Viele große Begriffe und Namensgebungen besitzen ambivalente Eigenschaften. Feuer zum Beispiel, macht Nahrung durch Kochen oder Braten verdaulicher, es zerstört aber auch Häuser und tötet. Wasser ermöglicht Leben, es lässt auch Menschen ertrinken. Wachstum gehört zu solchen zweideutigen Wortbegriffen. Eine ständig wachsende Wirtschaft suggeriert gesunde Verhältnisse und Stärke, verdeckt jedoch prekäre Arbeitsplätze und eine in Arm und Reich geteilte Gesellschaft.
Wirtschaftswachstum, ein Kern der Marktwirtschaft, ist für die allgemeine Entwicklung des Menschen wichtig. Aber auf welchen Gebieten? Wer hat den Nutzen? Es ist schon gut nachzufragen. Das Wort ist für die Wirtschaftswissenschaftler beinahe heilig. Medial wird es ständig wiederholt. Wir hören es täglich mehrmals im Fernsehen, besonders bei den Börsennachrichten. Wachsende Kurse lassen die Herzen der Wertpapierbesitzer höher schlagen.
Für politische Wahlen ist es wichtig, von Politikern versprochene Begrifflichkeiten, zu hinterfragen. Wahlprogramme der Parteien sind ja keine Parteiprogramme. Sie werden von Marketingexperten entworfen und sie versprechen alles Mögliche. Ziele: Wahlstimmen gewinnen und Einzug in den gesetzgebenden Bundestag erreichen.
Beispiele sollen auf die positiven und zugleich negativen Seiten des Wachstums aufmerksam machen, um sie bei Wahlen zu werten:
- Zuwachs an Wissen ernährt aktuell 8,3 Milliarden Menschen, ABC-Waffen verdanken ihre schreckliche Existenz gleichfalls dem gewachsenen Wissen.
- Zuwachs an Energie und Mobilität trieb die Wirtschaft seit dem 19. und 20. Jahrhundert enorm voran, erwärmte aber die Luft, bis die Gletscher abzuschmelzen begannen und sich das Klima änderte.
- Zuwachs an Produktionsanlagen und Produktionsvolumen deckten ihren steigenden Rohstoffbedarf, führten aber gleichzeitig zur Zerstörung von Landschaften. Damit wuchsen Städte, Verkehrs- und Lagerflächen, es werden Ackerflächen für die Nahrungsmittelproduktion für die Zukunft vermindert.
- Zuwachs von Getreide und Nahrungsmitteln hat den extremen Hunger überwunden, aber der damit verbundene Einsatz von Insektiziden und Herbiziden vernichtete erschreckenderweise viele biologische Arten.
- Zuwachs und Verkauf der Güter wurde enorm gesteigert, Landschaften und Meere sind zu Müllhalden verkommen.
Das Vertrauen zwischen den Koalitionen der Regierung und der Bevölkerung ist nicht so gewachsen, wie die Börsenkurse. Die Brücken zwischen den Ämtern und das Volk wuchsen nicht, vorhandene sind marode.
Die Wachstumswirtschaft des Kapitalsystems wird in der Marktwirtschaft von der Nachfrage und der Gewinnerwartung angetrieben. Russland und angeschlossene sozialistische Länder versuchten bis 1990 die Probleme des Wachstums mit einem System der überzogenen Planung und eingeschränktem Eigentum an Produktionsmittel zu lösen. China versucht es auf eigenem Weg, wie auch einige Länder Lateinamerikas. Spürbare Alternativen gegen Klimawende und gesellschaftliche Spaltung fordert die Bevölkerung Deutschlands von der Politik in den Parlamenten und von ihren Vertretern in den Regierungen. Wahlen geben die Möglichkeit, das „Weiter so“ zu beenden.
Der ARTIKEL 20 des deutschen Grundgesetzes bestimmt, dass vom Volk alle Macht ausgeht und dass des Volkes Macht über Wahlen ausgeübt wird. Wie das funktionieren soll, wird im Bildungssystem oder öffentlich kaum erläutert.
Die aktuellen bürgerlichen Partei-Koalitionen haben es in den vergangenen 70 Jahren in Deutschland noch nicht einmal vermocht, die Ziele ihrer eigenen Revolution von 1789 zu erfüllen. Konkret die „Egalité und Fraternité“ in das normale Leben einzuführen. Die Gleichheit ist kaum hergestellt und die Brüderlichkeit wurde einfach vergessen. Die Liberté nehmen sie hauptsächlich für sich selbst in Anspruch. Nur Stimmenmehrheiten und Kapitalmehrheiten besitzen die Freiheit der Entscheidungshoheit im praktischen Leben. Weit entfernt sind sie noch von der Zielmarke einer „Sozialen Marktwirtschaft“. Die Sucht nach Übergewinnen ist ungebrochen. Das Management der steigenden Staatsschulden verhackelt sich scheinbar unlösbar zwischen Vertretern der Politik und Finanzwirtschaft.
Im Land herrscht Unruhe bei den Abhängigen, den Bauern, dem Mittelstand. Große deutsche Unternehmen produzieren lieber in China oder in Lateinamerika. Die Sorgen nehmen zu, weil deutsche Soldaten dauerhaft in Litauen stationiert werden. Die Geschichte wird im Modus eines „weiter so“ fortgesetzt.
Mit welchen Worten sage ich es meinem Volke, grübeln die Politik und ihre hörigen Medien. Die Wortwahl spielt dabei eine Rolle, um das Vertrauen und damit Stimmen bei Wahlen zu gewinnen. Der Parteienneuling aus der Nachwendezeit in Deutschland, die AfD, hatte in seinem Namen das gute Wort Alternative eingefügt, ohne zu erklären, was sie alternativ besser machen will. Nur gegen die Regierung zu sein, ist reiner Populismus. Das Wort Alternative war ein Schachzug, der bereits Stimmenerfolge hatte.
Namensveränderungen für Parteien sind in der deutschen Geschichte nicht neu.
Es gab schon einmal eine kriminelle Partei in Deutschland, die hatte vor Einhundert Jahren die Worte `sozialistische Arbeiterpartei´ in ihrem Namen zum Stimmengewinn missbraucht. Andere bürgerliche Parteien haben nach dem zweiten Weltkrieg die Adjektive „christlich und/oder demokratisch“ eingefügt. Das klare Wort human wurde zu selten genutzt.
Worte und Begriffen haben psychologische Aspekte, die es zu erkennen gilt und die zu hinterfragen sind, auch bei den kommenden Wahlen in Deutschland und der EU.