Als Friedensbewegung bezeichnet man soziale Bewegungen, die Kriege, Kriegsformen und Kriegsrüstung aktiv und organisatorisch verhindern und den Krieg als Mittel der Politik ausschließen wollen.

Es gibt sie schon seit vielen Jahren: Seit 1815 wurden auf dem amerikanischen Kontinent Friedensgesellschaften gegründet, 1816 in Europa mit der London Peace Society und 1830 folgte die Genfer Friedensgesellschaft in der Schweiz. 1849 gelangte mit der Anti-Corn-Law League von Richard Cobden sogar erstmals eine pazifistische Partei in ein Parlament. In Deutschland bildete sich 1869 als erste pazifistische Gruppe die Gesellschaft für Friedensfreunde.

Je nach Weltlage (z.B. Vietnam-Krieg, 1955 – 1975) erlebten die Friedensdemonstrationen regen Zulauf, der NATO-Doppelbeschluss mobilisierte 1981 über 300.000 Menschen, die nicht wollten, dass auf deutschem Boden Mittelstreckenraketen stationiert werden und die aufgrund der weltweiten Aufrüstung einen 3. Weltkrieg fürchteten.

Willy Brandt, der damalige Bundeskanzler der BRD, prägte den oft zitierten Satz:

„Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

1982 gewann Nicole mit ihrem Lied „Ein bisschen Frieden“ den Europäischen Song Contest – Deutschland bekam zum ersten Mal nach 26 Jahren die Zustimmung aller europäischen Staaten – der Wunsch nach Frieden stand überall ganz oben auf der Liste.

Der Kalte Krieg beherrschte unsere Wahrnehmung und es sollte bis Anfang der 90er Jahre dauern, bis sich die Lage entspannte. Die Entspannungspolitik hatte Früchte getragen – nach der Auflösung der UdSSR, der deutschen Wiedervereinigung, der schrittweisen Abrüstung und der zunehmenden Bedeutung der Europäischen Union war die Welt ein ganzes Stück friedlicher geworden– für fast 30 Jahre. Und heute?

Adelheid Bahr, Ehefrau des 2015 verstorbenen Egon Bahr hat es im Vorwort ihres Buches „Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen“ (2018, Westend-Verlag) auf den Punkt gebracht:

„Die Verdienste Egon Bahrs um den europäischen Frieden und die deutsche Einheit werden heute in hohem Maße auch von früheren politischen Gegnern anerkannt. Ein zentrales Element der von Bahr und Willy Brandt seit den Sechzigerjahren konzipierten Ost- beziehungsweise Entspannungspolitik war die Neuregelung der Beziehungen seitens der Bundesrepublik zur Sowjetunion.“

Zahlreiche namhafte Persönlichkeiten aus der Politik, der Kunst und der Gesellschaft haben sich mit Beiträgen an diesem Buch beteiligt, das, wie der Schlusssatz des Vorwortes zeigt, noch immer hochaktuell ist: „Eine neue Entspannungspolitik ist das Gebot der Stunde!!!“.

Vier Jahre nach Erscheinen des Buches initiierten Sahra Wagenknecht, damals noch Abgeordnete der LINKEN, heute BSW, und Alice Schwarzer, Chefredakteurin von EMMA und Vorreiterin der Frauenbewegung, das „Manifest für Frieden,“ weil sich ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine eine medial erzeugte Stimmung im Land breitgemacht hatte, die nicht diplomatisch, sondern zunehmend auf militärische Weise dem Konflikt begegnen wollte.

Denn der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, hatte 2022 die „Zeitenwende“ ausgerufen – und die „Entspannungspolitik“ realpolitisch ins Gegenteil verkehrt, mit fleißiger Unterstützung der Mainstream-Medien, die es innerhalb eines Jahres geschafft hatten, Kriegs- und Meinungspropaganda zum journalistischen Grundwerkzeug zu formen.

Statt Frieden und Entspannung wird seither einem frischerblühten Militarismus das Wort geredet. Politiker (fast) aller etablierten Parteien überbieten sich in zahlreichen Talkshows und Interviews mit bellizistischen Aussagen, Experten, die die ständige Eskalation des Russisch-ukrainischen Krieges durch die Forderung nach immer mehr und immer schwereren Waffenlieferungen an die Ukraine propagieren, schießen wie Pilze aus dem Boden und bekommen mediale Zustimmung.

Die Erstunterzeichner des Manifestes für Frieden, die zum Teil auch zu den Autoren des Bahr-Buches zählen und sich auch weiterhin für Frieden und Diplomatie statt Waffenlieferungen in Krisengebiete aussprechen, werden hingegen als naiv bezeichnet, diskreditiert, diffamiert, in deutschen Talkshows den Löwen zum Fraß vorgeworfen (auf einen Friedensaktivisten kommen meist 4 Kriegsbefürworter + eine Moderatorin sowie Markus Lanz oder Louis Klamroth).

