Es ist ein schwerer Schlag gegen die multinationalen Lithiumkonzerne und die Regierung der nordwestargentinischen Provinz Catamarca: Das höchste Provinzgericht hat die Erteilung neuer Genehmigungen untersagt und die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für alle Bergbauprojekte in der Region eingefordert. Die Klage wurde von Gemeinden der indigenen Diaguitas und sozio-ökologischen Vereinigungen unterstützt. Chronik eines Triumphs.
Am Donnerstagmorgen, 7. März, stand die Nachricht auf den Titelseiten der wichtigsten Lokalzeitungen, und innerhalb weniger Stunden stand sie auch auf den argentinischen Websites. Die Schlagzeile hatte eine enorme Wirkung: „Gerichtshof setzt den Lithiumabbau aus“. Für eine Regierung wie die von Catamarca, die sich komplett dem Boom des Lithiumabbaus (der korrekterweise „Mega-Abbau der Wasserreserven“ genannt wird) verschrieben hat, war der Schock riesengroß. Schnell tummelten sich in den Radiosendern, Fernsehmedien, Instagram- und X-Accounts Anwält*innen, Fachleute und Politiker*innen, die versuchten, etwas zu erklären, das auf den ersten Blick unerklärlich war. Es gab Überraschung, Verwirrung, Zweifel und Fehlinformationen in Hülle und Fülle: Kommt die Bergbautätigkeit in der Provinz zum Stillstand, bricht das millionenschwere Lithiumgeschäft zusammen, versetzt das Gericht dem Gouverneur Raúl Jalil aufgrund eines internen Machtkampfes einen schweren Schlag? Wie konnte das alles über Nacht geschehen?
I. Der Weg zum Urteilsspruch
Wie so oft bei einem Medienrummel muss man, wenn die Aufregung und das Staunen vorbei sind, ein wenig in die Geschichte zurückgehen, um zu verstehen, was passiert ist. Das Umweltschutz-Urteil des Gerichtshofs von Catamarca (Akte Nº 054/2022, mit dem Titel „Guitian, Román c/ Poder Ejecutivo Nacional y Otros“), beginnt 2019 und hat zwei Hauptakteure: die indigene Gemeinde Atacameños del Altiplano und den vitalen und majestätischen Fluss Los Patos.
Im August 2019 erfuhren die Nachbar*innen von Antofagasta de la Sierra in einer verwirrenden Nachbarschaftsversammlung, die von der Bezirksverwaltung einberufen wurde, von den Plänen des Bergbauunternehmens Livent für ein Kanalisierungsprojekt (Livent fusionierte 2023 mit dem multinationalen Unternehmen Allkem, wodurch das drittgrößte Bergbauunternehmen der Welt entstand, das heute in Catamarca unter dem Namen Arcadium tätig ist). Das Projekt sieht den Bau eines Aquädukts von mehr als 30 Kilometern Länge vor, um Wasser aus dem größten Wasserlauf der Region, dem Fluss Los Patos, zu entnehmen. Warum brauchte das Unternehmen dieses neue Aquädukt? Weil der Fluss Trapiche und die gleichnamige Ebene in den letzten Jahren völlig ausgetrocknet waren, was zu immensen und irreparablen Umweltschäden führte.
Dieses Ereignis aus dem Jahr 2019 ist essentiell, um das jüngste Urteil des Gerichts von Catamarca zu verstehen. Denn einer der überzeugendsten Beweise in der Klage sind die Schäden, die am Fluss und in der Ebene von Trapiche entstanden sind – eine Zerstörung, die hätte vermieden werden können.
Im Dezember 2019 reiste eine Gruppe von Mitgliedern der Umweltorganisation Pucara (Pueblos Catamarqueños en Resistencia y Autodeterminación), bestehend aus zwei Anwältinnen, einem Pressesprecher und einer Umweltbeauftragten, nach Antofagasta, um mit der indigenen Gemeinde und den Anwohner*innen Kontakt aufzunehmen. Als Ergebnis dieser Reise wurde ein Foto zum ersten Mal in einem Printmedium veröffentlicht und über die Nachrichtenportale im ganzen Land verbreitet: Es zeigt eine schwarze Trapiche-Ebene mit einem völlig ausgetrockneten und toten Fluss.
