Deutschland ist ein freies Land, seine Bürger sind freie Bürger und die Freiheit gilt als ein so hohes Gut, dass Menschen bereit sein sollen, dafür zu sterben. Dabei kann der Mensch sich nur solange frei betätigen, wie er lebt.
Da liegt schon eine seltsame Verkehrung vor, wenn das Prinzip der Freiheit wichtiger sein soll, als das eigene Leben. Von daher lohnt es sich, das Verhältnis von Freiheit und der eigenen Lebensgestaltung näher zu beleuchten.
Freiheit, das höchste Gut
Wenn die Freiheit betont wird, so bedeutet dies, dass niemand einem sagt, was man zu tun hat. Wie man sich kleidet, was man denkt, wie die Lebensgestaltung aussieht und wer der Lebenspartner oder die Partnerin ist, entscheidet jeder selbst. Sogar das eigene Geschlecht dürfen die Bürger selber wählen. Allerdings lernt schon jeder Schüler im Sozialkundeunterricht, dass die Freiheit des einen an der Freiheit des anderen endet. Das ist etwas seltsam. Wenn einer Fussballspielen will und der andere Federball, wo ist da das Problem, ausser dass jeder Mitspieler braucht. Der Satz von den Grenzen der Freiheit offenbart daher, dass die freiheitliche Gesellschaft Gegensätze beinhaltet, die immer Freiheitsgrenzen notwendig machen.
So soll diese Grenzsetzung sogar dazu dienen, die eigene Freiheit zu schützen, was nur unterstreicht, dass die Menschen in dieser Gesellschaft als Konkurrenten in Gegensätzen befinden, die diesen Schutz notwendig machen soll. So kann eben nicht jeder machen was er will, weil es jede Menge Gesetze und Vorschriften gibt, an die man sich zu halten hat. Frei ist der Bürger nur im Rahmen dieser Gesetze, in deren Rahmen er sich frei bewegen kann. Und damit ist schon das Wesentliche festgelegt.
Als freier Bürger soll jeder mit seinen Mitteln sein Glück machen und das ist der alles entscheidende Punkt. Hängt doch das Glück der freien Bürger ganz davon ab, über welche Mittel sie verfügen und da scheiden sich die Bürger schon. Es gibt die eine Sorte Bürger, die über Häuser, Waren und Geld verfügen und die andere Sorte von Bürgern, die über nichts anderes verfügen als über sich selbst. Insofern spaltet sich die Gesellschaft in Reiche und Arme, wobei niemand von Armut reden will, weil dies der Normalzustand der Mehrheit der Bürger darstellt.
Arm gilt in dieser Gesellschaft nur der, der aussergewöhnlich arm ist, weswegen es einen Streit um die Grenze gibt. Armut wird oft vorstellig gemacht, als Hunger und grosser Entbehrung, aber nicht als Mittellosigkeit, die einen zwingt, Geld zu verdienen. Die Menschen sind nach einem Autor aus dem 19. Jahrhundert frei im doppelten Sinne, sie stehen in keinerlei persönlicher Abhängigkeit und sind aber auch frei von allen Mitteln, die sie zum Leben brauchen. Um an die Lebensmittel zu kommen, benötigt jeder in dieser Gesellschaft Geld, da alles Eigentum ist und Eigentumswechsel mittels Geld erfolgt.
Eigentum besteht nicht in dem persönlichen Besitz einer Zahnbürste oder eines Autos, sondern in Waren, die der Besitzer nicht zum eigenen Konsum braucht, aber auf die andere zum Leben oder für ihre Zwecke benötigen. Geld ist einerseits das Zugriffsmittel in der Gesellschaft, um an das zu kommen, was man haben will. Zum anderen ist es aber auch das Mittel, auf das es in dieser Gesellschaft überhaupt ankommt: Es ist Reichtum ganz getrennt von jedem Nutzen oder Gebrauchswert, aber gleichzeitig das Zugriffmittel auf jeden Reichtum und auf Arbeit und Zeit der Menschen in dieser Gesellschaft.
