Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar gehören zu den zehn größten Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte im 1. Halbjahr 2024. Die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ fordert, diese folgenschwere Exportpolitik zu stoppen.
„Die ‚restriktive Rüstungsexportpolitik‘, wie sie die Bundesregierung behauptet zu verfolgen, ist zu einer reinen Worthülse verkommen“, sagt Jürgen Grässlin, Sprecher der Aufschrei-Kampagne und Bundessprecher der DFG-VK. „Die Bundesregierung hat allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in Höhe von 132 Mio. Euro, nach Katar für 100 Mio. Euro und die Vereinigten Arabischen Emirate im Wert von 51 Mio. Euro genehmigt, wie das Wirtschaftsministerium mitteilt. Damit rangieren diese drei Länder unter den Top 10 der Empfängerländer deutscher Rüstungsgüter des 1. Halbjahres 2024. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar sind direkt und indirekt in die regionalen Kriege und Konflikte im Jemen, Sudan und Israel/Gaza involviert. Damit verstoßen die Waffenexporte in diese Länder massiv gegen das postulierte Interesse an Aufrechterhaltung von ‚Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region‘ und die entsprechende Maßgabe in den eigenen Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für Rüstungsexporte sowie im Gemeinsamen Standpunkt der EU und dem Waffenhandelsvertrag (ATT).“
„Saudi-Arabien ist Konfliktpartei im Jemen-Krieg“, führt Gerold König, Bundesvorsitzender von pax christi und Sprecher der Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! aus. „Auch, wenn dieser aktuell ruht, ist er keineswegs beigelegt. Saudi-Arabien unterstützt zudem die Regierungsarmee im Sudan. Das Land befindet sich seit über einem Jahr im Bürgerkrieg gegen die bewaffneten Kämpfer der RSF und weiterer Milizen. Die RSF hat an der Seite der saudisch geführten Militärkoalition im Jemen gekämpft und konnte erst so zu ihrer Größe und finanziellen und materiellen Stärke gelangen. Der gegenwärtige Konflikt im Sudan ist also ohne den Jemen-Krieg nicht in dieser Form denkbar. Saudi-Arabien ist daher alles andere als ein ‚Stabilitätsanker‘ in der Region. Das Gleiche gilt für die Vereinigten Arabischen Emirate, die an der Seite Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg gekämpft haben und nun wiederum die RSF unterstützen, entgegen dem UN-Waffenembargo für den Sudan. Allen Konfliktparteien werden seitens der UN schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Doch die VAE erhielten und erhalten dennoch fortwährend Rüstungsexporte in zweistelliger Millionenhöhe“, empört sich Gerold König.
„Die Begründung für potentiell neue Eurofighter für Saudi-Arabien mit der ‚konstruktiven Rolle‘ des Landes gegenüber Israel wird spätestens dadurch konterkariert, dass für Katar – offizieller Unterstützer der Hamas – allein im ersten Halbjahr 2024 Rüstungsexporte im Wert von 100 Mio. Euro genehmigt wurden“, kritisiert Vincenzo Petracca, Kampagnensprecher und Vorstandsmitglied der AGDF und mahnt: „Die Bundesregierung sollte ein dringendes Interesse daran haben, dass die Region nicht weiter destabilisiert wird, und die Waffenexporte stoppen. So hat es bereits 2020 die regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gefordert. Die nationalen und internationalen Rüstungsexportkriterien Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht und Frieden und Sicherheit in der Region dürfen nicht hinter strategischen Interessen zurücktreten, die weder offengelegt noch zur Diskussion gestellt werden.“
„Nun fordern SPD- und die FDP-Fraktion in ihren aktuellen Positionspapieren zur ‚Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie‘ unisono, dass Rüstungsexporte zur Bindung ‚Strategischer Partner‘ per nationalem Gesetz oder europäischer Verordnung erlaubt werden sollen. Zudem sollen europäische Kooperationen gefördert und zu diesen Zwecken Exportbeschränkungen für bestimmte Drittstaaten gelockert werden. Das Argument, ‚Europäische Rüstungskooperationen könnten den Exportdruck in Drittstaaten senken‘, ist nicht erst damit hinfällig. Die ‚‘Europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich, im März dieses Jahres unter dem Motto ‚mehr, besser, gemeinsam‘ verabschiedet, macht jede Chance auf Einsparpotentiale im Verteidigungshaushalt und eine massive Reduzierung der Rüstungsexporte in Drittstaaten zunichte. Und statt, dass sich die Regierungsparteien ehrlich machen, die diese Beschlüsse auf europäischer Ebene mitgetragen haben, wird nun mit der ‚Bindung strategischer Partner‘ argumentiert“, kritisiert Susanne Weipert, Koordinatorin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“, und führt weiter aus: „Es wird Zeit, dass im Bundestag und der Öffentlichkeit über ein Rüstungsexportkontrollgesetz debattiert wird, das diesen Namen verdient. Das Gesetz muss strenge Kriterien enthalten und ein Verbandsklagerecht vorsehen, damit die Exportentscheidungen der Bundesregierung von unabhängigen Gerichten überprüft werden können. Dafür werden wir weiterhin kämpfen! Fest steht, egal wie weit die Bundesregierung die nationalen Exportregeln lockern will, die Vorgaben des Gemeinsamen Standpunkts der EU und den Waffenhandelsvertrag (ATT) darf sie rein rechtlich nicht unterlaufen.“