Nachdem Niger die Stationierungserlaubnis für die US-Drohnenbasis in Niger widerrufen hat, steht auch das deutsche Luftdrehkreuz am Flughafen von Niamey in Frage. Der Westen hat den Sahel komplett verloren.
Der letzte Einsatz der Bundeswehr im Sahel steht vor dem Aus, nachdem Niger seine Genehmigung für die Stationierung von US-Truppen auf seinem Territorium offiziell widerrufen hat. Der Schritt erfolgte am Samstag nach Auseinandersetzungen mit einer hochrangigen US-Delegation, die nach Niamey gereist war, um den Pachtvertrag für die US-Drohnenbasis bei Agadez zu verlängern. Die Drohnenbasis ist die größte in der Region und einer der wichtigsten US-Stützpunkte auf dem afrikanischen Kontinent. Die Regierung in Niamey kappt ihre Beziehungen zu den US-Streitkräften, nachdem sie zuvor die Streitkräfte Frankreichs und anschließend diejenigen der EU aus dem Land geworfen hat. Stattdessen nimmt sie eine militärische Kooperation mit Russland auf. Die Bundeswehr, die ihre Präsenz in Niger im EU-Rahmen aufgeben musste, unterhält am Flughafen in Niamey ein bilateral vereinbartes Luftdrehkreuz, das sie Berichten zufolge nach Möglichkeit aufrechterhalten will. Dass dies möglich ist, wenn die USA sich gänzlich aus Niger zurückziehen müssen, zugleich aber russische Truppen in dem Land eine neue Präsenz entwickeln, gilt als schwer vorstellbar.
US-Delegation in Niamey
Der Kündigung des Truppenstationierungsabkommens mit den Vereinigten Staaten durch Nigers Regierung war ein mehrtägiger Besuch einer hochrangigen US-Delegation in Niamey vorausgegangen. Er war aus Sicht Washingtons in doppelter Hinsicht unumgänglich. Zum einen läuft laut Berichten noch in diesem Jahr der Pachtvertrag für die US-Drohnenbasis bei Agadez im Norden des Landes aus; er muss verlängert werden.[1] Zum anderen hat Nigers Regierung eine militärische Zusammenarbeit mit Russland in die Wege geleitet, die in Zukunft auch eine Präsenz russischer Truppen in dem Land vorsieht. Ziel der US-Delegation um die Afrika-Beauftragte im US-Außenministerium, Molly Phee, der auch die Pentagon-Staatssekretärin Celeste Wallander sowie der Kommandeur des in Stuttgart ansässigen U.S. Africa Command, Michael Langley, angehörten, war es, nicht nur den Fortbestand der Drohnenbasis in Agadez zu sichern, sondern darüber hinaus gegen die nigrisch-russische Militärkooperation einzuschreiten. Die US-Mindestbedingung war, so berichtete ein Berater der nigrischen Regierung es der Pariser Abendzeitung Le Monde, dass russische Soldaten in Niger „nicht am selben Ort, auf demselben Terrain“ stationiert würden wie die rund 1.100 dort operierenden US-Soldaten.[2]
„Herablassend behandelt, mit Repressalien gedroht“
Die US-Delegation hat in Niamey in mehrfacher Hinsicht Widerstand hervorgerufen. Zum einen habe sie diplomatische Gepflogenheiten missachtet, die zwischen souveränen Staaten üblich seien, berichtete anschließend Regierungssprecher Oberst Amadou Abdramane. So habe Washington den Besuch der Delegation wie auch deren Zusammensetzung „einseitig“ angekündigt, anstatt beides mit Niamey abzustimmen. Termine seien ohne Absprache an die Medien durchgestochen worden; Phee habe ihre Gesprächspartner „herablassend“ behandelt und mit Repressalien gedroht.[3] Damit habe sie die bilateralen Beziehungen untergraben. Zum anderen hätten die US-Forderungen, so berichtete Le Monde unter Bezug auf nigrische Insider, den Willen erkennen lassen, „der souveränen nigrischen Bevölkerung das Recht abzusprechen, ihre Partner zu wählen“. Man habe der US-Delegation klargemacht, dass es sinnlos sei, nach Niamey zu reisen, „um uns Befehle zu erteilen“, wurden die Insider zitiert: „Die Bedingungen für ausländische Präsenz auf unserem Boden bestimmen wir!“[4] Die Delegation wurde letztlich von Ministerpräsident Ali Mahamane Lamine Zeine empfangen, nicht jedoch von Übergangspräsident Abdourahamane Tiani; trotz spontaner Verlängerung ihres Aufenthalts in Niamey um rund 24 Stunden musste sie schließlich am Donnerstag unverrichteter Dinge abreisen.
