivitäten auch für die Schaffung von Schutzgesetzen in Bezug auf die genannten Themen einsetzen muss, wenn sie das Fundament für eine dauerhafte Kultur des Friedens legen will.

Die Culture of Violence Scale 2023 ist als Download auf Researchgate zu finden: http://dx.doi.org/10.13140/RG.2.2.22929.81760 .