Flussebene ausgetrocknet
In den folgenden Jahren wuchs die Besorgnis. Gleichzeitig gab es mehr unabhängige Untersuchungen über die Vorgehensweise der lokalen Regierung und der Unternehmen (Livent, Galaxy, Posco) bei der unbegrenzten Nutzung des Süßwassers.
Im Februar 2020 begleitete die Versammlung von Pucará die Gemeinde des Vorstehers Román Guitian bei der Einreichung des ersten Antrags auf Aussetzung. Gleichzeitig wurde ein Antrag beim Bergbaugericht, damals unter der Leitung von Richter Raúl Cerda, und ein weiterer beim Bergbauministerium eingereicht. Beide Klagen umfassten eine technische Analyse der aktuellen Umweltverträglichkeitsberichte von Livent und Galaxy und beinhalteten zudem 200 Unterschriften von Anwohner*innen von Antofagasta.
Die Hauptforderung war die Aussetzung der Genehmigungen für die Wasserentnahme aus dem Fluss Los Patos, zusammen mit Beschwerden über die Verletzung der Rechte indigener Gemeinschaften, falsche öffentliche Anhörungen und soziale Verfolgung sowohl des indigenen Anführers* und seiner Familie als auch von Nachbar*innen, die sich gegen den Bergbau aussprachen (so wurde etwa ein Lehrer zu zwei Jahren Haft verurteilt und muss daher eindeutig als politisch Verfolgter gelten).
Bergbauministerium verliert Gerichtsprozess
Die Reaktion der Regierung von Gouverneur Raúl Jalil auf diese erste Anzeige war ein klarer Beleg für Straflosigkeit und mangelndes Demokratieverständnis. Das Bergbauministerium antwortete (ob man es glaubt oder nicht), es habe „die Anhörung verloren“.
Wir haben mit Nachrichten, Informationsanfragen und neuen Eingaben insistiert, worauf es nie eine Antwort gab. Der Fall des Bergbaugerichts ist sogar noch unglaublicher. Im Jahr 2021 erreichte Jalil durch eine Änderung der Anzahl der Mitglieder des Provinzgerichts (dasselbe, das heute die Regierung stürzen will) eine Änderung des Bergbauverfahrensgesetzes der Provinz, wodurch das Bergbaugericht in Schach gehalten und bei jedem Streitfall an den Rand gedrängt wurde. Der erste gerichtliche Versuch war damit gescheitert.
II. Von der Klage zum Gerichtsurteil
Im August 2021, nach zahlreichen Beschwerden in den lokalen und internationalen Medien, nach der Premiere eines Dokumentarfilms über die Gemeinde Atacameños del Altiplano und inmitten eines wachsenden sozialen Konflikts in Antofagasta, reichte Román Guitian vor dem argentinischen Bundesgerichtshof eine Klage auf Wiedergutmachung ein. In diesem Fall tat er dies mit Hilfe der auf Umweltrecht spezialisierten Anwältin Verónica Gostissa. Auch in diesem Fall ging es um das Wasser und den Schutz des Flusses Los Patos. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Informationen vervielfältigt und ein von der Stiftung Yuchán erstellter Bericht vorgelegt.
Nach einem langen zweijährigen Verfahren, das eine Unzuständigkeitserklärung des Bundesgerichts von Catamarca (im November 2021) einschloss, bestätigte die Bundeskammer von Tucumán die Unzuständigkeitserklärung der Bundesgerichte (Dezember 2021), und erst im September 2022 wurde die Klage vor dem Gericht von Catamarca eingereicht.