„Einseitig auferlegt“
Zwei Tage später, am Samstag, teilte Regierungssprecher Abdramane per Fernsehansprache mit, Nigers Regierung habe soeben entschieden, „das Abkommen mit den Vereinigten Staaten über die Stationierung von Militärpersonal und von zivilen Angestellten des US-Verteidigungsministeriums auf Nigers Territorium mit sofortiger Wirkung aufzukündigen“.[5] Die dazu erforderliche „diplomatische Korrespondenz“ mit Washington werde auf den Weg gebracht. Das Stationierungsabkommen vom 6. Juli 2012 sei Niger ohnehin von den USA „einseitig auferlegt“ worden; es habe damit „alle Regeln der Verfassung und der Demokratie verletzt“, sei also „illegal“ gewesen. Tatsächlich wirft das Stationierungsabkommen Fragen auf. Die Version, die auf der Website des State Department abrufbar ist, besteht zunächst aus einer formlos gehaltenen „diplomatischen Note“ der US-Botschaft in Niger vom 6. Juli 2012, in der die Botschaft „Vorschläge“ für Sonderrechte für US-Militärs in Niger wie auch allerlei Zugeständnisse der nigrischen Regierung an sie formuliert. Es folgt ein Schreiben des nigrischen Außenministeriums vom 28. Januar 2013, in dem dieses ein – nicht online einsehbares – Schreiben vom 23. Januar förmlich widerruft und die „diplomatische Note“ der US-Botschaft in vollem Umfang akzeptiert. Welche Einwände Niamey am 23. Januar 2013 vorgebracht hatte und wie es innerhalb von nur fünf Tagen zum Nachgeben gebracht wurde, geht aus den Dokumenten nicht hervor.
Abzug des Westens
Mit der Kündigung des Truppenstationierungsabkommens, gegen die sich die Vereinigten Staaten freilich noch zur Wehr zu setzen suchen, nähert sich die westliche Militärpräsenz im Sahel insgesamt dem Ende. Nach dem Putsch in Niger vom 26. Juli 2023 hatten die nun dort herrschenden Offiziere zunächst die Streitkräfte Frankreichs aus dem Land geworfen und dann auch ihre Zustimmung zu dem EU-Militäreinsatz EUMPM und zum EU-Polizeieinsatz EUCAP Sahel Niger zurückgezogen. Nachdem es zu Jahresbeginn noch heftigen Streit um die abziehenden Polizisten von EUCAP Sahel Niger gegeben hatte – Niamey warf ihnen vor, Waffen ohne die notwendige Genehmigung transportiert zu haben –, konnte am Sonntag die deutsche Einsatzleiterin das Land verlassen.[6] Müssen nun auch noch die Vereinigten Staaten ihre Drohnenbasis in Agadez schließen, dann wäre von der bis vor gut acht Monaten recht starken westlichen Militärpräsenz in Niger kaum etwas übrig. Schon zuvor hatten die Streitkräfte Frankreichs und der EU aus Mali sowie aus Burkina Faso abziehen müssen. In allen drei Sahelländern treten mittlerweile russische Militärs, darunter reguläre Soldaten wie auch Söldner, an ihre Stelle (german-foreign-policy.com berichtete [7]).
Vor dem Scheitern
Zugleich neigt sich mit dem gewaltlos kaum noch zu vermeidenden US-Abzug eine Ära dem Ende zu, in der sich die Bundesrepublik militärisch im nordwestlichen Afrika festzusetzen versucht hatte. Schwerpunkt war ab Anfang 2013 zunächst Mali gewesen. Berlin hatte die dortige Präsenz der Bundeswehr dann sukzessive um das Luftdrehkreuz in Niamey sowie um weitere Maßnahmen in Niger ergänzt (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Bis auf das Luftdrehkreuz mussten alle inzwischen abgewickelt werden. Dieses aber sucht sich Berlin nach Möglichkeit zu sichern. „Logistisch spräche durchaus einiges dafür, das Luftdrehkreuz in Niger länger in Betrieb zu halten“, wurden Ende Februar „hochrangige Diplomatenkreise“ zitiert; man solle versuchen, Chancen „einer pragmatischen, eingeschränkten Kooperation auszuloten“.[9] Eine vollkommen isolierte deutsche Militärpräsenz am Flughafen in Niamey nach dem sich jetzt deutlich abzeichnenden Abzug der US-Truppen ist freilich nur schwer vorstellbar. Damit steht das letzte Element der einst ehrgeizigen deutschen Militärpräsenz im Sahel vor dem Scheitern.
[1] Nick Turse: The U.S. is building a drone base in Niger that will cost more than $280 million by 2024. theintercept.com 21.08.2018.
[2] Morgane Le Cam: Au Niger, la junte sourde aux pressions américaines. lemonde.fr 15.03.2024.
[3] Anna Sylvestre-Treiner: Le Niger exige le départ des soldats américains. lemonde.fr 18.03.2024.
[4] Morgane Le Cam: Au Niger, la junte sourde aux pressions américaines. lemonde.fr 15.03.2024.
[5] Anna Sylvestre-Treiner: Le Niger exige le départ des soldats américains. lemonde.fr 18.03.2024.
[6] EU-Missionsleiterin nach wochenlangem Streit aus Niger ausgereist. web.de 18.03.2024.
[7] Le Niger annonce l’intensification de sa cooperation militaire avec la Russie. rfi.fr 18.01.2024. S. auch Auf dem Weg zur Eigenständigkeit (III).
[8] S. dazu Die letzte Bastion im Kriegsgebiet (II).
[9] Bundeswehr will Drehkreuz erhalten. focus.de 22.02.2024.