Martina Frei für die Online-Zeitung INFOsperber
Vor rund einem Monat reichte die in Zug ansässige «Nord Stream AG» Klage gegen ihre Versicherer ein. Die «Nord Stream AG» wollte den Schaden der versicherten Pipeline entschädigt erhalten. Es geht um eine Streitsumme von über 400 Millionen US-Dollar.
Doch die Versicherer «Lloyd’s» und «Arch» wollen nicht zahlen. Ihre Begründung: Hinter der Sprengung von Nord Stream 2 im September 2022 stehe eine Regierung.
«Die Beklagten berufen sich unter anderem auf die Tatsache, dass der Explosionsschaden nur von einer Regierung oder auf deren Befehl hin verursacht werden konnte (oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit verursacht wurde)», berichtet «Scheer Post».
Schäden durch militärische Konflikte sind nicht versichert
Die Sabotage hänge folglich direkt oder indirekt mit dem militärischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zusammen. Die Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen seien aber von der Versicherungshaftung ausgeschlossen, argumentieren Lloyd’s und Arch.
Damit widersprechen die Versicherer der Version, welche die «Washington Post» und weitere Medien kolportierten: Dass es sich bei dem Anschlag auf die Pipeline um ein privates ukrainisches Sprengkommando gehandelt habe.
«Verzweifelter Versuch», um sich herauszuwinden
«Scheer Post» zitiert den schwedischen Ingenieur Erik Anderson, der die erste private Ermittlungsexpedition zu den Explosionsorten leitete. Er meint, die Begründung der Versicherer sei ihr «verzweifelter Versuch, einen Vorwand zu finden, um ihren Entschädigungsverpflichtungen nicht nachkommen zu müssen».
Die Schäden an den Nord-Stream-Pipelines, die durch die Sprengung von Nord Stream 2 entstanden seien, würden sich laut «Scheer Post» auf schätzungsweise 1,2 bis 1,35 Milliarden US-Dollar belaufen. Selbst wenn die Versicherer für einen Teil davon aufkommen müssten, dürften sie dies gar nicht, argumentieren Lloyd’s und Arch weiter. Denn die westlichen Sanktionen gegen Russland würde ihnen das verbieten.
Vor der US-Regierung gekuscht – und den Ruf aufs Spiel gesetzt
Nachdem die US-Regierung den Versicherern Lloyds und Arch mit Sanktionen gedroht habe, hätten die beiden ihre Zusagen, Schäden an Nord-Stream-2 zu versichern, zurückgenommen. Doch die Schäden an der Pipeline Nord-Stream-1 müssten sie weiterhin decken. Nord-Stream-1 sei zwar von den Sanktionsdrohungen nicht betroffen gewesen, «aber offensichtlich könnten Sanktionen nun rückwirkend zum Vorteil der Versicherer wirken», so Andersson gegenüber «Scheer Post».
Aus Sicht dieser unabhängigen US-Online-Zeitung wäre eine gerichtliche Entscheidung zugunsten der Versicherer wohl «ein zweischneidiges Schwert». Indem sich Lloyd’s den US-Sanktionen unterwarf und Schiffe mit iranischem Öl nicht mehr versicherte, «laufen westliche Versicherer (wie ihre Kollegen im Bankensektor) zunehmend Gefahr, ihren weltweiten Ruf der relativen Unabhängigkeit vom Staat zu verlieren. Sollte der Westen letztlich seinen Einfluss auf den globalen Versicherungsmarkt – oder seinen Ruf als sicherer Hafen für ausländische Vermögenswerte – verlieren, werden 400 Millionen Euro diesen Ruf wohl kaum zurückkaufen können.»