Es wird verausgabt in Maschinen, Waren und Menschen, um aus Geld mehr Geld zu machen. Auch wenn Kinder im Sozialkundeunterricht lernen, die Wirtschaft wäre für die Versorgung der Bürger da, ist das Verhältnis umgekehrt. Die Versorgung der Bürger ist blosses Mittel, um den Reichtum der Reichen zu mehren. Was sich nicht lohnt, wird nicht hergestellt und so gibt es eben z. B. Versorgungmängel bei Medikamenten.
Wenn von Wirtschaftswachstum in der Öffentlichkeit die Rede ist, dann geht es um die Vermehrung dieser Form des Reichtums, aus Geld soll mehr Geld werden – Kapital. Von daher ist der Spruch: „Es gibt Wichtigeres im Leben als Geld“ eine Verdrehung der tatsächlichen Verhältnisse, denn alles in dieser Gesellschaft kostet Geld von der Entbindung bis zur Beerdigung, von der Wohnung bis zum Essen, die Kleidung ebenso wie die Freizeit. Deshalb dreht sich auch alles um Geld und diejenigen, die nur über ihre Person verfügen können und so frei sind, sind gezwungen an Geld zu kommen, um zu leben. Ein Zwang, der nicht als Befehl oder als Aufforderung daherkommt, sondern als ein Sachzwang: Man braucht Geld zum Leben und wer nichts zu bieten hat ausser sich selbst, ist gezwungen sich selber zu Geld zu machen, sprich sich als Arbeitskraft anzubieten.
Auch dieses Zwangsverhältnis gilt ebenso wie die grundlegende Armut nicht als solche, weil es als Normalität gilt, dass die Menschen in diese Verhältnisse hineingeboren werden, in denen sie sich den Zwängen zu stellen haben, die deshalb keine sein sollen. Das birgt aber noch etwas anderes: Wenn der Zwang der Verhältnisse, in der die Mehrheit der Bürger leben, gar nicht mehr als Zwang wahrgenommen wird, sondern als Freiheit gefeiert wird, dann lässt sich daraus schliessen, dass sie sich ein falsches Bild von ihrer Realität machen. Wie das aussehen kann, ist weiter zu untersuchen.
Der Zwang des Geldverdienenmüssens
Mittellose Bürger müssen jemanden finden, der sie benutzen will gegen Geld, das sie zum Leben brauchen. Damit befinden sie sich in einer Situation der Abhängigkeit, was per se nicht unbedingt etwas Negatives sein muss. So ist auch der Patient vom Wissen des Arztes abhängig oder der Tourist vom Geschick des Flugzeugpiloten. Es hängt eben davon ab, wie diese Abhängigkeit gestaltet ist. Mittellose Bürger müssen um jeden Preis an Geld kommen, insofern sind sie erpressbar. Diejenigen, die über Mittel verfügen, um Arbeitskräfte zu beschäftigen, können kalkulieren, ob und wann sich die Beschäftigung von Arbeitskräften für sie lohnt, von daher sind sie in einer überlegenen Position. Zudem gibt es immer eine Vielzahl von Menschen, die auf Geld angewiesen sind und Arbeit suchen. Daran können sich die bedienen, die Geld gegen Arbeit anbieten.
Lohnend ist eine Beschäftigung von Arbeitskräften dann, wenn die Bezahlung der Arbeitenden geringer ist, als die Leistung, die sie während der Dauer ihrer Beschäftigung erbringt. Bezahlt wird bei einem Arbeitsverhältnis nicht die Leistungen der Arbeiter oder Angestellten, sondern die Verfügung über die Arbeitskraft. Was diese zu leisten hat, bestimmt der Arbeitgeber und die erbrachte Leistung gehört ganz ihm. Je höher der Lohn für den Beschäftigten, desto geringer der Gewinn, den die Arbeit für den Unternehmer erbringt.
Insofern ist dieses Abhängigkeitsverhältnis ein gegensätzliches, gekennzeichnet von gegensätzlichen Interessen: Die Arbeitnehmer brauchen möglichst viel für ihren Lebensunterhalt, die Arbeitgeber wollen möglichst wenig bezahlen und maximal viel Leistung. Wobei die Arbeitgeber am längeren Hebel sitzen. Während die Arbeitnehmer unbedingt Geld zum Leben brauchen, können Arbeitgeber kalkulieren. Sie verfügen über Geld, das sie nicht unbedingt zum Leben brauchen und können sich ausrechnen, ob die Ausgabe dieses Geldes ein Mehr erbringt, sie sich lohnt. Es geht darum, über die als Lohn zu zahlende Summe einen Überschuss zu erzielen.