Dies war der Weg bis zum Urteil vom Donnerstag, 13. März 2024, in dem der Beschluss des Gerichtshofs erwirkt und die Schutzmaßnahmen teilweise bewilligt wurden. Der Anwalt Santiago Kosicki, der vom Anwaltsteam der Versammlung von Pucara begleitet wurde, erklärt: „Der Gerichtshof von Catamarca hat gegen die Provinzregierung entschieden und verlangt, dass sie die Genehmigung für den Lithiumabbau in der Salzwüste ‚Hombre Muerto‘ (Toter Mann) in Antofagasta de la Sierra korrigiert.“
Der Gerichtshof fordert nun eine Umweltverträglichkeitsstudie ein, die die gesamte Salzwüste und den Fluss Los Patos einschließt. Außerdem soll sie alle Auswirkungen untersuchen, die die von den Unternehmen beantragte Genehmigung für die Nutzung und Entnahme von Wasser für die Umwelt haben könnte.
Dieser neue Bericht soll die Auswirkungen aller Projekte sämtlicher Unternehmen zusammen (und nicht jedes Projekt einzeln) messen. Es muss bekannt sein, wie stark sich alle Wasserentnahmen sämtlicher Unternehmen gleichzeitig auf die Umwelt auswirken werden. Dies wird einen großen Unterschied in den Bilanzen ausmachen, und das Ergebnis wird den Einwohner*innen von Antofagasta und der indigenen Gemeinschaft zum ersten Mal eine Vorstellung vom Ausmaß und den sozio-ökologischen Folgen der Bergbautätigkeit in ihren Gebieten vermitteln.
Provinzministerien dürfen keine Genehmigungen in der Salzwüste mehr erteilen
Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils ist, dass das Gericht „sowohl dem Bergbauministerium als auch dem Ministerium für Wasser, Energie und Umwelt der Provinz untersagt, Genehmigungen oder Umweltverträglichkeitserklärungen für neue Arbeiten im Zusammenhang mit dem Fluss Los Patos in der Salzwüste Hombre Muerto zu erteilen“. Dies bedeutet, dass keine weiteren Genehmigungen erteilt werden können. Vor dem Hintergrund der Ausweitung aller Bergbauprojekte in dem Gebiet ist dies ein schwerer Schlag für das Vorgehen der Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Regierung.
Das oberste Provinzgericht stellt auch fest, „dass die Regierung der Provinz Catamarca systematisch gegen Umweltvorschriften verstößt, indem sie bedingte Genehmigungen erteilt, ohne die tatsächliche Funktionsweise der Wasserbecken der Salzwüste Hombre Muerto zu kennen, ohne einen umfassenden Umweltverträglichkeitsbericht und ohne die Durchführung einer öffentlichen Anhörung mit der Gemeinde Antofagasta de la Sierra und einer vorherigen, freien und informierten Konsultation mit der indigenen Gemeinde Atacameños del Altiplano zu gewährleisten. (Das Gericht) ist außerdem der Ansicht, dass die betroffene Gemeinschaft nicht über aktuelle Informationen zu mindestens acht Projekten zur Lithiumgewinnung im selben Grundwasserleiter (Aquädukt des Flusses Los Patos) verfügt“.
Jetzt liegt der Ball bei der Regierung. Einerseits kann sie gegen das Urteil Berufung einlegen, wofür sie sich an den Obersten Gerichtshof des Landes wenden muss. Oder sie kann dem Urteil nachkommen und die Genehmigungen und Umweltverträglichkeitsberichte mit den neuen Anforderungen in Einklang bringen.
III. Weder Jalil noch der Gerichtshof, die Völker und das Wasser
Auf den Fluren der Provinzregierung werden dieselben Kommentare laut wie auf den Fluren des Provinzgerichts: dass das Urteil ein weiterer Schlag in dem anhaltenden und heftigen Streit der beiden Gewalten ist. Möglicherweise steckt etwas Wahres in den Kommentaren. Was aber über die Flurgespräche hinausgeht und für die Geschichte bleibt, ist eine Realität, in der man „die Sonne nicht mit den Händen verdecken kann“.
