In Argentinien sind am 23. April etwa 800.000 Menschen auf die Straße gegangen, um für die Beibehaltung der kostenlosen öffentlichen Bildung zu protestieren, die sie als eine tragende Säule des Landes betrachten. Andere Quellen sprechen von einer Million Demonstrant*innen. Die Regierung des rechtsliberalen Präsidenten Javier Milei beabsichtigt, den Haushalt mit einem ultrarechten Programm zu kürzen, das er als „Motorsäge“ bezeichnet.
Im Rahmen des sogenannten Bundesweiten Universitätsmarsches füllten Studierende jeden Alters, Familien und Arbeiter*innen die Straßen der Großstädte wie Rosario, Mar del Plata. Córdoba und natürlich der Hauptstadt Buenos Aires, wo sie sich auf der Plaza de Mayo versammelten. Auch die wichtigsten Gewerkschaftsverbände des Landes CGT, CTA und CTRA nahmen daran teil.
Piera Fernández, Vorsitzende des Argentinischen Universitätsverbands, erklärte: „Das war eine starke Botschaft der argentinischen Gesellschaft an die Regierung. Wir haben gesagt, dass wir die öffentliche Universität wertschätzen, dass wir sie lieben, und dass wir sie für die Zukunft und die Entwicklung unseres Landes brauchen. Die Gesellschaft erwartet von der Regierung eine Änderung seiner Haltung.“
Finanzkrise auch bei Universitäten
Die Krise hat sich mit der Entscheidung der Regierung verschärft, den Haushalt im Bildungssektor einzufrieren, was für das Land mit einer jährlichen Inflation von 290 Prozent ein schwerer Schlag ist. Die Belegschaften hätten nur noch Mittel für weitere zwei oder drei Monate, sagte der Rektor der Universität von Buenos Aires, Ricardo Gelpi.
Der finanzielle Notstand hat bereits dazu geführt, dass die Benutzung der Bibliotheken und Fakultäten eingeschränkt werden musste. Allein die Energiepreise sind im vergangenen Monat um das Fünffache gestiegen. Von den vier Tarifgruppen der Lehrkräfte seien drei bereits unter die Armutsgrenze gerutscht, so Víctor Moriñigo, Rektor der Nationaluniversität von San Luis. Argentinien hat 57 staatliche Universitäten, die auf das Gesetz 240 von 1884 zurückgehen, das eine kostenlose Bildung bis zum Universitätsniveau vorsieht.
Was von der Regierung Milei zu erwarten ist
Die Reaktion des argentinischen Präsidenten sorgte hingegen für Ärger. Javier Milei brüstete sich mit der Unzufriedenheit und ließ keine Anzeichen erkennen, auf die Forderungen der Hunderttausenden Demonstrierenden einzugehen.
Trotz der positiven Bilanz und obwohl diese Demonstrationen zu den größten der vergangenen Jahre gehören, ließen sich die Anführenden der sozialen Bewegung nicht dazu hinreißen, von einem Aufwachen oder einer neuen Revolte zu sprechen, die die Regierung erschüttern würde, die erst seit vier Monaten im Amt ist.
„Der Prozess des wirtschaftlichen Schocks hört nicht einfach auf, weil gestern 800.000 Menschen auf die Straße gegangen sind“, sagte etwa Mateo Munin von der sozialistischen sozialen Bewegung Darío Santillán. „Eine solch große Mobilisierung bedeutet noch keine soziale Revolte“, ergänzte er. Dennoch sei es eine wichtige Mobilisierung, auch weil die Regierung ihre restriktiven Sicherheitsbestimmungen nicht habe durchsetzen können. Er wies darauf hin, dass die öffentliche Bildung in Argentinien von großer Bedeutung sei. Umfragen zufolge sind 80 Prozent der Argentinier*innen dafür, das Budget für die Universitäten zu erhöhen. Allerdings, so Munin, habe ein Teil der Menschen, die die öffentliche Bildung unterstützten, vermutlich für Milei gestimmt.
Zunächst werden die Organisationen nach anderen Mitteln des politischen Kampfes suchen, um weitere Bereiche der Bevölkerung für ihre Mobilisierungen zu gewinnen, die sich diesmal nicht beteiligt haben. So wollen sie auch eine soziale Legitimität der politischen Prozesse, der Verteidigung der Bildung und der ökonomischen Rechte wiedererlangen.