Die Lücke zwischen Überreichen und dem Rest der Gesellschaft wird immer größer. Unser Steuersystem sollte das eigentlich verhindern – tut es aber nicht. Oxfam, das Netzwerk Steuergerechtigkeit und das Momentum Institut zeigen in einer gemeinsamen Studie, was man gegen diese Schieflage tun kann.
von Katrin Kastenmeier (Moment.at)
Vermögen schafft Sicherheit, erhöht Lebenschancen und verlängert sogar die Lebenszeit. Zahlreiche Studien belegen das. Hat man besonders viel Geld, geht es auch beim gesellschaftlichen und politischen Mitmischen leichter. Man finanziert dann Parteien und entscheidet, für welche Themen viel gespendet wird. In den vergangenen zwanzig Jahren haben sinkenden Steuern auf große Vermögen und Unternehmensgewinne dazu geführt, dass immer mehr Reichtum in den Händen Weniger bleibt. Und ihre Macht dadurch größer wird. Ärmere Bevölkerungsgruppen schließt diese Schieflage immer mehr von der Mitbestimmung aus.
“Unser Steuersystem basiert auf dem Prinzip: Wer mehr hat, kann auch mehr beitragen. Für Superreiche ist dieses Prinzip längst ausgehebelt“, sagt Barbara Schuster. Sie ist Ökonomin am Momentum Institut und hat die Berechnungen für Österreich durchgeführt. Wie sich Superreiche entziehen, habe sich bisher nur schwer überprüfen lassen. “Weil öffentliche Statistiken zu Vermögen, Einkommen und Steuerbeiträgen der Superreichen lückenhaft sind oder schlicht fehlen, ist es schwierig, Steuersätze von sehr vermögenden Personen zu schätzen”. Und sie dementsprechend gerechter zu besteuern.
Fehlende Daten spielen Superreichen in die Karten
In den vergangenen Jahren haben einige Studien damit begonnen, diese Wissenslücke zu schließen. In den USA, in Frankreich und den Niederlanden zeigten Auswertungen verschiedener Datenquellen: Die Anteile von Steuerbeiträge von Multimillionär:innen und Milliardär:innen lagen weit unterhalb von anderen Menschen – und damit auch der Mitarbeiter:innen jener Unternehmen, die den Reichen gehören.
Vergleichbare Rechnungen hierzulande gab es bisher nicht. Dafür fehlten die konkreten Daten. Denn alle Aussagen zu Vermögen in Österreich basieren auf dem Household Finance and Consumption Survey (HFCS), einer Befragung der Österreichischen Nationalbank. So wertvoll die Ergebnisse sind, so unvollständig sind sie. Denn Auskünfte zu Einkommen werden auf persönlicher Ebene erhoben, während Informationen zu Vermögen und Erbschaften auf Haushaltsebene gesammelt werden. In der Analyse kann nicht unterschieden werden, welchem Haushaltsmitglied wie viel gehört.
Länder-Studie zur tatsächlichen Besteuerung von Superreichen
Expert:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben nun die Abgaben einer durchschnittlichen “Mittelschichtsfamilie” und der durchschnittlichen Vertreter:innen der reichsten 0,1 Prozent in den jeweiligen drei Ländern ermittelt. Die Mittelschichtsfamilie steht für einen durchschnittlichen Haushalt pro Land. Der Multimillionär und seine Familie repräsentierten eine typische Person des reichsten 0,1 Prozent.
Die Milliardär:innen stehen stellvertretend für ein typisches Unternehmen des Landes und wurden anhand von Reichenlisten ausgewählt. Mithilfe einer Modellrechnung wurde – unter vereinfachenden Annahmen – der Steuersatz von diesen realen Beispiel-Milliardär:innen anhand öffentlich zugänglicher Daten über Unternehmensbeteiligungen und aus Geschäftsberichten berechnet.
Selbst Steuersumpf Schweiz besteuert Milliardär:innen stärker als Österreich
Das Ergebnis: Bei den Steuersystemen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es zahlreiche Sonderregeln, Ausnahmen und Privilegien, wenn es um das Vermögenseinkommen geht. Das sorgt dafür, dass der Betrag, den Überreiche an Steuern und Abgaben zahlen, im Verhältnis zu ihren Bruttoeinkünften viel niedriger ist als für durchschnittliche Arbeitnehmer:innen.
