Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN mahnt zum selbstkritischen Innehalten des technischen Ausbau- und Nutzungswahns gegen den Lebensraum Nordsee.

„Die Ölförderung mitten im Wattenmeer auf der künstlichen Ölbohrinsel „Mittelplate A“ findet nun wohl ein überschaubares Ende. Wenn auch erst in 17 Jahren“, sorgt sich Bürgermeister Gerd-Christian Wagner, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN). Somit sei noch viel Zeit für “gut begründete” Ausnahme-Entscheidungen der zukünftig Verantwortlichen, die dann doch noch anderes wieder möglich machen könnten. Immerhin seien wir immer wieder dabei, so Wagner weiter, die Fehler aus der Vergangenheit mit Hilfe einer zwar aktualisierten aber in ihren Grundelementen sich immer wiederholenden Argumentation neu aufzulegen. „Stattdessen müssen wir dringend die Auswirkungen der Gesamtbelastung durch menschliche Aktivitäten bei den Nordseebewohnern besser verstehen und deutlich reduzieren sowie vor allem den Schutz des Lebensraumes Nordsee bei allen Nutzungsentscheidungen immer an oberste Stelle setzen.“

Degradierung des Lebensraumes

„Und auch wenn die seit 1987 weitgehend störungsfrei betriebene Erdölförderung in unserem Wattenmeer wahrscheinlich in eineinhalb Jahrzehnten beendet sein wird, betrifft das nur eine einzige Anlage dieser Art von mehr als 400 in der übrigen Nordsee“, gibt Kapitän und Seelotse Ulrich Birstein als zweiter SDN-Vorsitzender zu bedenken. Und das bedeute zudem auch kein Ende der industriellen Nutzung der südlichen Nordsee. „Vielmehr schreitet in heutigen Tagen der ungebremste Nutzungsdruck auf unsere Nordsee und das Wattenmeer mit riesigen Schritten immer weiter voran.“ Bestes Beispiel dafür sei die Degradierung sehr großer Meeresflächen zu Betriebsflächen eines Extrem-Ausbaus von Offshore-Windkraftparks mit ihren folgenreichen Auswirkungen auf Meeres- wie Luftströmungen und -lebensräumen.

„Und zudem braucht es verstärkten Schutz für die Bewahrung des natürlichen Wattenmeers.“ Der Strom, der auf See produziert würde, müsse an Land gebracht werden. Der dafür erforderliche Verlege- und Wartungsaufwand produziere aber unterschiedliche Emissionen und verbrauche viel Fläche. „Und zu allem Überfluss vergrößern wir die Gefahr für Schiffshavarien, indem wir die Schifffahrtswege auf See immer weiter einengen und uns zudem immer weniger Möglichkeiten lassen, mögliche negativen Folgen im Schadensfall zu reduzieren.“ Egal, was Havariegutachten an Wahrscheinlichkeiten vorgeben würden, befürchtet Birstein, die nächste Havarie könne immer schon gleich sein.

Handeln gegen Lebensraumzerstörung

„Aber die riesigen Windparks sind nicht das einzige Problem für die Nordsee“, mahnt Birstein. Zudem gebe es neben Gas- wie Ölförderung, Kies- und Sandabbau, Startanlagen für Weltraumraketen, Gammel-Fischerei, künstliche Offshore-Inseln, Baggergut-Verklappung, CO2-Speicherung sowie Kabel- nebst Röhrenverlegungen auch noch stetig steigenden Dauerlärm sowie Vertreibung von Meerestieren aus ihrem Lebensraum. Alles in allem produziere der Mensch im „Deutschland-Tempo“ eine solch große Masse an negativen Auswirkungen auf diese kleine Meeresumwelt, dass man naheliegende Vergleiche zur Lebensraumzerstörung durch den Braunkohle-Tagebau ziehen könne. „Dabei müsste unsere Handlungs-Devise doch eigentlich lauten: aus Handlungs-Fehlern der Vergangenheit wirklich zu lernen um fortan präventiv zu handeln“, fordert der SDN-Vorsitzende Wagner . „Denn der einzigartige Lebensraum Nordsee darf nicht zu einer lebensbedrohenden Industriebrache verkommen.” Wir auf “Sicherheit” und “Wohlstand” orientierten Menschen seien nun einmal nicht allein auf dieser Welt.

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e. V. ist ein überregionaler Dachverband, der 1973 ins Leben gerufen wurde, um Kommunen, Gebietskörperschaften, Vereinen und anderen Organisationen als Sprachrohr zu dienen. Heute vertritt die SDN rund 200 Kommunen, Landkreise, Naturschutzvereine, Institute, Verbände und Einzelmitglieder. Weitere Infos: https://www.sdn-web.de/

Titelbild: Andreas Eichler / Wikimedia Commons / Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Der Originalartikel kann hier besucht werden