Der Tarnkappenjet F-35A, der künftig in Deutschland lagernde US-Atomwaffen einsetzen können soll, ist jetzt explizit dafür zertifiziert. In den USA beginnt eine neue Debatte über die „Vorzüge“ von Kernwaffentests.

 

Die deutsche Luftwaffe begrüßt die kürzlich bekannt gewordene Zertifizierung des US-Kampfjets F-35A für den Einsatz der künftig auch in Deutschland lagernden US-Atombomben B61-12. Die Zertifizierung sei „wichtig für unsere Beschaffung“ des F-35A, erklärt die Truppe. Die Bundesregierung hat 35 Exemplare des US-Tarnkappenjets bestellt, um mit ihm gegebenenfalls US-Kernwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe einsetzen zu können. Der Kaufpreis wird auf gut zehn Milliarden Euro geschätzt. Die gegenwärtig modernsten Bomben B61-12 können präzise gesteuert werden, lassen sich auch mit geringerer Sprengwirkung einsetzen und nähren die Illusion, einen begrenzten nuklearen Schlagabtausch führen zu können; damit reduzieren sie Hemmungen gegenüber dem Einsatz von Kernwaffen und erhöhen so die Gefahr eines Atomkriegs. Wann sie die älteren Modelle in Büchel ersetzen sollen, ist nicht bekannt. Die Zertifizierung des F-35A für Atombomben erfolgt zu einer Zeit, zu der in den Vereinigten Staaten eine Debatte über die Wiederaufnahme von Kernwaffentests anläuft. Den Kernwaffenteststoppvertrag aus dem Jahr 1996 hat Washington nie ratifiziert; Moskau hat seine Ratifizierung annulliert.

Der F-35A

Der US-Tarnkappenjet F-35A ist, wie das US-Militärportal Breaking Defense in der vergangenen Woche berichtete, schon am 12. Oktober 2023 für den Einsatz von Kernwaffen zertifiziert worden.[1] Die Zertifizierung gilt ausschließlich für die gegenwärtig modernste US-Atombombe vom Typ B61-12. Damit verfügt der F-35A nicht nur über „duale“, also sowohl konventionelle wie auch nukleare Fähigkeiten; er ist zudem der erste Kampfjet der fünften Generation, der Kernwaffen transportieren und abwerfen kann. Die Bundesregierung hatte im März 2022 im Grundsatz beschlossen, 35 Exemplare des Tarnkappenjets zu kaufen; Hauptgrund war, dass die Tornado-Jets, die aktuell für einen etwaigen Atomwaffeneinsatz im Rahmen der nuklearen Teilhabe bereitgehalten werden, aufgrund ihres Alters spätestens um 2030 aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Als Gesamtkaufpreis für die Kampfjets werden rund zehn Milliarden Euro genannt. Dies hat in der Vergangenheit für Verwunderung gesorgt: Die Schweiz, die 36 Exemplare des F-35 kauft, zahlt dafür laut Berichten lediglich sechs Milliarden Franken. Hinzu kommt, dass der F-35 als pannenanfällig gilt.[2] Allerdings nutzen ihn auch die drei anderen westeuropäischen Staaten (Belgien, die Niederlande und Italien), die im Rahmen der nuklearen Teilhabe über US-Atomwaffen verfügen.

„Einfach zu niedrig geschätzt“

Im Zusammenhang mit den Umbauten am deutschen Kernwaffenstandort Büchel, die für den künftigen Einsatz des F-35A erforderlich sind, hat es zuletzt erheblichen Unmut gegeben. Ursache ist, dass die Kosten für die Baumaßnahmen beträchtlich höher ausfallen als zunächst geplant; mit einer Steigerung gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Summe um fast 650 Millionen Euro auf bis zu 1,2 Milliarden Euro wird gerechnet. Zur Begründung für die starke Zunahme der anfallenden Ausgaben hieß es im Bundesverteidigungsministerium, man müsse ein „enges, ambitioniertes Zeitkorsett“ einhalten, habe zudem „hohe und aufwändige US-Sicherheitsanforderungen“ zu wahren und finde schließlich in Büchel in der Eifel eine sehr „schwierige Topografie“ vor.[3] Nun war all dies allen Beteiligten von vornherein bekannt. Eine andere Erklärung lieferte vor kurzem der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, als er sich mit drei weiteren Luftwaffenoffizieren über den Marschflugkörper Taurus austauschte und nebenbei auf die Kostensteigerung in Büchel zu sprechen kam; das Gespräch wurde von russischen Diensten mitgeschnitten und veröffentlicht. Demnach sei der Preis für die Baumaßnahmen nicht gestiegen, sondern ganz „einfach zu niedrig geschätzt“ worden – um immerhin 50 Prozent.[4]

