Dieser Artikel ist Teil der Serie „50 Jahre danach: Es lebe die Nelkenrevolution„, die PRESSENZA im März und April 2024 auf Portugiesisch veröffentlicht. Die „Nelkenrevolution“ von 1974-1975 brachte den Portugiesen nach 48 Jahren Faschismus die Freiheit und den portugiesischen Kolonien in Afrika nach 500 Jahren imperialer Herrschaft die Unabhängigkeit.

Am 25. April 1974 kam es in Portugal zu einem Staatsstreich durch mehrere hundert portugiesische Soldaten, die sich in der MFA[1] (Bewegung der bewaffneten Streitkräfte) zusammengeschlossen hatten und die faschistische Diktatur in Portugal stürzen sowie die Freiheit des portugiesischen Volkes wiederherstellen wollten. An diesem Tag entstand spontan die so genannte „Nelkenrevolution“, die ihren Namen der Tatsache verdankt, dass jede/r Nelken – die Blume der Saison – als Zeichen des Friedens, des Glücks und der Hoffnung am Revers ihrer Mäntel und an die leeren (nicht geladenen) Gewehre der Soldaten steckte.

Doch noch mehr als die wiedergewonnene Freiheit des portugiesischen Volkes war es die Unabhängigkeit der portugiesischen Kolonien in Afrika: Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde und São Tomé e Príncipe, die durch die MFA ermöglicht wurde. Das waren die letzten portugiesischen Kolonien und mit dem Ende des portugiesischen, endete auch der europäische Kolonialismus – zumindest in seiner klassischen Form (durch die Besetzung von Gebieten und die vollständige Herrschaft über die Bevölkerung).

Die Unabhängigkeit der Kolonien war daher vielleicht der Hauptgrund, der die Militärs dazu veranlasste, das faschistische Regime zu stürzen, das sie zwang, in drei Kolonien gleichzeitig (Angola, Mosambik, Guinea-Bissau) gegen die jeweiligen Unabhängigkeitsbewegungen zu kämpfen, die bis dahin als „Terroristen“ bezeichnet worden waren… In diesen Jahren war Portugal dabei, diese Kriege zu verlieren, die bereits nahezu die Hälfte des portugiesischen Staatshaushalts beanspruchten. Den Kolonien die Unabhängigkeit zu geben, war also kein Akt des Wohlwollens, sondern eine Anerkennung der Realitäten…

Die Angst bewegte die Menschen in Portugal, selbst in den ersten Tagen, nicht dazu, zu Hause zu bleiben. Stattdessen strömten sie unverzüglich auf die Straßen, um das Ende des Faschismus zu feiern, die Freiheit zu begrüßen, dem Militär ihren Dank auszusprechen und für zusätzliche Freiheiten zu kämpfen. Angesichts der Sorge, ihr Eigentum unter einem neuen sozialistischen Regime zu verlieren, flohen zahlreiche Geschäftsleute aus dem Land und ließen ihre Unternehmen oder Besitztümer zurück.

Als Reaktion darauf begannen die Menschen damit, Fabriken und Bauernhöfe zu besetzen und unter Selbstverwaltung zu stellen, um ihr Überleben zu sichern. Die Gewerkschaften, die nun endlich frei waren, forderten bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Lehrer genossen eine bis dahin unerreichte Freiheit und Kreativität. Alle diese Volksbewegungen bildeten zusammen die „Nelkenrevolution“, die vom 25. April 1974 bis zum 25. November 1975 dauerte, als ein gemäßigt konservativer Militärputsch die am weitesten links stehenden Vertreter der Bewegung der MFA-Streitkräfte vertrieb, und Portugal den Weg ebnete, um sich dem kapitalistischen Weg der meisten westeuropäischen Länder anzuschließen…

Die „Nelkenrevolution“ war also eine ‚romantische‘ Epoche, in der neue Ideen umgesetzt und Utopien verwirklicht wurden, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, und das in allen Bereichen: der Selbstverwaltung der Wirtschaft und des Bildungswesens, der Emanzipation der Frauen, in einer enormen Kreativität in der Kultur, einer völlige Presse- und Medienfreiheit (viel umfassender als heute), einer starken, internationalen Solidarität u.a.m. Die „Nelkenrevolution“ war eine der größten und erfolgreichsten Revolutionen der Geschichte. Und – „Gold auf Blau“[2] – es war eine Revolution, friedlich und praktisch ohne Tote, was auch erklärt, weshalb sie von Revolutionärinnen und Revolutionären in anderen Ländern bewundert wurde!

Wir werden diese Erfahrungen nie vergessen und obwohl es sich um eine – nach anderthalb Jahren – gescheiterte Revolution handelt, wurden viele ihrer Errungenschaften bewahrt, insbesondere in den Bereichen politische Demokratie und persönliche Freiheiten. Aber der Kampf für echte soziale Gerechtigkeit und gleiche Rechte für alle Portugiesinnen und Portugiesen muss weitergehen – immer inspiriert von der „Nelkenrevolution“!

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Walter L. Buder vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Grândola, Vila Morena“ – ist ein populäres Solidaritätslied, vom portugiesischen Liedermacher José Afonso zu Ehren der Stadt Grândola im portugiesischen Alentejo 1964 geschrieben wurde. Das Lied wurde von der MFA (Bewegung der Streitkräfte) als letztes „grünes Licht“ für den Staatsstreich vom 25. April ausgewählt. Es wurde an diesem Tag um 0.20 Uhr über Rádio Renascença gesendet und die „Nelkenrevolution“ brach los. Seitdem ist das Lied für alle Portugiesen zur Hymne der Revolution geworden!

Grândola, vila morena

Grândola, brünetter Ort
Stadt der Brüderlichkeit
Das Volk hat hier das Sagen
In deinen Mauern, oh Stadt

In deinen Mauern, oh Stadt
Das Volk hat hier das Sagen
Stadt der Brüderlichkeit
Grândola, brünetter Ort

An jeder Ecke ein Freund
In jedem Gesicht Gleichheit
Grândola, brünetter Ort
Stadt der Brüderlichkeit

Stadt der Brüderlichkeit
Grândola, brünetter Ort
In jedem Gesicht Gleichheit
Das Volk hat hier das Sagen

Im Schatten einer Steineiche
Die ihr Alter nicht mehr weiß
Treue habe ich dir geschworen
Grândola, wie du erkoren

Grândola, wie du erkoren
Treue habe ich dir geschworen
Im Schatten einer Steineiche
Die ihr Alter nicht mehr weiß

(Popular Portugal / José Afonso)
Liedtext übersetzt von Vasco Esteves

(Bild von Pressenza)


[1] frz.: Mouvement des Forces armées
[2] Detaillierte Informationen vgl. Wikipedia.
[3] „Ouro em cima do azul“ ist eine portugiesische Redewendung, die wörtlich übersetzt „Gold über Blau“ bedeutet. Diese Metapher bezieht sich auf die portugiesische Flagge, die eine goldene Wappenfigur auf einem blauen Hintergrund zeigt. In einem metaphorischen Sinne wird diese Redewendung oft verwendet, um das Gefühl des Stolzes und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu symbolisieren, insbesondere in Zeiten des Wandels oder der Revolution.