Am 8. Mai 2023 protestierte eine Gruppe von sieben Aktivisten gewaltfrei gegen die zwanzig US-amerikanischen Atombomben, die auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel / Eifel lagern. Die Gruppe spazierte durch das offene Baustellentor des Flugplatzes, machte ein Sit-in auf der Straße dahinter und entrollte Transparente für nukleare Abrüstung. Zwei von ihnen, darunter Johannes Wollbold aus Weimar, gelang es, bis auf die Baustelle zur Erweiterung der Start- und Landebahn für die geplanten neuen F-35-Kampfbomber zu gelangen und interessierten Bauarbeitern Flugblätter zu überreichen.
Nachdem der 65jährige Theologe, Mathematiker und Deutschlehrer wegen seiner Aktion zivilen Ungehorsams im Januar vom Amtsgericht Cochem zu 60 Tagessätzen verurteilt wurde, steht nun die Berufungsverhandlung an: Interessierte sind am Donnerstag, 16. Mai um 15 Uhr herzlich eingeladen ins Landgericht Koblenz, Raum 123. Ab 14 Uhr wird es eine Mahnwache vor dem Gericht geben.
Da die Fakten unbestritten sind und aus Sicht des Gerichts eine milde Form von Hausfriedensbruch ohne Sachbeschädigung darstellen, erwartet der Pazifist, der zum zweiten Mal ohne Erlaubnis auf dem Militärgelände gegen die Atombomben protestierte, eine Reduzierung der Geldstrafe, wenn die Standard-Rechtsprechung beibehalten wird. Sein Ziel ist es aber, „endlich einmal klären zu lassen, ob wegen des Bruchs mehrerer Verfassungsgebote ein rechtfertigender Notstand nach §34 Strafgesetzbuch (StGB) zu begründen ist“. Dazu könne das Landgericht vor einem Urteil ein Vorlageverfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anstrengen, erklärt Wollbold.
„Spätestens die in der Geschichte der BRD noch nie dagewesenen massiven Waffenlieferungen in den Ukraine-Krieg und die ungebremste Unterstützung des israelischen Vergeltungskriegs im dicht besiedelten Gazastreifen müssten Fragen aufwerfen, was das Friedensgebot unserer Verfassung überhaupt noch zum Inhalt hat“, empört sich der 65-Jährige. Soweit Entscheidungen des BVerfG dieses überhaupt betreffen, bleibt es „seltsam blass und abstrakt“, findet er. „Die Präambel, Art. 1 (2) und Art. 26 (1) des Grundgesetzes müssten konkretisiert werden, sodass klare Richtlinien und Schranken für die Drohung mit oder den Einsatz von militärischer Gewalt entstehen“, schlägt er vor. Zumal wenn es um Massenvernichtungswaffen gehe, die mehr Zivilisten als Soldaten träfen. Als Verteidigung, an die die Bundeswehr nach Art. 87a des Grundgesetzes (GG) gebunden sei, könnten diese keinesfalls gelten.
Schließlich wird der Angeklagte einen Bruch des Völkerrechts anklagen, das nach Art. 25 GG vorrangiger „Bestandteil des Bundesrechts“ ist: Mit der Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrags 1975 hat sich Deutschland verpflichtet, Kernwaffen „weder herzustellen noch sonst wie zu erwerben“ und „die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“. Jedoch stellt die Bundesrepublik die gesamte Infrastruktur zur Verfügung, und im Kriegsfall fliegen Bundeswehrpiloten die Atombomben zum Ziel, „drücken also den Knopf“.
Dass das BVerfG sich mit diesen Widersprüchen bisher noch nicht einmal befassen will, ist Johannes Wollbold unbegreiflich. Falls das Landgericht keine Klarstellung beantragt, wird er die Revision bzw. Berufung bis zum Verfassungsgericht, notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg tragen.