Dieses Ausnutzen der Arbeitsfähigkeit der Menschen hat der besagte Autor Ausbeutung genannt. Dieses Verhältnis hat für diejenigen, die ihre Arbeitskraft anbieten müssen, etwas Ruinöses. Schliesslich gibt es keine Grenze für die Anwender, die Arbeitskraft möglichst lang und ausgiebig zu beschäftigen bei möglichst geringem Lohn. Zu besichtigen ist dies in vielen Ländern Afrikas und Asiens.
Obgleich das Arbeitsverhältnis ein Zwangsverhältnis mit eindeutigem Kräfteverhältnis darstellt, gilt es in der Öffentlichkeit nicht als solches. Ein Arbeitsplatz ist etwas Positives, weil es ein jeder braucht und nicht immer leicht zu haben ist. Diejenigen, die ihn brauchen, haben nicht den Zwang im Auge, sondern den Nutzen, der von ihm ausgeht. Wer einen Arbeitsplatz hat, bekommt Geld, also ist er die Gelegenheit, um Geld zu verdienen, auch wenn die Realisierung dieser Möglichkeit ganz in der Entscheidung anderer liegt. So stellt sich das Zwangsverhältnis, dem die meisten Menschen in dieser Gesellschaft ausgesetzt sind, in ihren Augen als ein positives Ziel dar, das es zu verfolgen gilt und das sie auch gezwungen sind, zu verfolgen.
So wird auch aus denen, die die Arbeit in Anspruch nehmen, Arbeitgeber, als ob das ihr Zweck wäre und nicht der Nutzen, den sie aus der Arbeit ziehen. Und diejenigen, die ihre Arbeitskraft geben und sich in der Arbeit verausgaben, heissen Arbeitnehmer, obgleich es die andere Seite ist, die die Leistung für sich in Anspruch nimmt. So steht die Welt plötzlich auf dem Kopf, eine Tatsache, die der bereits zitierte Autor ein notwendiges falsches Bewusstsein genannt hat.
Dem Ruin Einhalt gebieten – das Ausbeutungsverhältnis sicher machen
Weil das Arbeitsverhältnis etwas Ruinöses ist, die Anwender von Arbeitskräften keine Rücksicht auf den Verschleiss ihrer Beschäftigten nehmen müssen – schliesslich gibt es ja immer eine ausreichende Anzahl von ihnen – , hat dies eine doppelte Gegenreaktion hervorgerufen.
Die eine bestand in der Gründung der Gewerkschaften, durch die die Arbeitsuchenden die Konkurrenz untereinander aufgehoben haben und als Organisation den Unternehmern entgegengetreten sind mit der Drohung der Arbeitsverweigerung oder durch den Streik. Dadurch konnten sie der Erpressung der Kapitalisten eine Gegendrohung entgegensetzen, die aber widersprüchlicher Natur ist: Denn schliesslich bedeutet die Arbeitsverweigerung auch den Verzicht auf Einkommen, weswegen es dazu eine Vorsorge braucht in Form einer Streikkasse, die aber nur begrenzt eine Kompensation leisten kann. Die Arbeitsverweigerung oder ihre Androhung zielt auf Schädigung derer, von denen die Beschäftigten abhängig sind, kann von daher auch immer nur eine begrenzte Wirkung erzielen, da die Gewerkschafter nicht auf die Beseitigung des Zwangsverhältnisses aus sind, sondern auf seine Fortführung.
Sie kritisieren nicht das Ausbeutungsverhältnis, sondern streiten um einen gerechten Lohn. Das unterstellt, dass das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit ein Teilungsverhältnis wäre, in dem jede Seite etwas zum Geschäft beiträgt, die eine Seite die Ausstattung des Arbeitsplatzes die andere ihre Arbeitskraft. Gestritten wird dann über die gerechte Aufteilung des Ergebnisses. Dabei ist mit der Bezahlung des Lohnes oder Gehaltes das Ergebnis bereits entschieden. Denn was die Unternehmen aus der Verfügung über die Arbeitskraft herausholen, ist ihre Leistung und gehört damit ganz ihnen.