Dazu gehören u.a. Prof. Dr. Peter Brandt (Historiker, Sohn von Willy Brandt), Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (Journalistin, Publizistin), Harald Kujat (General a.D.). Oscar Lafontaine (Ex-SPD-Vorsitzender, Mitbegründer der LINKEN), Justus Frantz (Gründer des Schleswig-Holstein Musik Festivals und Peter Gauweiler (Rechtsanwalt, Ex-CSU-Politiker). Hochschulprofessoren wie Ulrike Guerot oder Patrick Baab werden in ihrem Umfeld ausgegrenzt oder nicht mehr wahrgenommen, Künstler werden mit Auftrittsverboten belegt, weil sie nicht dem Mainstream folgen und dadurch „umstritten“ oder „in Kritik geraten“ sind.

In den letzten Monaten hat die Perfidität der Berichterstattung ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht: Man stellt friedenstüchtige Menschen auf eine Stufe mit Rechtsradikalen – was allein vom Sinn her ein Oxymoron ist: Der Hang zur Kriegsführung wird gemeinhin den Faschisten zugesprochen.

Wann ist der Begriff „Friedensaktivist“ zu einem Schimpfwort verkommen? Gleich nachdem aufgrund des Einmarsches Russlands in die Ukraine Anfang 2022 die Maschinerie der Kriegsberichterstattung in den sogenannten Qualitätsmedien Fahrt aufgenommen hatte, wurde es als vollkommen unmöglich hingestellt, diesen Konflikt zu befrieden. Begründung dafür waren zahlreiche Narrative wie „der Aggressor Putin“ würde nach diesem brutalen Angriffskrieg seinen Feldzug fortsetzen und ganz Europa in Brand setzen. Kriegsursachen, die Geschichte seit 2014 und gegenteilige Einschätzungen wurden ausgeblendet.

Allen voran die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die nach einem Gespräch mit ihrem russischen Kollegen Lawrow beleidigt konstatierte, er hätte sie angelogen, und fortan keine diplomatischen Gespräche mehr mit Russland führen wollte.

Diplomatische Gespräche aber sind Grundbedingung für einen Frieden zwischen den Konfliktparteien. Dies betrifft auch die westlichen Länder, die mit abenteuerlicher Argumentation, die zeitweise den neudeutschen Begriff „Fake News“ erfüllen, die Eskalation dieses Krieges fahrlässig auf die Spitze treiben in der irrigen Meinung, eine von Russland als Reaktion auf die unzähligen Überschreitungen roter Linien abgeschossene Atombombe würde an ihnen vorbeifliegen und sie nicht weiter behelligen.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der gerade die EU-Ratspräsidentschaft für die nächsten sechs Monate übernommen hat, ist gegenwärtig der einzige Politiker, der es zumindest versucht, mit den konfliktbeteiligten Ländern und weiteren friedensbemühten Regierungschefs ins Gespräch zu kommen. Hut ab! Den weitesten Abstand von diesen Bemühungen nimmt die Europäische Union, die ihn am liebsten bremsen oder besser ganz ausschließen will und der ganzen Welt beteuert, dass Herr Orban nicht in ihrem Auftrag unterwegs sei. Wie ein Frieden zustande kommen soll, möchte die EU gerne selbst bestimmen – diplomatische Ansätze gehören augenscheinlich nicht dazu. Also Friedensboykott?!

Menschen, die sich für Frieden einsetzen, der gerade in unserem Land in jeder Hinsicht eine übergeordnete Rolle spielen sollte, werden als „Friedensschwurbler“ verunglimpft, deren Naivität kaum zu überbieten ist. Friedensdemos, Ostermärsche sind von Teilnehmerzahlen wie im letzten Kalten Krieg weit entfernt und finden in den Medien, wenn überhaupt, nur hämische Beachtung. Wo immer es um Frieden als Thema einer Demo geht oder einer gemeinsamen Veranstaltung vernunftbegabter Akteure, geht die Diffamierung in den Medien los. Denn „für Frieden“ bedeutet in den Augen des Mainstreams und ihrer Strippenzieher im Hintergrund „gegen die Ukraine und also für Russland“.

Ein Trugschluss, der absurder nicht sein kann. Wenn der jedoch von allen sogenannten Qualitätsmedien von morgens bis abends mit wichtigem, sorgenvollem Gesicht herausposaunt und verlesen wird als die einzige, unangefochtene Wahrheit, kann ein weniger vernunftbegabter Mensch schon mal ins Grübeln kommen und seinem Nachbarn die ausgehängte Friedensfahne aus der Verankerung holen. So wird die Gesellschaft gespalten, sehr zur Freude der Pächter der „Wahrheit“. Dazu ein Zitat von Tom Waits:

„Das größte Problem in der Geschichte der Menschheit ist, dass die Leute, die die Wahrheit kennen, den Mund nicht aufmachen und diejenigen, die von nichts eine Ahnung haben, bekommt man einfach nicht zum Schweigen.“

Lasst uns also wieder auf die Straße gehen, um für den Frieden einzustehen, es ist höchste Zeit. Wir sollten so viele sein, dass man uns beim besten (Un-)Willen nicht übersehen kann.

Termine über:

https://www.friedenunddiplomatie.de/
https://www.friedenskooperative.de/