„Taktische Schlachtfeldwaffe“

Die ersten Maschinen des Typs F-35A sollen Berichten zufolge ab 2026 an die Bundeswehr ausgeliefert werden.[5] Dabei bleiben sie, heißt es, zunächst in den Vereinigten Staaten; dort sollen die deutschen Piloten an ihnen ausgebildet werden. Ab wann sie in Büchel stationiert sein werden, ist ebenso ungewiss wie die Frage, wann die neuen Atombomben des Typs B61-12 dort eintreffen. Im Oktober 2022 berichtete das Springer-Portal Politico, dies solle noch vor Ende 2022 geschehen (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Offiziell bestätigt wurde dies nie; bis heute liegen keine näheren Hinweise zu der Maßnahme vor. Spekulieren ließe sich, dass die neuen B61-12 annähernd gleichzeitig mit den F-35A in Büchel eintreffen, die für sie zertifiziert sind. Die Frage ist auch deshalb von einiger Bedeutung, weil die B61-12 erheblich anders eingesetzt werden können als die bislang in Büchel gelagerten Bomben. So können sie per Satellitennavigation gelenkt werden, gelten deshalb als deutlich präziser und können darüber hinaus gezielt Bunker brechen. Auch sind sie mit unterschiedlicher Sprengwirkung einsetzbar. Prinzipiell könnten sie Experten zufolge auch in taktischer Weise als „Schlachtfeldwaffe“ genutzt werden.[7] Das senkt die Hemmschwelle gegenüber einem Kernwaffeneinsatz und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs.

Die neue Kernwaffentestdebatte

Die Bestätigung der Zertifizierung des F-35A für die künftig auch in Büchel eingelagerten US-Atombomben des Typs B61-12 erfolgt zu einer Zeit, zu der in den Vereinigten Staaten eine Debatte über die Wiederaufnahme von Kernwaffentests beginnt. In Fachkreisen, die sich mit Fragen der nationalen Sicherheit befassten, werde neuerdings über angebliche „Vorzüge“ unterirdischer oder sogar oberirdischer Nukleartests diskutiert, heißt es in der aktuellen Ausgabe der renommierten US-Fachpublikation Bulletin of the Atomic Scientists.[8] Stritten Regierungsmitarbeiter aller drei großen Atommächte offiziell auch ab, Tests zu planen, so gebe es Hinweise, die auf das Gegenteil hindeuteten. So würden zur Zeit Baumaßnahmen auf den großen Nukleartestgeländen in Russland und China, aber auch in den USA registriert.[9] Die Vereinigten Staaten dürften zumindest unterirdische Tests durchführen: Sie haben den Kernwaffenteststoppvertrag aus dem Jahr 1996, der nicht nur oberirdische, sondern auch unterirdische Atomtests verbietet, niemals ratifiziert. Russland wiederum hat im November, um gegebenenfalls mit eigenen Tests antworten zu können, seine Ratifizierung des Vertrages zurückgezogen. Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, falls die USA einen Atomwaffentest durchführen sollten, behalte Russland es sich vor, es ihnen gleichzutun.

 

[1] Michael Marrow: Exclusive: F-35A officially certified to carry nuclear bomb. breakingdefense.com 08.03.2024.

[2] S. dazu Festtage für die Rüstungsindustrie (II).

[3] Max Biederbeck: Kostenexplosion beim F35-Bomber. wiwo.de 15.02.2024.

[4] Audiodatei und Transkript beispielsweise hier: Taurus-Leak – Russland veröffentlicht abgehörtes Telefongespräch. russland.news 03.03.2024. S. dazu Das Kriegskriterium.

[5] Frank Specht: Kampfjet F-35 als Atomwaffenträger zertifiziert. handelsblatt.com 13.03.2024.

[6] S. dazu Zum Erstschlag bereit.

[7] S. dazu Das Atomkriegsszenario.

[8] Walter Pincus: The horrors of nuclear weapons testing. thebulletin.org 07.03.2024.

[9] François Diaz-Maurin: Introduction: Nuclear testing in the 21st century – legacies, tensions, and risks. thebulletin.org 07.03.2024.

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