Die „Stadt“ ist kein Vorbild fürs „Dorf“ – eher umgekehrt.
Von Bobby Langer
Wenn ich die Nase voll habe von der Stadt, dann zieht es mich aufs Land. Aber ein Dorf als eine „Oase“ betrachten, gar als eine Oase des gesellschaftlichen Wandels? Eine verwirrende Vorstellung; wohnen im Dorf nicht die, die es nicht bis in die Stadt geschafft haben? Andererseits fallen mir beim Thema „raus aufs Land“ die guten Dinge ein: die frische Luft, das Durchatmen-Können, weil gleich da drüben der Wald beginnt; die ungekünstelte Direktheit und Hilfsbereitschaft, die ich auf dem Land erlebt habe, wenn ich Städter denen da draußen mit Respekt begegnet bin, ihrer Bodenständigkeit jenseits aller städtischen Abgehobenheit.
Gutes Leben für alle
In seinem Buch „WandelOasen“ greift Alander Baltosée das Zukunftspotenzial der Dörfer und kleineren Kommunen auf und ruft dazu auf, es in eine neue Praxis umzusetzen. Zukunftspotenzial, weil das Prinzip der Selbstbestimmung (Subsidiarität) Gemeindeverwaltungen eine verhältnismäßig große Handlungsmacht einräumt. Freilich: Solange sich die Kommunen an den großen Städten orientieren, verharren sie in einer inhaltlichen wie strukturellen Hilflosigkeit. Die kleineren Kommunen haben der bedrohlichen Landflucht erst dann etwas entgegenzusetzen, wenn sie selbstbewusst die Zukunftschancen aufgreifen, die sich aus dem Subsidiaritätsprinzip ergeben. Baltosée bezeichnet solche Orte als „solidarische Dörfer“ bzw. „nachhaltige Kommunen“.
Nur wenige sind auserwählt
Freilich gibt es bereits dorfartige Gebilde, die Experimentierfelder des gesellschaftlichen Wandels sind. Sie heißen zum Beispiel Sieben Linden, Lebenstraumgemeinschaft Jahnishausen, Schloss Tonndorf oder Gemeinschaft Schloss Tempelhof und nennen sich Ökodörfer. Experimentierfelder sind sie deshalb, weil sie ihr Zusammenleben so gestalten, dass eine nachhaltige Zukunft möglich wird. Aber nicht jeder kann dort hinziehen – und nur wenige werden auserwählt.
Experimentiert wird auch anderswo. Überall auf der Welt werden Möglichkeiten erprobt, der Sackgasse der Wegwerfgesellschaft und der industriellen Plünderungsmentalität zu entkommen und an einer nachhaltigen Zukunft zu bauen. In vielen Feldern hat Alander Baltosée jahrelang recherchiert und die Möglichkeiten zusammengetragen, wie man konkret vor Ort anfangen kann, sein solidarisches Dorf aufzubauen. Dazu muss man weder umziehen noch eine neue Siedlung gründen. Es genügt eine kleine Gruppe von Menschen, die ihre Zukunft selbst und vor Ort in die Hand nehmen wollen. Damit das Frucht trägt, ist „WandelOasen“ vollgepackt mit Beispielen, Anregungen und Ideen sowie Hunderten von nützlichen, praxisorientierten Internet-Links.
Worauf warten?
Doch WandelOasen ist weit mehr als eine profunde Sammlung von Möglichkeiten, wie eine Schlafkommune in einen aufregenden Zukunftsort verwandelt werden kann. Baltosée ist ein konkreter Visionär. Er sieht die Aufgabe und Zukunft des Menschen darin, „Gärtner der Erde“ zu sein. Diese Idee durchzieht sein Buch gleichermaßen als Vision wie als konkreter Vorschlag, seine Herzensträume von einer besseren Zukunft endlich in die Praxis umzusetzen. Nicht die Landflucht ist der Weg, sondern die Stadtflucht. In Bayern sagt man dazu: „Pack mer’s!“
Der Autor:
Alander Baltosée, Jahrgang 1963, dreifacher Vater, Gärtner und Künstler, wirkt seit vielen Jahren als Autor, Journalist und seit 2018 als Verleger für den Großen Wandel. Bereits in seiner Jugend entzündete sich in ihm das Feuer, eine faire und menschlichere Gesellschaftsform zu gestalten. Auf zahlreichen Reisen und in einem Gemeinschaftsprojekt auf der Kanareninsel La Gomera sammelte er tiefgründige Erfahrungen über Kulturen, Menschen und Projekte. 2008 wurde er wieder in Deutschland ansässig und widmet sich seither der „Ökoligenz“: einer neuen menschlichen Eigenschaft. Gemeint ist die Verbindung von (emotionaler und rationaler) Intelligenz mit der ökologischen Intelligenz der Erde, aber auch die intelligente Umsetzung ökologischer und nachhaltiger Ideen und Erkenntnisse. In unermüdlichen Recherchen trägt er existierende Projekte und Möglichkeiten zusammen, woraus sich das hoffnungsvolle Mosaik einer nachhaltigen und enkeltauglichen Infrastruktur zusammensetzt.
WandelOasen, Handbuch für Solidarische Dörfer und nachhaltige Kommunen von Alander Baltosée
171 Seiten, ISBN 978-3-947707-003, 14,80 € oder ebook ISBN 978-3-947707-010, 7,49 €
zu bestellen bei Books on Demand oder direkt beim Autor: baltosee@oekoligenta.de.