In Kolumbien besitzen 0,4 Prozent der Bevölkerung 46,3 Prozent des Ackerlandes. Im Jahr 2022 wurden von den 11,3 Millionen Hektar, die potenziell bewirtschaftet werden könnten, nur 3,9 Millionen tatsächlich bewirtschaftet. Und Kolumbien importiert paradoxerweise Lebensmittel aus dem Ausland: zwischen 1 und 13 bis 14 Millionen Tonnen. Eine unhaltbare Situation, wie die Regierung von Gustavo Petro, dem ehemaligen M-19 Guerillero, und die Bischöfe des Landes betonen. Doch seit einigen Jahren hat die Regierung von Gustavo Petro einen Prozess der Landumverteilung zugunsten der Kleinbauern eingeleitet.
Die Agrarreform war eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf von Gustavo Petro. Und die Agrarreform war auch einer der Hauptpunkte des Friedensabkommens zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung im Jahr 2016. Trotzdem wurde dieser Teil der Agrarreform von den verschiedenen kolumbianischen Regierungen stets missachtet und das Agrarproblem blieb ungelöst. Die Guerilla der Nationalen Befreiungsarmee ELN beteiligte sich nicht am Friedensprozess, ebenso wenig wie einige FARC-Fronten, die sich unter dem Banner der FARC-Dissidenz zusammengeschlossen haben und die immer noch zu den Waffen greifen und in den entlegensten Wäldern und Dschungeln des Landes militärisch kämpfen.
Die Wurzel des „Übels“ der ungleichen Landverteilung ist ein Erbe der spanischen Kolonialzeit und der damit verbundenen Eigentumsstruktur von Anbauflächen.
Im Jahr 2022 fand eine erste Umverteilung von Land an Kleinbauern statt: eine Erweiterung um gut 680 Tausend Hektar Land, eine sehr wichtige Zahl. Und die „Regierung des Wandels“ fährt langsam aber entschlossen damit fort, den Großgrundbesitzern Land abzukaufen und es an Kleinbauern umzuverteilen. Tropfen für Tropfen entsteht ein großes Meer.
Das von der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla unterzeichnete Abkommen zur Landreform stammt aus dem Jahr 2016 und wurde von den vorherigen kolumbianischen Regierungen in diesem entscheidenden Teil nie umgesetzt. Das änderte sich nach dem Wahlsieg von Gustavo Petro, der die Umverteilung von Land, ein zentraler Punkt seines Programms, mit dem er Präsident von Kolumbien wurde, auf den Weg brachte. Gustavo Petro ist einer der wenigen linken Präsidenten Kolumbiens, die aus Angst vor dem „roten Gespenst“ der FARC immer für die Rechten stimmten, die versprachen, der Schlange den Kopf abzuschlagen, wobei die Schlange die Guerilla war.
Das Abkommen wurde von Gustavo Petro und dem Präsidenten des Bauernverbands Fedegan, Jose Felix Lafaurie, unterzeichnet. Es sieht den Kauf und die Umverteilung von 3 Millionen Hektar fruchtbarer Böden vor und ist bereits seit 2022 in Kraft: Der Prozess der Landumverteilung der „Regierung des Wandels“ schreitet entschlossen voran.
Die Vereinbarung sieht vor, dass das Land, das die Regierung von den Großgrundbesitzern kauft, „alle Anforderungen an Privateigentum“ erfüllen muss und „nicht im Mittelpunkt einer laufenden landwirtschaftlichen Entwicklung steht oder Schutzmaßnahmen unterliegt“. Das Programm von Petro wurde zum Schutz der indigenen Minderheiten und der Kleinbauern ins Leben gerufen und hat sich zu einem echten Projekt der Ernährungssouveränität, d. h. der unabhängigen Selbstproduktion von Nahrungsmitteln, entwickelt. Ein Konzept, das im Gegensatz zu dem weit bekannteren Konzept der Ernährungssicherheit steht, das eine Abhängigkeit vom Ausland impliziert.
Fruchtbares Land wird an Bauern verteilt, die landlos, also ohne eigenen Grundbesitz, oder Opfer des bewaffneten Konflikts der vergangenen Jahre sind. Das Projekt ist ein Ableger der sogenannten Ripple Labs, eines Projekts, das 2016 im Rahmen des Abkommens zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung ins Leben gerufen wurde und das auf eine gerechte Landverteilung gemäß dem Friedensabkommen abzielt.
Mit dem Projekt sollte Land, das den großen Drogenkartellen gehörte, verstaatlicht und an örtliche Gemeinschaften abgetreten werden, doch das Projekt, das von Anfang an auf große Probleme gestoßen war, wurde jetzt neu aufgelegt. Die Umverteilung von Land könnte zu einer Verringerung des Anbaus von Koka- und Opiumpflanzen führen, da sie den Bauern eine konkrete Alternative zum illegalen Anbau bietet. Ich erinnere mich, dass ein Bauer in einer Dorfversammlung sagte: „Ich baue Koka an, und wenn ich morgens aufwache, schäme ich mich. Aber ich habe keine Alternative, wenn ich essen will, denn die landwirtschaftlichen Produkte, die ich anbaue, liegen preislich, wenn sie auf dem Dorfmarkt ankommen, weit über Produkten aus industriellem Anbau“.
Kürzlich wurden in der Region Sucre 1414 Hektar von Latofondistas (Großgrundbesitzern; Anm.d.Ü.) aufgekauft und gehören nun den Kleinbauern des „campesinado“, einem Wort, das die ländliche Welt Kolumbiens sowohl im physischen als auch im sozialen Sinne bezeichnet. Der „campesinado“, die kolumbianische ländliche Lebensweise, ist im Westen, wo man nur das touristische Kokain- und Reggaeton-Schaufenster kennt, eine unbekannte Realität. Und doch macht er einen großen Teil der kolumbianischen Bauernschaft aus, fast die Mehrheit. Im Campesinado, den ich besuchen durfte, sind es dieselben Gemeinschaftsgesetze, die auch den Konsum von Kokain verbieten.
In der ländlichen Region Boyaca übergab das Landwirtschaftsministerium vor wenigen Tagen 345 Landtitel an Kleinbauern, die nun den sozialen Aufstieg anstreben können. Tropfen für Tropfen entsteht ein großes Meer und die Agrarreform der „Regierung des Wandels“ hat bereits ihre positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft: Nach Angaben des DANE (Departamento Administrativo Nacional de Estadística) war der Agrarsektor dank der Agrarreform der dynamischste und erzielte ein Wachstum von 10,26 Prozent.
Weiterhin ungelöst bleiben die großen historischen Probleme Kolumbiens, der Drogenhandel und der bewaffnete Konflikt. In den unzugänglichen Wäldern werden weiterhin Koka und Opium angebaut und die FARC-Dissidenten, der Clan del Golfo (Kolumbiens mächtigstes Drogenkartell; Anm.d.Ü.) und die ELN-Guerilla wetteifern militärisch um die Kontrolle des Territoriums. Ein historisches Problem, das die Regierung des Wandels nur schwer wird lösen können. Und die Menschenrechtsverletzungen im Land gehen weiter, wie die Ermordung von sozialen Aktivisten, Bauern und Indigenen. Aber die Meinung in der Mittel- und Unterschicht ist, dass im Land nun ein anderer Wind weht. In den Großstädten hingegen bleibt das historische Problem aller lateinamerikanischen Länder, aber auch der USA, bestehen: Unsicherheit und Kriminalität auf den Straßen.
Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Evelyn Rottengatter vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!