Zum Attentat auf Donald Trump vor wenigen Tagen ein paar Gedanken aus einer anderen Perspektive. Mich hat der Vorfall gleich an etwas erinnert, was sich am 7. September 2018 in der kleinen Stadt Juiz de Fora im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais ereignet hatte.

Damals war der Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro im Wahlkampf unterwegs, ließ sich in der Innenstadt von Anhängern feiern und auf Schultern tragen. Bis zu dem Moment, in dem er plötzlich zusammensackte, das übliche, breite, siegesgewisse Grinsen sich zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzog. Noch war nichts genau auszumachen, aber ein Unbekannter hatte Bolsonaro mutmaßlich ein Messer in die Bauchgegend gerammt. So wie der Gesichtsausdruck änderte sich auch die Situation. Das triumphale der Szene war schlagartig verschwunden. Blitzartig brach Hektik aus, man versuchte den Verletzten zu schützen und zu einem Fahrzeug zu bringen. In den Abendnachrichtensendungen im Fernsehen liefen die Bilder wieder und wieder in der Dauerschleife und brannten sich so in das kollektive Gedächtnis der Brasilianer ein.

Der Angriff, der als „Facada“, also Messerstecherei, in die jüngere politische Geschichte einging, hatte rückblickend einen entscheidenden Effekt. Er hatte maßgeblichen bis entscheidenden Anteil daran, dass Jair Bolsonaro im Oktober die Stichwahl gegen Fernando Hadad relativ deutlich gewinnen sollte und fortan Präsident war.

Entscheidend daran war jedoch nicht das Attentat selbst, sondern was Bolsonaro fortan daraus machte. Sein Leidensweg wurde zur täglichen Novela in den sozialen Netzwerken. Einen Tag sah man ihn im Krankenbett, schwach, mit Sauerstoffmaske und weiteren Schläuchen. An einem anderen Tag im Bett, die Finger zu seiner Markenzeichen-Geste, dem Revolvergriff mit abgespreiztem Zeigefinger und Daumen (https://diariodopoder.com.br/destaques-home/facada-catapultou-bolsonaro-que-crescera-mais-2). Wieder an einem anderen Tag auf Krücken gestützt im Neonlicht des Krankenhausflurs. Die Botschaft immer die selbe: Ich leide für Euch, ich kämpfe mich wieder ran, man kann mich nicht aus dem Weg räumen – eine fast schon religiöse Botschaft. Und mit jedem Tag wuchsen seine Zustimmungswerte.

Mit den Folgen des Angriffs gelang es Bolsonaro sogar, sich weiteren kritischen TV-Auftritten zu entziehen. Denn so stark, wie er wirkte, wenn er in der Lage ist sich selbst zu inszenieren so schwach waren seine Auftritte in Interview-Sendungen, in denen er meist einen ziemlich hilfs- und ahnungslosen Eindruck hinterließ.

Natürlich wurde der Angriff gleich von den Anhängern Bolsonaros als Angriff der politischen Linken auf seine Person gedeutet und diese Lesart verbreitet. Allerdings blieb diese ideologische Betrachtung ohne Beweise.

Als Tatverdächtiger wurde relativ schnell ein Mann namens Adélio Bispo präsentiert. Eine Person ohne auffällige Vorgeschichte. Die Bundespolizei PF rollte das Verfahren gleich zweimal auf und kam zu dem Schluss, dass es sich bei Bispo um einen geistig verwirrten Einzeltäter gehandelt hatte ohne eine erkennbare Verbindung zur politischen Konkurrenz Bolsonaros. Jedoch: Innerhalb der Anhängerschaft Bolsonaros hält sich weiterhin die alte Version hartnäckig, wohl weil man sie allzu gerne glaubt. Es würde aus deren Sicht perfekt zusammenpassen.

Im Falle von Trump sieht es zurzeit auch eher danach aus, als tauge der Angriff nicht allzu sehr dafür, als Angriff aus dem gegnerischen politischen Lager erzählt werden zu können. Offenbar hat es sich dort um ein Mitglied von Trumps republikanischen Partei gehandelt.

Im linken Lager indes verbreiteten sich Gerüchte, es sei überhaupt kein Angriff gewesen, alles habe Bolsonaro nur inszeniert, um seinem Wahlkampf auf der Zielgeraden neuen Schwung zu verleihen. Doch wer Brasilien kennt, der weiß: Irgendwann tauchen immer Menschen auf, die plötzlich Ton- und Bildaufnahmen mit vermeintlichen Beweisen präsentieren. Im Falle Bolsonaros hätten viele Menschen – Ärzte, Krankenpfleger, etc. – die Möglichkeit gehabt, die Geschichte oder vielleicht sogar den Mythos des Attentats zu entkräften. Medien hätten sicher eine Menge für Exklusivrechte gegeben und auch die Linke hätte eine solche Enthüllung gnadenlos ausgeschlachtet – zumal es bereits einige Wahlkämpfe seither gegeben hat. Hat aber bisher niemand getan.

Bolsonaro sieht Trump als einen engen politischen Verbündeten. Darum dauerte es auch nur wenige Stunden, bis der Senator Flávio Bolsonaro aber auch Ex-Präsident Jair Bolsonaro reagierten. „Sie haben versucht, Trump zu töten“ schrieb Flávio in einem Instagram-Post während Bolsonaro versuchte, auf staatsmännische Art und Weise seine Solidarität bekundete und mit den Worten „wir sehen uns bei der Amtseinführung“ schloss.

Auch für die beiden Bolsonaros kam das Attentat gar nicht so ungelegen. Bolsonaro Senior, dem bereits das passive Wahlrecht bis 2030 entzogen wurde, muss sich zurzeit unangenehme Fragen über den Verbleib von teuren Staatsgeschenken gefallen lassen. So soll er Schmuck und Wertgegenstände in Millionenhöhe veruntreut und verhökert haben.

Bolsonaro Junior steht seit Tagen wegen Ermittlungen wegen merkwürdiger geleisteter Mitarbeitergelder in der Kritik. Der Vorfall liegt zwar schon einige Zeit zurück, bekam aber nun neue Aktualität, nachdem bekannt wurde, dass Bolsonaro den Geheimdienst genutzt haben soll, um seinen Sohn zu schützen. Hierzu sollen Richter, Abgeordnete und Journalisten im großen Stil bespitzelt worden sein.

Für das rechte Lager um Jair Bolsonaro, selbst wenn er selbst bislang nicht gewählt werden kann, ist es von großer Bedeutung, die die Wahl im November in den USA ausgehen wird. Gewinnt Trump, würde das auch für den „Tropen-Trump“, wie ihn einige westliche Medien gerne bezeichneten, Rückenwird für seine politische Bewegung bedeutet, die ja zurzeit nur in der Opposition steckt. Zudem könnte Jair Bolsonaro sogar Chancen sehen, seine Sperre rückgängig zu machen, auch wenn Experten die Chancen dafür als gering ansehen (https://www.poder360.com.br/poder-eleicoes/reviravolta-para-bolsonaro-em-2026-e-improvavel-dizem-especialistas/).