Martina Frei für die Online-Zeitung INFOsperber
Die Methode sei bewährt, schnell und schmerzlos, behaupten Befürworter in den USA. Das sei völlig haltlos, kontern Ärzte.
Am 25. Januar 2024 wurde im US-Bundesstaat Alabama erstmals ein Mensch mit Stickstoff hingerichtet. Die Henker fixierten ihn auf einer Liege und stülpten ihm eine Atemschutzmaske über den Kopf, in die das Gas eingeblasen wurde.
Um 19:56 Uhr Ortszeit begann das Gas einzuströmen. Etwa eine Minute später habe der 58-Jährige heftig gewürgt, gehustet, gekeucht, gezuckt und Krämpfe bekommen, berichteten Zeugen. Das hielt minutenlang an, bis schliesslich die Todesatmung einsetzte. Etwa um 20:07 Uhr stoppte die Atmung ganz. Um 20:23 Uhr wurde Kenneth Smith für tot erklärt.
Ein Augenzeuge beschrieb es als «das Schrecklichste, das ich je gesehen habe». Smith habe sich aufgebäumt, nach Luft gejapst und gekrampft.
Eigentlich müssten diese Schilderungen genügen, um weitere solche Exekutionen zu unterlassen.
Staatsanwälte preisen die Methode
Doch der Generalstaatsanwalt von Alabama pries diese weltweit zum ersten Mal eingesetzte Hinrichtungsart als Erfolg: Sie sei «nicht länger eine ungeprüfte Methode. Es ist ein bewährtes Verfahren», verkündete er. Bereits im Vorfeld der Exekution hatte ein anderer Staatsanwalt sie als «schmerzloseste und humanste Exekutionsmethode» bezeichnet, die bekannt sei.
Exekutionen mit der Giftspritze ziehen sich immer wieder lange hin. So auch bei Kenneth Smith, der ursprünglich im Jahr 2022 mit Gift hätte hingerichtet werden sollen. Seinen Henkern gelang es damals jedoch über Stunden nicht, eine Vene so zu punktieren, dass sie das Gift hätten spritzen können. Die US-Standesvertretung hat Ärzten und Pflegepersonal untersagt, bei Hinrichtungen mitzuhelfen.
Dazu kamen Lieferengpässe beim Gift. Verschiedene Pharmaunternehmen lieferten seit 2009 die Wirkstoffe nicht mehr, so dass die Henker auf andere Substanzen zurückgriffen. Das erhöhte die Komplikationsrate bei Hinrichtungen. Vor diesem Hintergrund entschieden sich die Verantwortlichen in Alabama für das Ersticken des zum Tode Verurteilten.
Gericht verlangt schnelle und nicht-grausame Hinrichtung
Schnell, berechenbar und schmerzlos sei die Todesstrafe durch Ersticken mit Stickstoff, behaupten die Befürworter dieser Hinrichtungsmethode in den USA. Aufgrund des auch von Politikern postulierten «Erfolgs» hätten sich Berichten zufolge inzwischen 43 US-Häftlinge für Stickstoff als Hinrichtungsmethode entschieden – nicht ahnend, wie grausam und lange dieses Sterben sein könne. Das berichten zwei Ärzte im Fachblatt «Jama».
Die wissenschaftliche Beweislage spreche klar gegen den Einsatz von Stickstoff als Mittel zur Hinrichtung, argumentieren sie. Dessen ungeachtet, arbeiteten mehrere weitere US-Bundesstaaten daran, diese Methode ebenfalls einzuführen. (In der Schweiz wurde Stickstoff 2021 als Methode beim assistierten Suizid angepriesen.)
Nur sehr wenige Ärzte oder Politiker wüssten jedoch, was es bedeute, Menschen absichtlich einem Sauerstoffmangel auszusetzen, kritisieren die beiden Mediziner, die am «Hypoxie Forschungslabor» an der Universität von Kalifornien in San Francisco arbeiten. Sie erforschen dort die Wirkung von Sauerstoffmangel.
Das Ersticken mittels Stickstoff sei unmenschlich und grausam. Dafür gebe es auch – bereits seit rund 50 Jahren – viele wissenschaftliche Belege. Folglich sei diese Hinrichtungsmethode nicht mit einem Entscheid des obersten US-Gerichts zu vereinbaren: Es verlangte, dass keine Hinrichtung zu einem grausamen und sich hinziehenden Sterben führen dürfe.
Bei Hunden und Mäusen nicht erlaubt
Bei einer Blut-Sauerstoffkonzentration von weniger als 60 Prozent sei die Mehrheit der Personen noch nicht bewusstlos und berichte von erheblichen Stressgefühlen und Kurzatmigkeit. «Dieses Gefühl von extremem Stress ist ein wichtiger Grund, warum es unethisch ist, die Wirkung sehr niedriger Sauerstoffkonzentration an Menschen zu untersuchen», schreiben die beiden Mediziner. In ihrem Labor hätten sie solche Experimente gestoppt.
Die US-amerikanische Vereinigung der Tierärzte hat Stickstoff zum Einschläfern für Schweine erlaubt, aber bei Hunden und den meisten anderen Tieren «wegen der unvorhersehbaren und stressigen Reaktionen verboten», geben sie weiter zu bedenken. «Stickstoff wird als zu unmenschlich für die Euthanasie von Mäusen oder Hunden erachtet, aber einige schlecht informierte Politiker, Generalstaatsanwälte und unerfahrene Mediziner in den USA unterstützen den Einsatz dieser grausamen Methode.»