Die Resonanz von Seiten der Arbeitgeber auf die Drohung der Arbeitsverweigerung ist daher absehbar: Sie drohen mit der Einschränkung oder Einstellung des Geschäfts, was Entlassungen und Arbeitslosigkeit bedeutet. So bringen sie ihre Macht in Anschlag. Was nicht heisst, dass sie nicht auf die Forderungen eingehen und einen Kompromiss suchen zur Fortführung des nützlichen Verhältnisses.
Auch der Staat ist dem Ruin der Arbeitskräfte durch das Kapital entgegengetreten, weil dadurch der Fortgang des Geschäftes insgesamt gefährdet war: Die Menschen wurden gesundheitlich ruiniert und als Arbeitskräfte wie als Soldaten unbrauchbar. Armut bringt zudem immer Seuchen, Kriminalität und Aufruhr mit sich, so dass der Staat zur Sicherung des Ausbeutungsverhältnisses eingriff. Schliesslich hat er sich selber abhängig gemacht von seiner Wirtschaft und ihrem Erfolg. Seine Leistung besteht in dem Einsatz seiner Gewalt. Er beschränkt die Unternehmer in Sachen Ausbeutung durch Arbeitsgesetze, die Erholungszeiten erzwingen und die gesundheitliche Schädigung nicht verhindern, aber eingrenzen. Ausserdem verpflichtet er die Unternehmer zu der Zahlung von Mindestlöhnen, damit die Beschäftigten existieren können auch zu Zeiten von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter.
Ein Teil der Löhne vergesellschaftet er gleich in Form von Sozialversicherungen, die formal als selbstverwaltet durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, im Wesentlichen aber durch seine Sozialgesetzgebung bestimmt sind. Obgleich der Staat selber keine Leistung erbringt, sondern seine Leistungen im Einsatz seiner Gewalt besteht und er sich an den Einkünften seiner Bürger bedient, gelten die Leistungen, die er erzwingt, als Wohltaten, weswegen der Sozialstaat als etwas Positives gilt. Dass es Zwang gegenüber Unternehmern braucht, damit Arbeitnehmer leben können, sie gezwungen werden, für Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit Abstriche vom Lohn in Kauf nehmen müssen, alles das ist im Bewusstsein der Bürger kaum vorhanden, wenn die positive Seite der Sozialleistungen hervorgehoben werden.
Und so haben die Lohnabhängigen ihren Frieden mit diesem Staat gemacht und sind die Proletarier aller Länder nicht gegen das Kapital und seinen Staat in den Kampf gezogen, sondern haben die Schützengräben des ersten und zweiten Weltkriegs gefüllt und auf ihre ausländischen Kollegen geschossen. Und so schützte der Staat nicht das Leben seiner Bürger, sondern die Bürger schützten mit ihrem Leben den Staat und seine Interessen.
Von der Sorge um das Einkommen zur Sorge um den Erfolg der Unternehmen
Gewerkschaften und Sozialstaat mildern zwar die Folgen des Lohnarbeitsverhältnisses, schaffen die Unsicherheit der Existenz aber nicht ab. Unternehmen stehen in Konkurrenz zueinander, versuchen sich gegenseitig aus dem Markt zu drängen und dabei gibt es Gewinner und Verlierer, was die Einkommensquelle nicht nur bei den Verlierern unsicher macht. Um auf der Gewinnerseite zu sein, sind Unternehmen ständig bestrebt zu rationalisieren, sprich durch Einsatz von Technik Arbeitskräfte und die Kosten dafür einzusparen. Für die Gewerkschaften hat dies bedeutet, dass sie die Arbeitsplätze dadurch sicher machen wollten und wollen, indem sie das Ausbeutungsverhältnis mitgestalten. Sie haben Mitbestimmung gefordert und erhalten, d.h. die Unternehmen müssen die Vertreter der Belegschaft über anfallende Massnahmen informieren und bei bestimmten Fragen die Zustimmung einholen. So haben Gewerkschaften und Staat aus dem Gegensatz von Kapital und Arbeit ein Gemeinschaftsanliegen gemacht.