Diese „Sonne“ im Sprichwort steht für die wirklichen Gründe, die diese Verfassungsbeschwerde und das Urteil ermöglicht haben. Sicher ist, dass die Unternehmen ihre Umweltverträglichkeitsberichte falsch vorgelegt haben. Sicher ist, dass sowohl das Bergbauministerium als auch das Ministerium für Wasser und Umwelt die Kontrollen und Verfahren falsch durchgeführt haben.
Alle Verantwortlichen, die Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen, die Minister*innen und Gouverneur*innen (Lucía Corpacci und Raúl Jalil) – sie alle haben gegen zahlreiche nationale und internationale Umwelt- und Sozialgesetze verstoßen. Unter anderem gegen die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die sich mit den Rechten indigener Völker befasst und die in Argentinien über den lokalen Gesetzen steht).
Mega-Bergbau ist ein korruptes und illegitimes Modell
Mit dem Urteil kommt die Wahrheit auf den Tisch, die die indigenen Gemeinschaften und Versammlungen bereits seit fünf Jahren verkünden. Es ist dieselbe Wahrheit, die Tausende von Menschen, die im ganzen Land vom Mega-Bergbau betroffen sind, kommuniziert, verbreitet, untersucht und kritisiert haben. Ein strafloses, korruptes, illegales und illegitimes Modell, das gegen alle Normen, Verfahren und Gesetze zum Schutz der Bürger*innen verstößt. Ohne den Mut von Román Guitian, der wiederholt eingeschüchtert, verfolgt und zu bestechen versucht wurde, ohne seine Beharrlichkeit würden die Medien heute nicht diese eindeutige Wahrheit schreiben, die jetzt – mit den Worten des Gerichtshofs – scharf und durchschlagend wird.
Das Urteil wird sich nun den Hetzreden der Machthabenden und all ihren Instrumenten stellen müssen. Aber die Wahrheit gehört bereits uns, sie gehört bereits dem Menschen. Es gibt keinen nachhaltigen, schonenden, umweltfreundlichen, umweltverträglichen oder sauberen Bergbau. Es gibt den korrupten, illegalen, zerstörerischen, verschmutzenden und verarmenden Bergbau. Das ist die Grundlage der Debatte, das ist die unbestreitbare Wahrheit, mit der jede Diskussion beginnen muss. Die Macht wird weiterhin auf ihrer Lüge beharren, einer Lüge, die nicht einmal mehr läuft, die kaum noch krabbelt und sich aufzulösen beginnt.
Es gibt keinen nachhaltigen, schonenden, umweltfreundlichen, umweltverträglichen oder sauberen Bergbau. Es gibt den korrupten, illegalen, zerstörerischen, verschmutzenden und verarmenden Bergbau.
Der Kampf um die Verteidigung des Wassers geht weiter, ebenso wie die Suche nach einer Lebensweise ohne Zerstörung der Natur. Hier gibt es keine falschen Streitigkeiten, keine Kluft, keine Konfrontation zwischen Befürworter*innen und Gegner*innen des Bergbaus. Es bleibt, was es immer schon gegeben hat: die Suche nach einem würdigen Leben und einer würdigen Arbeit, nach einer gesunden Umwelt, nach Bergen, Flüssen, Salinen und Ebenen, die Teil der Kultur und der Identität der Völker in der Puna-Hochwüste sind.
Wasser ist die Voraussetzung für ein würdiges Leben, für die regionale Wirtschaft von Ackerbau und Viehzucht, für das Wachstum und die tausendjährige Existenz eines jeden Dorfes der Puna. Deshalb ist der Satz einfach und klar: Wasser ist mehr wert als Lithium. Es ist auch die Sonne, unsere Sonne, die wir nicht mit unseren Händen bedecken können.
Übersetzung: Annette Brox
*Kurz nach Bekanntwerden des Urteilsspruchs erhielt der Kläger Román Guitian Todesdrohungen (Anm. d. Red.).