Der Weltmilchtag wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Internationalen Milchwirtschaftsverband (International Dairy Federation) 2001 ins Leben gerufen und wird in über 30 Ländern veranstaltet. Er findet einmal jährlich meist am 1. Juni statt, um „international für den Konsum von Milch als natürliches und gesundes Getränk zu werben“. So lautet die offizielle Definition des Weltmilchtages auf Wikipedia.
Doch ist Milch wirklich ein so „natürliches“ Getränk und was bedeutet das für die Tiere, die Milchkühe, die uns die Milch „geben“, geschieht das auch alles auf natürliche Weise? Und wie lauten die neuesten medizinischen Erkenntnisse im Bezug auf die menschliche Gesundheit? Sehen wir uns zunächst einmal ein paar Statistiken zum Thema Milch an.
Daten und Fakten rund um Milch
- Im Jahr 2023 exportierte Deutschland insgesamt knapp 2 Millionen Tonnen Milch. Die Importmenge lag zuletzt demgegenüber bei 3,2 Millionen Tonnen (Quelle: Statista).
- Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 3,81 Millionen Milchkühe gehalten. Damit ist Deutschland Spitzenreiter in der EU, gefolgt von Frankreich mit 3,23 Millionen Milchkühen. (Quelle: Statista)
- Laut USDA-Prognose soll sich die weltweite Produktionsmenge von Kuhmilch im Jahr 2024 auf 552 Millionen Tonnen belaufen. (Quelle: Statista)
Es handelt sich also um eine riesige Industrie von enormen Ausmaßen. Bekannt sind auch die überproduzierten „Milchseen“ aus den 80er Jahren und später die Forderungen von Milchbauern, mit einem angemessen Preis pro Liter wenigstens ihre Kosten decken zu können. Die Konsequenz ist, dass immer mehr kleinere Betriebe aufhören müssen, während industrielle Großbetriebe wachsen und die Anzahl von Milchkühen weiter zunimmt.
Wie „natürlich“ kann unter diesen Bedingungen die Produktion von Milch sein? Werfen wir einen Blick darauf, was Milchkühe heutzutage als Futter bekommen. Jeder weiß, dass Kühe Gras fressen, am liebsten frisch auf der Weide, vermengt mit Kräutern und Wiesenblumen mit vielen wertvollen Inhaltsstoffen. Doch der Anteil an Milchkühen, die das noch genießen dürfen ist verschwindend gering. Zum Einsatz kommt meist eine Mischung aus Silage und Abfallresten aus der Rapsölgewinnung und der Ethanolproduktion aus Mais (2). Dazu kommt importiertes Soja, teils auch gentechnisch verändert (3). All das verfüttert im „Laufstall“ auf Beton oder Vollspaltenboden, im besten Fall mit offenen Fenstern, im schlimmsten Fall geschlossen mit stickiger Luft.
Das Leid der Milchkühe
Laut Zahlen des Thünen-Instituts hielten 2020 in Deutschland 35 % aller Milchviehhalter ihre Kühe in Anbindehaltung, meist ganzjährig (4). Diese Tiere können sich noch nicht einmal frei bewegen und was das für fühlende Wesen bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Doch nicht nur Kühe in Anbindehaltung leiden. Auch der Rest ist mit schmerzhafter Enthornung (ein Kuhhorn ist mit hochempfindlichen Nerven durchzogen, dient der Kuh zur Kommunikation und auch zur Regulierung der Körpertemperatur) (5), Züchtung auf Hochleistung mit häufig einhergehender Euterentzündung und entsprechendem Antibiotika-Einsatz sowie dem Trennen von Muttertier und Kalb kurz nach der Geburt körperlichen und seelischen Qualen ausgesetzt. Ein Foto-Vergleich im Vegpool-Artikel „Was Milchproduktion den Kühen antut“ macht deutlich, wie ausgemergelt eine moderne Hochleistungskuh im Vergleich zu einer Artgengenossin ist, die auf einem Lebenshof leben darf.
Wie jedes Jahr machen Tierschutzorganisationen auch heuer wieder auf das Leid der Milchkühe aufmerksam. So fordert der deutsche Verein PROVIEH zum Welttag der Milch ein Ende der legalisierten Tierqual in der Milchwirtschaft. Der österreichische Verein RespekTiere hinterfragt in seinem neuen Beitrag „Gedanken zum Weltmilchtag“ zu Recht, ob „Tierwohl-Programme“ in der Milchindustrie halten, was sie versprechen und zeigt anhand von aktuellen Bildern Zustände aus heimischen Ställen. Und er rechnet vor, dass wohlklingende Termini wie „Kombi-Haltung“ und „Freilauf“ häufig nicht halten, was sie versprechen.
Wenig bekannt ist auch die Tatsache, dass Kühe oftmals künstlich stimuliert werden müssen, um an die Milch zu kommen. Das nennt sich „Anrüsten“ (6) und basiert entweder auf der manuellen Manipulation der Geschlechtsteile oder auf dem Spritzen des Hormons Oxytocin. Keine Frage, die Produktion von Milch ist heutzutage alles andere als „natürlich“ und jeder, der einmal eine Kuh gehört hat, die nach ihrem neugeborenen Kalb schreit, das ihr gleich nach der Geburt weggenommen wurde, wird es nie vergessen.
Das Leid der Kälber, einem „Abfallprodukt“ der Milchindustrie, ist ein weiteres Thema. Isoliert in „Kälberiglus“ bekommen sie statt Milch ein in Wasser angerührtes Fertigprodukt (den sog. „Milchaustauscher“) (7), sind schon als „Babys“ (denn nichts anderes sind sie) extremer Kälte oder Hitze ausgesetzt und werden bald in mehrere Mastbetriebe weitertransportiert, um dann oft genug auf quälend langen Transporten in Nicht-EU-Drittstaaten exportiert zu werden, wo eine betäubungslose Schlachtung ihr kurzes und leidvolles Leben beendet. Nur, damit wir die Milch trinken können, die eigentlich für sie bestimmt war.