Im Betrieb sind keine kämpferischen Kollegen gefragt, sondern Gewerkschaftsmitglieder als Wähler bei Betriebsratswahlen, die den Gewählten vertrauen, dass das, was der Betrieb macht, auch in Ordnung geht. Diejenigen, die vom Betrieb ausgenutzt werden, sollen sich das Anliegen derer zu eigen machen, die sie benutzen, es gilt den Erfolg des Unternehmens zu sichern und das erfordert immer wieder Opfer auf Seiten der Belegschaft. Betriebsräte prüfen, ob diese für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens notwendig sind und segnen sie dann ab. Wenn sie den Opfern die Notwendigkeit erläutern, dann sind sie glaubwürdig, weil sie nicht die unmittelbaren Profiteure der Angelegenheit sind. So werden aus Interessensvertretern Co-Manager, die in einigen Unternehmen fürstlich entlohnt, in anderen gehasst werden, weil die Mitsprache als lästig empfunden wird. Während die anderen den Nutzen für den Betriebsfrieden – den ungestörten Ablauf des Geschäfts – zu schätzen wissen.
Dabei gibt es auch immer viel zu tun für die Mitbestimmer, schliesslich ist das Fitmachen des Unternehmens Daueraufgabe und es gibt immer Arbeitsplätze zu retten. Dass dafür ständig Arbeitsplätze und damit Einkommensmöglichkeiten abgebaut werden, stösst dabei niemandem auf. Sind doch die gestrichenen Arbeitsplätze die Kosten für die Rettung der Arbeitsplätze, die das Unternehmen auch für die Zukunft seines Geschäftes nutzen will. Auf die Strasse bringt die Gewerkschaft ihre Mitglieder dann, wenn „ihr“ Betrieb geschlossen werden soll. Auch wenn dieser ihnen nicht gehört. Es ist die Begleitmusik zu Entlassungen, denn wenn die Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht mehr brauchen wollen, haben diese auch kein Mittel mehr in der Hand, dagegen vorzugehen.
Druck machen könnten allenfalls die Kollegen, die noch gebraucht werden. Doch die Betriebe verstehen es, die einzelnen Produktionsstandorte gegeneinander auszuspielen und die Gewerkschaften spielen mit. So treten die Belegschaften eines Unternehmens nicht gegen die Betriebsleitung, sondern gegen die Kollegen anderer Standorte an und dienen sich als die kostengünstigsten an. Die zur Entlassung anstehenden Kollegen erhalten Solidaritätsadressen und die Absender freuen sich, dass es sie nicht erwischt hat. So geht gewerkschaftliche Solidarität heutzutage.
Nicht nur die Einkommensquelle Arbeitsplatz ist ständig bedroht, sondern auch das Ergebnis des Arbeitseinsatzes, der Lohn. Schliesslich nutzen die Unternehmen ihre Stellung im Markt, um möglichst viel für ihre Produkte zu erhalten und treffen auf eine Zahlungsfähigkeit, die durch den Staat und seine Ausgaben zusätzlich aufgebläht wird. Inflation gibt es immer und entwertet den Lohn, so dass sich die Gewerkschaften ständig gefordert sehen, eine Anpassung der Löhne und Gehälter zu erstreiten. Weil es ihr um den gerechten Lohn geht, hat sie ein ganzes System entwickelt, in dem jeder Tätigkeit ein bestimmter Betrag zugeordnet ist.
Jede Belastung soll so berücksichtigt sein und einer entsprechenden Bezahlung rechtfertigen. Dass es dieses Verhältnis von Bezahlung und Leistung nicht gibt, tritt in jeder Tarifrunde offen zu Tage. Schliesslich muss die Bezahlung für die Überlassung der Arbeitskraft neu erstritten werden. Wobei die DGB-Gewerkschaften nicht einfach um eine angemessene Bezahlung für ihre Mitglieder erstreiten wollen, sondern immer im Auge haben, was die Wirtschaft verkraftet, sprich deren Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt nicht gefährdet. Für die Durchsetzung ihrer Forderungen dürfen die Mitglieder die Statisten mimen mit Gewerkschaftswesten, -mützen und -fahnen und Trillerpfeifen.
