Der gestern im Bundeskabinett verabschiedete „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ (KHVVG) gefährdet die stationäre Versorgung bundesweit. In sieben Videos berichten Fachleute aus den Krankenhäusern und vom Abbau der Gesundheitsversorgung betroffene BürgerInnen von ihren Erfahrungen mit dem Klinikkahlschlag. Mit der Videoreihe zeigt das Bündnis die zu erwartenden Folgen Lauterbachs Kahlschlagsreform auf und stellt die notwendigen und möglichen Alternativen dar.

Klaus Emmerich, Klinikvorstand im Ruhestand: „Sektorenübergreifende Versorgungszentren in ländlichen Regionen ersetzen keine Krankenhäuser. Für lebensbedrohende Erkrankungen oder Verletzungen fehlen ihnen Intensivstation, Basisnotfallversorgung, Schockraum und eine durchgehende ärztliche Anwesenheit an 7 Tagen und 24 Stunden. Das kann lebensentscheidend sein.“

Emmerich weiter: „Wir brauchen die Selbstkostendeckung in den Krankenhäusern. Keine Gewinne, keine Verluste, keine Klinikschließungen. Damit kann jedes Krankenhaus ordnungsgemäß wirtschaftlich arbeiten und sich auf die Patienten konzentrieren. Die geplanten teilweisen Vorhaltepauschalen leisten keine Abhilfe, denn sowohl Vorhaltepauschalen als auch die verbleibenden DRG-Fallpauschalen werden sehr viel Zeit für die Dokumentation erfordern. Mit dem Umstieg auf Selbstkostendeckung würde Zeit von 123.000 Vollzeitkräften frei und könnte für die Arbeit an PatientInnen genutzt werden – das wäre eine echte Personalbeschaffungsoffensive!“

Doreen Richter, Pflegekraft aus dem Landkreis Lippe in Nordrhein-Westfalen: „Seit einigen Jahren beobachten wir, dass immer mehr Fachbereiche geschlossen werden: die Unfallchirurgie, die Orthopädie, die Handchirurgie, oder auch das Brustkrebszentrum. Die PatientInnen werden nach Detmold verwiesen, wo die Notaufnahme dann heillos überfüllt ist. Stundenlanges Warten ist zur Normalität geworden, Flure sind mit Betten vollgestellt.“

Anke Görtz, Röntgenassistentin aus Havelberg, Sachsen-Anhalt: „Vor der Schließung des Krankenhauses arbeiteten 48 Krankenschwestern in Havelberg, wovon jetzt genau noch drei als Krankenschwestern in einem Krankenhaus arbeiten. Alle anderen haben den Beruf gewechselt.“

Joachim Flämig, Allgemeinmediziner aus Breisach, Baden-Württemberg: „Die Notfallversorgung wirft keine Rendite ab, sie ist ein Zuschussgeschäft, ebenso wie die Geburtshilfe. Mit der Grundversorgung kann man kein Geld verdienen. Es ist ein Unding, dass Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften müssen.“

Angelika Pflaum, Kommunalpolitikerin aus Hersbruck in Bayern: „Wir haben damals davor gewarnt, was wir alles verlieren werden. Ich muss sagen, es kam noch schlimmer.“

Iris Stellmacher, Ernährungswissenschaftlerin aus Breisach: „Das regionale Krankenhaus in Breisach hat mir das Leben gerettet, weil es wohnortnah ist und weil sofort am Sonntagabend gehandelt wurde.“

Horst Vogel, Rentner aus Hersbruck in Bayern: „Die Schließung des Krankenhauses hat für das Umland viel bedeutet. Wir haben sehr viele alte Leute hier. Für die Alten- und Pflegeheime war die Schließung eine Katastrophe, weil sie auch von den ÄrztInnen abhängig waren.“

Das Bündnis Klinikrettung warnt davor, die Reform im Bundestag und Bundesrat zu beschließen und fordert die verantwortlichen PolitikerInnen auf, sich endlich mit Lösungen wie der Selbstkostendeckung, dem Renditeverbot und einer demokratischen Bedarfsplanung für die Krankenhäuser zu befassen. Das Bündnis kritisiert seit Langem die absehbaren Folgen der Reform: gefährlich weite Anfahrt bei Notfällen und verlängerte Wartezeiten in den verbleibenden Kliniken durch Klinikschließungen, die bestehen bleibende Unterfinanzierung und Verschärfung der Personalnot. Mittlerweile greifen auch andere Verbände diese Kritik auf.

Das Bündnis Klinikrettung hat eine Stellungnahme zum KHVVG verfasst: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2024/05/2024-04-29_Stellungnahme-Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz_BKR_final.pdf

Hintergrund

Eine neue Untersuchung des Bündnis Klinikrettung über Krankenhausschließungen seit 2020 zeigt, dass die entstandenen Versorgungslücken kaum kompensiert werden. Bei 77% der Schließungen gingen die stationären Kapazitäten vollständig verloren, nur in 5% der Fälle wurden alle Betten erhalten – aber nicht vor Ort. Bei 32% der Schließungen wurde der Verlust der medizinischen Versorgung auch durch keine andere Ersatzmaßnahme – wie beispielsweise eine ambulante Einrichtung – ausgeglichen. In einem Drittel der Fälle fiel die Versorgung also nach den Schließungen komplett weg.

Der Originalartikel kann hier besucht werden