Zeiten des Krieges werden nicht notwendigerweise von Phasen des Friedens abgelöst. Diese Vorstellung trifft vor allem auf einen regelrechten Schießkrieg, also den Abtausch von Feindseligkeiten mit Waffengewalt, zu. Frieden als vermeintlicher Normalzustand gesellschaftlicher Ordnung wiederum beschreibt den regelhaften Verlauf kapitalistischer Reproduktion inklusive ihrer immanenten Gewaltverhältnisse von einer mit Zwang bis zum Freiheitsentzug durchgesetzten Eigentumsordnung bis hin zu Klassenwidersprüchen, die einen Unterschied an Lebensqualität ums Ganze ausmachen können. Frieden steht zu Krieg in einem von subjektiv erlebter Ohnmacht und der Gewalt objektivierten Nutzens dynamisierten Wechselverhältnis, das in den Abgründen schmerzhafter Individuation Schrecken gebiert, die auf den Fassaden gesellschaftlicher Wirklichkeit als Schattenwürfe sozialer Misere und sprachloser Atomisierung aufscheinen.
Krieg ist für nicht wenige Lebewesen total, er bestimmt ihr Dasein auf eine Weise, die die Hoffnung auf Frieden utopisch entgrenzt, sodass die Abwesenheit all dessen, was drückt, quält, schmerzt und tötet, allen Anlass dazu bietet, einen Gegenentwurf zu den herrschenden Gewalten ins Werk zu setzen. Wer dem sozialen Elend des globalisierten Kapitalismus zeitlebens nicht entkommt und viel zu früh an ansonsten vermeidbaren Krankheiten oder Mangelzuständen verstirbt, dem bleibt dieses imaginäre Versprechen. Den Frieden im Mund zu führen und den Krieg zu meinen, ist denn auch der Regelfall rhetorischer Aufrüstung auf allen Seiten hart umkämpfter Fronten.
Krieg ist einer Klassenherrschaft eingeschrieben, die Lohnarbeit als einzige Form sozialer Reproduktion vorsieht und die entfremdende Wirkung des Verkaufs der Ware Arbeitskraft mit dem Privileg nationaler Zugehörigkeit zu entschädigen behauptet. LohnempfängerInnen bleibt nach Abzug des Mehrwerts gerade genug übrig für die Wiederherstellung der Arbeitskraft zwecks weiteren Verbrauchs. Die symbolische Belohnung, als StaatsbürgerInnen davor geschützt zu sein, zum wachsenden Heer des globalen Elendsproletariats zu gehören, das die Wüsten und Meere vor den blutigen Außengrenzen der EU oder USA überwinden muss, um Anschluss an eine Zugehörigkeit zu erlangen, die im Zweifelsfall den Unterschied von Leben und Tod ausmacht, erhält in Zeiten globaler Krisen denn auch ein immer größeres Gewicht, unter anderem abzulesen an der Konjunktur Volk und Nation beschwörender Bewegungen.
Endlosem Krieg sind jene indigenen Gemeinschaften ausgesetzt, die an den Frontlinien industriellen Wachstums der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch kolonialistische Landnahme und den tödlichen Folgen des fossilen wie mineralischen Extraktivismus ausgesetzt sind. Gleiches gilt für von sozial ökologischem Rassismus betroffene Menschen, denen kein Platz zum Leben vergönnt ist jenseits der Entsorgungsperipherien des stofflichen Metabolismus industrieller Produktion.