Der Staat als Garant des wirtschaftlichen Erfolgs und der Sozialleistungen
„In Deutschland sind die meisten Menschen früher oder später auf den Sozialstaat angewiesen. Ohne Mutterschutz, ohne Miet- und Arbeitsrecht, ohne Kranken-, Renten-, und Pflegeversicherung, ohne BAföG, Kinder-, Wohn- und Arbeitslosengeld, ohne Jugend-, Familien-, Alten- und Behinderten hilfe usw. wäre das Leben für die Betroffenen und ihre Angehörigen kaum zu bewältigen.“ (Der soziale Staat, Dillmann/Schiffer-Nasserie, VSA Hamburg 2018) Die meisten Bürger sind so in doppelter Weise abhängig: Vom Gang der Wirtschaft und von ihrem Staat. Dieser bezieht seine Stärke aus dem Erfolg der Wirtschaft, die sich auf seinem Territorium befindet. Für deren Wachstumsbedürfnisse erweist sich dieses Territorium immer als zu beschränkt.
Für den Zugriff auf Rohstoffe aus anderen Ländern und deren Märkte sind Aktivitäten des Staates notwendig. Die Wirtschaft braucht daher immer die Unterstützung des Staates, um den Zugang zu anderen Märkten zu erlangen. Dazu müssen sich die Staaten ins Benehmen setzen, um die Konditionen festzulegen, unter denen die Teilhabe am Geschäft auswärts erfolgen kann und unter welchen Bedingungen ausländische Konkurrenten auf den eigenen Markt dürfen. Auch wenn dabei immer wieder von Win-Win-Situationen die Rede ist, so treten doch damit Konkurrenten in Beziehung und das bedeutet, es gibt Gewinner und Verlierer. Das passiert weitgehend unter friedlichen Bedingungen, wenn unter Frieden verstanden wird, dass andere Staaten nur dann am Geschäft im eigenen Lande teilhaben dürfen, wenn sie sich der überlegenen Konkurrenz durch Deutschland oder die EU stellen und Schäden ihrer eigenen Wirtschaft in Kauf nehmen.
So liegen die Staaten über die Handelsbedingungen ständig im Streit, setzen ihre wirtschaftliche Macht ein, um andere Staaten zu entsprechenden Zugeständnissen zu zwingen. Da werden unter Umständen Waren anderer Länder mit Zöllen belegt, müssen bestimmte Normen bei ihren Waren erfüllen, um zum eigenen Markt zugelassen zu werden usw. Flankiert werden diese Streitigkeiten nicht nur mit Wirtschaftskriegen, sondern die Staaten bringen dazu auch ihre Militärmacht in Anschlag, was nicht unbedingt heisst, dass diese auch immer zum Einsatz kommt. Auch die Präsenz vor Ort mit Militär macht deutlich, wo die Staaten ihre Interessen sehen und gegebenenfalls ihr Militär zum Einsatz bringen. Das alles läuft unter dem Titel „regelbasierte Weltordnung“, bei der der Westen die Regeln bestimmt und Front macht gegen die, die sich diesen Regeln widersetzen und diese ebenfalls bestimmen wollen.
Über den Stand dieser Streitigkeiten werden die Bürger weitgehend informiert, sollen sie sich doch um den Erfolg ihres Staates sorgen, von dem sie wirtschaftlich wie sozial abhängig sind. Und das nicht nur berechnend, sondern mit Herz und Seele. Dazu gibt es dann die entsprechenden Veranstaltungen, in der ein nationales Gemeinschaftsgefühl gepflegt wird wie im „Sommermärchen 2006“ mit Fahnen und viel Bier. Wenn jetzt ein neues Sommermärchen angestrebt wird, dann steht die harte Wahrheit hinter den Fahnen und die heisst „Kriegstüchtigkeit“. Die Pflege des Gemeinschaftsgefühls steht eben vor dem Einsatz des eigenen Lebens für diese nationale Gemeinschaft, der man nur durch Auswanderung entkommen kann, bei der man sich in eine neue Gemeinschaft einordnen muss, die die gleichen Dienste fordert.