Die analysierten Milliardäre aus der Schweiz geben einen Steuersatz von rund 32 Prozent ab – inklusive Unternehmenssteuern. Die Steuersätze der Milliardär:innen in Deutschland und Österreich liegen lediglich bei 26 Prozent. Und damit weit unter den jeweiligen Höchststeuersätzen für normale Einkommen von 41,5 (Schweiz), 47,5 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 55 Prozent (Österreich – ab einer Million).
Supermilliardär Mark Mateschitz freut sich
Wer in Österreich wie viel an Steuern beiträgt, ist sehr ungleich verteilt. Und auch unfair. Während eine Mittelschichtfamilie etwa 42 Prozent ihres Einkommens an Steuern zahlt, gibt der österreichische Muster-Millionär nur 30 Prozent ab. Beim hiesigen Beispiel-Milliardär Mark Mateschitz sind es sogar nur 26 Prozent. Obwohl Mateschitz 14.000-mal mehr Bruttoeinkünfte und 143.000-mal mehr Vermögen besitzt als die Mittelschicht-Familie, zahlt er nur 9.000-mal so viele Steuern und Abgaben wie sie.
Ein Grund dafür ist die unterschiedliche Zusammensetzung der Einkünfte. Die Mittelschichtfamilie leistet ihre Steuern hauptsächlich aus dem Einkommen, das sie mit Lohnarbeit verdient. Die Steuern des Muster-Millionärs und die von Mateschitz stammen größtenteils aus Unternehmensgewinnen. Und darauf wurden in den vergangenen Jahren die Steuern deutlich gesenkt. Das begünstigt ausgerechnet die Superreichen. Sozial gerecht ist das nicht.
Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit ist sich sicher: “Mit einer Vermögensteuer für Superreiche oder einer Mindeststeuer auf ihre Einkommen könnten wir sicherstellen, dass ihr Steuersatz auf etwa 40 bis 50 Prozent ansteigt – vergleichbar mit dem, was der Mittelstand an Steuern und Abgaben leistet”. Das hätte laut der Juristin einen positiven Anreizeffekt. “Während Vermögensteuern bei erfolgreichem Unternehmertum leicht aus den Erträgen finanzierbar sind, würden sie den Kauf und Besitz von klimaschädlichen Privatjets oder Privatjachten unattraktiver machen.”
Gleiches Recht für alle
In den kommenden 30 Jahren werden in Österreich über 600 Milliarden Euro steuerfrei vererbt. Die Hälfte dieser Erbschaften geht in die Taschen des schon jetzt reichsten Zehntels. Einer Steuer unterliegen Erbschaften nicht. Diese Schieflage lässt sich bereits bei den Staatseinnahmen ablesen. Rund 80 von 100 Steuereuros kommen aus Arbeit und Konsum. Nur 4 Euro aus Steuern auf Vermögen. Der Großteil unseres Sozialstaates wird also von der arbeitenden Bevölkerungsgruppe getragen.
Arbeit zu besteuern betrifft die Superreichen aber eben nicht. Dazu braucht es eine Besteuerung der Vermögenseinkünfte, vor allem – aber nicht nur – aus Unternehmensbeteiligungen. “Steuern und Abgaben sind wichtig, um Leistungen zu finanzieren, von denen alle im Land profitieren”, sagt Barbara Schuster. Laut der Ökonomin werden in Zukunft höhere Ausgaben bei Bildung, Sozialhilfe und Infrastruktur anfallen. Sei es zur Bewältigung der Klimakrise oder aufgrund des demografischen Wandels für Gesundheit und Pflege.
“Um dabei dieses Auseinanderklaffen der Vermögens- und Steuerschere nicht noch weiter zu befeuern, braucht es Vermögen-, Erbschafts- und Schenkungssteuern”, sagt Schuster. Das Momentum Institut empfiehlt auch eine Erhöhung der Körperschaftsteuer und die Spitzensteuersätze bei der Einkommenssteuer zu erhöhen.
Mehr als genug für ein gutes Leben
Um den Reichtum der Superreichen müsste man sich dann immer noch nicht sorgen. Würde Mark Mateschitz den gleichen Steuersatz wie wir alle, also durchschnittlich rund 42 Prozent, auf seine jährlichen Einkünfte abgeben, müsste er pro Jahr 553 Millionen Euro in die Gemeinschaftskasse zahlen. Das wären 213 Millionen Euro mehr als bisher. Und selbst dann würden ihm immer noch jedes Jahr 760 Millionen Euro für seinen privaten Bedarf übrig bleiben. Mehr als genug für ein (oder mehrere) gute Leben.
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