Ist Milch wirklich gesund?
Doch kommen wir zur zweiten Behauptung der Milchindustrie. „Die Milch macht’s!“ war der berühmte Slogan, mit dem bis in die 2000er Jahre hinein für das tägliche Glas Milch geworben wurde. Heute berufen sich die meisten Artikel zum Thema und auch Werbekampagnen der Industrie wie die „Initiative Milch“ auf die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die Milch und Milchprodukte als wichtigen Bestandteil einer gesundheitsfördernden, nachhaltigen Ernährung für den täglichen Konsum empfiehlt. Allerdings sind deren Empfehlungen nicht mehr ganz aktuell, sie wurden laut Wikipedia zuletzt 2017 aktualisiert.
In der Publikation „Wie gesund ist Milch?“ des Deutschen Ärzteblatts von 2020 hingegen wird von einer Studie von Harvard-Ernährungswissenschaftlern berichtet, die ein anderes Bild zeichnen. Deren Daten legen nahe, dass mit zunehmendem Verzehr von Milch und Milchprodukten das Knochenbruchrisiko steigt. Zudem werden darin weitere Studien zitiert, bei denen der Konsum von Milch mit einem erhöhten Risiko von Prostatakrebs bei Männern und Krebs der Gebährmutterschleimhaut bei Frauen assoziiert war.
Auch die oft angeführte protektive Wirkung von Milch auf das Darmkrebsrisiko darf inzwischen angezweifelt werden. So unterstützen die Ergebnisse einer Studie aus 2021 die Hypothese, dass der Konsum von Milch und Rindfleisch ursächlich mit der Entstehung von Darmkrebs in Zusammenhang steht, wie ein Artikel des Deutschen Krebsforschungszentrums die Forscher zitiert.
Das Problem der Pasteurisierung
Mediziner sehen Milch heute zunehmend als endokrines Signalsystem, dessen wachstumsstimulierende Langzeitanwendung zu ernsten Gesundheitsrisiken führen kann, wie der Artikel „Macht Milch krank?“ von 2021 in der Deutschen Apotheker Zeitung ausführt. Verantwortlich dafür sind sogenannte Milchexosomen, deren microRNA durch Fermentation oder Kochen, womit jahrtausendelang Milch haltbar gemacht wurde, aber auch durch Ultrahocherhitzung weitgehend zerstört werden, nicht jedoch durch Pasteurisierung.
„Deutlich wird, dass der moderne Verbraucher durch die Einführung pasteurisierter Milch im großen Maßstab erstmals dem genregulatorischen Potenzial der Milch in großem Umfang exponiert wurde. (…) Eine ständige Exposition des Verbrauchers durch mitogene und onkogene exosomale microRNA als Folge des weitverbreiteten Milchkonsums sollte unterbunden werden“, so der Artikel. Und weiter: „Insbesondere die pasteurisierte microRNA-übertragende Milch wird aus ärztlicher Perspektive als kritischer Promotor westlicher Zivilisationskrankheiten betrachtet.“
Zudem habe in zahlreichen gut kontrollierten Kohorten-Studien mit homogenen Patientenkollektiven eine Korrelation von Milchkonsum und den häufigsten Krebserkrankungen westlicher Zivilisation wie Prostatakarzinom und Brustkrebs gezeigt werden können. Dieser Verantwortung, so der Autor des Artikels, sollten sich zuständige Bundesinstitute wie das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (Max Rubner-Institut), das Bundesinstitut für Risikobewertung und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung stellen.
Milchalternativen gut für Mensch, Tier und Umwelt
Um die gesundheitsfördernde Wirkung von Milch scheint es also nicht ganz so rosig bestellt zu sein, wie die Industrie es sich wünscht. Auch die Natürlichkeit dieses Lebensmittels ist im Zuge der Industrialisierung vermehrt verloren gegangen. Der Weltmilchtag kann daher als Anlass dienen, den eigenen Milchkonsum einmal kritisch zu überdenken. An Alternativen mangelt es nicht – von Hafer- und Sojamilch über Mandel-, Kokos- und Cashew- bis zur Haselnussmilch stehen bereits reichhaltige pflanzliche Optionen zur Verfügung. Und obwohl laut Bundesumweltamt (8) Milch aus Ökobetrieben mit Weidegang weit geringere Umweltschäden als Milch aus konventionellen Betrieben verursacht, schneiden diese pflanzlichen Alternativen auch im Hinblick auf das Klima mit Sicherheit am besten ab.
Quellenangaben:
(1) https://de.statista.com/themen/6444/milchwirtschaft-in-deutschland/#topicOverview
(2) https://www.agrarheute.com/land-leben/milchviehhaltung-leicht-erklaert-kuhfuetterung-585985
(3) https://www.dialog-milch.de/welche-rolle-spielen-gentechnisch-veraenderte-komponenten-im-futter-von-milchkuehen/
(4) https://www.thuenen.de/de/themenfelder/nutztierhaltung-und-aquakultur/nutztierhaltung-und-fleischproduktion-in-deutschland/anbindehaltung-in-der-rinderhaltung
(5) https://bauernzeitung.at/sieben-gruende-warum-die-kuh-hoerner-braucht/
(6) https://vegpool.de/magazin/anruesten-milch.html
(7) https://www.agriconomie.de/de_DE/stillen-milkypro-balance-50/p322690
(8) https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/umweltbilanz-von-milch-weidehaltung-schlaegt