Berlin. (multipolar) Nach Ansicht der Bienenschutz-Stiftung Aurelia und des Vereins Deutsche Umwelthilfe ist das von der vergangenen Bundesregierung vorgesehene Glyphosat-Verbot mit EU-Recht vereinbar. Deutschland könne auch nach der Entscheidung der EU-Kommission, die Zulassung des Unkrautvernichters zu verlängern, „Glyphosat rechtmäßig national per Verordnung verbieten“, so Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe in einer Erklärung vom 6. März. Das von den Grünen geführte Landwirtschaftsministerium vertritt die gegenteilige Auffassung und will das Verbot aus dem Gesetz streichen.
Glyphosat ist der bedeutendste Wirkstoff zur Unkrautvernichtung weltweit. Nach Informationen der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft wird das Herbizid auf 31 Prozent der deutschen Äcker ausgebracht. Die vergangene Bundesregierung hatte ein Glyphosat-Verbot ab dem 1. Januar 2024 in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung verankert und die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag festgehalten: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ Unter den EU-Ländern fand sich im November 2023 keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die fortgesetzte Zulassung des Stoffes. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir stimmte mit Enthaltung, da sich „innerhalb der Bundesregierung keine Einigung herstellen“ lasse. Die EU-Kommission verlängerte die Genehmigung daraufhin um zehn Jahre.
Im Dezember 2023 erklärte das Landwirtschaftsministerium das nationale Glyphosat-Verbot per Eilverordnung für unanwendbar, „solange eine unionsrechtliche Genehmigung“ entgegenstehe. Nach jüngsten Plänen aus dem Landwirschaftsministerium soll das Glyphosat-Verbot nun ganz aus der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung gestrichen werden. Die flächige Ausbringung würde in Zukunft dann nur auf Dauer-Grünland, nicht aber auf Äckern untersagt sein.
Kritiker sehen in Glyphosat nicht nur eine Gefahr für Insekten, sondern vor allem auch für den Menschen. Das Mittel steht im Verdacht, die Darmflora zu beeinträchtigen, entwicklungsneurologische Schäden oder sogar Krebserkrankungen zu verursachen. Die US-Gesundheitsbehörde CDC stellte bei 1885 von 2310 untersuchten Probanden Glyphosat im Urin fest. Die Europäische Chemikalienagentur teilte 2022 mit, dass die Einstufung als karzinogen nicht gerechtfertigt sei. Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) erklärte 2023, dass ihre Bewertung der gesundheitlichen Folgen für Mensch und Umwelt keine kritischen Bereiche an den Tag befördert habe. Der Biochemiker Helmut Burtscher-Schaden wendet ein, die Behörde stütze „ihr Urteil überwiegend auf die von den Glyphosat-Herstellern beauftragten und eingereichten Studien“. Immer wieder steht die EFSA für Verbindungen ihrer Mitglieder mit der Industrie in Kritik. Die Organisation Global 2000 reichte 2023 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien ein. Ihrer Auffassung nach hat der Konzern Bayer im Rahmen der Wiederzulassung von Glyphosat besorgniserregende Studien unterschlagen.
Bei einem nationalen Alleingang befürchtet der Bauernverband hingegen Wettbewerbsnachteile für deutsche Landwirte. Kritiker merken zudem an, dass ein Totalverbot zulasten einer bodenschonenden Anbauweise gehe, da Bodenbearbeitung neben Pestiziden zu den wichtigsten Mitteln der Unkrautbekämpfung gehört. Demgegenüber stellte das Forschungsinstitut für biologischen Landbau fest, dass bei reduzierter Bodenbearbeitung und unter Verzicht auf Unkrautvernichtungsmittel sogar eine Ertragssteigerung von zehn Prozent im langjährigen Mittel möglich sei.
Trotz mehrfacher Nachfrage von Multipolar äußerte sich das Landwirtschaftsministerium nicht dazu, ob die Behörde die juristischen Ausführungen von Aurelia-Stiftung und Deutscher Umwelthilfe zur Kenntnis genommen habe und ob sie bei ihrer Rechtsauffassung bleibe. Ebenso wenig antwortete die Pressestelle darauf, ob eine Beschränkung von Glyphosat auf die Verwendung im Rahmen einer bodenschonenden Anbauweise unionskonform wäre. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam 2017 zu dem Schluss, dass ein nationales Verbot unter bestimmten Voraussetzungen mit EU-Recht vereinbar sei.
Diese Meldung ist eine Übernahme vom Magazin Multipolar.