Das EU-Parlament entscheidet am 7. Februar 2024 über die uneingeschränkte Zulassung der Neuen Gentechniken (NGT). Doch was bedeutet das für uns Menschen und unsere Umwelt? Karl Heinz Jobst vom Öko & Fair Umweltzentrum Gauting erläutert einige wichtige Hintergründe und auch weniger bekannte Details.

Sind wir schlauer als die Evolution?

Jennifer A. Doudna hat zusammen mit Emmanuelle Charpentier den Nobelpreis 2020 für Chemie für die Entwicklung der Genschere (Crispr) erhalten. Doudna schreibt 2019 in ihrem Buch „Eingriff in die Evolution“:

„Die Zeiten, in denen das Leben ausschließlich durch die schwerfälligen Kräfte der Evolution geprägt wurde, sind vorüber. Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, in dem wir die Herren über die genetische Ausstattung allen Lebens und all ihrer vielfältigen, lebenssprühenden Folgen sind. Schon jetzt ersetzen wir das taube, dumme, blinde System, das über die Erdzeitalter hinweg das genetische Mateial geformt hat, durch ein System der bewussten, absichtsvollen, von Menschen gelenkten Evolution.“

Merken Sie sich diese Worte gut! Sie werden uns allen noch auf die Füße fallen.

Diese Worte strotzen nur so von Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. Das ist Hybris in der schlimmsten Form. Doudna lässt vollkommen den Respekt vor der genialen Schöpfung vermissen, die so viel umfassender in ihrer Gesamtheit ist, als sich das ein einfaches Menschengehirn jemals ausdenken könnte. Hier will ein Mensch, ein nobelbepreister Fachidiot in erschreckender Weise Gott spielen.

Aber bei aller Euphorie sieht selbst Jennifer Doudna auch neue Gefahren auf die Menschheit zukommen:

„Die Wissenschaftler besitzen jetzt ein Werkzeug, um die eigene Spezies nach persönlichen Vorlieben neu zu gestalten. Heute wissen wir, die Optimierung des Menschen ist bereits im Gange“.

Die Genschere kann außerdem ganze biologische Arten durch eine genetische Kettenreaktion auslöschen. Ihre Entdeckung bereitet sogar der Forscherin schlaflose Nächte. Denn sie weiß:

„Das könnte gefährlicher werden als alle bisherigen Eingriffe des Menschen in die Natur. Ein Vergleich mit der Entwicklung der Atombombe drängt sich zwar spontan auf, ist aber eher eine leichtsinnige Unterschätzung der Gentechnikgefahren.“

Eben diese Neuen Gentechniken (NGT) sollen jetzt auf Druck der Bio-Chemie-Lobby (Bayer/Monsanto, BASF) laut einer Vorlage der EU-Kommission gründlich dereguliert werden. Begründung: Die NGT ist keine Gentechnik, weil sie nicht von herkömmlicher Züchtung zu unterscheiden ist. Nichts als ein Marketing-Gag, um die Gelddruckmaschine jetzt auch in Europa zu starten. Das Gegenteil ist bewiesen und der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass auch die NGT als Gentechnik zu behandeln sei. Die EU-Kommission will sich dreist darüber hinwegsetzen.

Was heißt Deregulierung?

Keine Risikoprüfungen, keine Zulassungsverfahren, keine Kennzeichnungen auf Lebens- und Futtermittel mehr. Das europäische Vorsorgeprinzip würde dadurch ausgehebelt. Die Unschädlichkeit muss dann von der Industrie nicht mehr bewiesen werden, sondern die Schädlichkeit muss dann von Betroffenen und Geschädigten bewiesen werden. (Schwierige Umkehr der Beweislast).

Um die Gefahren zu erkennen, bedarf es nicht Nobelpreisträger zu sein. Der gesunde Menschenverstand und unabhängige Wissenschaftler*innen genügen vollkommen. Das Bündnis gegen Agro-Gentechnik fordert deswegen ultimativ die europäische Gesetzgebung dazu auf, das Vorsorgeprinzip für Gentechnik jeder Art uneingeschränkt aufrecht zu erhalten und die geplante Deregulierung im Zulassungsverfahren von gentechnisch veränderten Produkten zu unterlassen.

Im Weg steht dabei nicht nur der Europabgeordnete Manfred Weber (CSU), der als bayerischer Vertreter im EU-Parlament gegen Bayerische Gesetze (siehe unten) agiert, sondern auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und die Führungsriege der Bundes-Grünen. Letztere widersetzen sich damit ihrem eigenen Grundsatzprogramm und dem Koalitionsvertrag. Allerdings gibt es in fast allen politischen Parteien mittlerweile Befürworter*innen der NGT. Wer will sich nicht als fortschrittlich zu erkennen geben?

Ein regionaler Erfolg

Der Kreistag des Landkreises Starnberg hat 2023 einen erneuten Beschluss zur Agro-Gentechnikfreiheit im Landkreis gefasst. Der Beschluss von 2009 wurde um die „Neuen Gentechniken“ (CRISPR-Cas9) erweitert. Weitere Landkreise sind dem Beispiel gefolgt.

Die Politiker glauben alles, was ihnen ihre Wahlkampfspender einflüstern

Leider gibt es viele Politiker in allen Parteien, die in ihrer Fortschritts- und Wissenschaftsgläubigkeit die NGT als Allheilmittel gegen Klimakatastrophe und Welthunger sehen, weil sie den Versprechen der Industrie blind glauben. Versprechen, die sich bereits über Jahrzehnte als Lüge herausgestellt haben. Agro-Gentechnik in Verbindung mit giftigen Chemikalien hinterlässt überall verbrannte Erde im wahrsten Sinn des Wortes, Hunger, Vertreibung, Krankheit und Abhängigkeit. Der sogenannte Fortschritt soll also die Schäden beseitigen, die durch Fortschritt entstanden sind. Absurd!

Agro-Gentechnik verletzt Menschenrechte

Erst im Herbst 2023 wurde Brasilien vor dem UN-Ausschuss für Menschenrechte in Genf erneut mit einem Parallelbericht verklagt, weil es durch den Einsatz von Agro-Gentechnik in Verbindung mit steigendem Pestizideinsatz in der brasilianischen Landwirtschaft massiv Menschenrechte verletzt. Auch Deutschland und die EU tragen mit den Importen von Gen-Soja, Gen-Mais, Gen-Zucker, Gen-Treibstoff und vielem mehr zu Menschenrechtsverletzungen in Brasilien bei. Dazu gehört auch, dass in der EU längst verbotene Pestizide erneut für den Export freigegeben wurden. Ein Riesenskandal!

Bayern ist per Gesetz bereits vor Agro-Gentechnik geschützt

Ein Ergebnis des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ war ein überarbeitetes Bayerisches Naturschutzgesetz. Darin steht:

Art. 11b Gentechnikanbauverbot:
Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist in Bayern verboten.

Offenbar kennen die bayerischen Politiker*innen ihre eigenen Gesetze nicht, oder sie ignorieren sie und wollen sie bewusst brechen. Beides ist völlig inakzeptabel.

Die Landtagswahl ist vorbei, aber die Probleme bleiben

Der Verein „Zivilcourage gegen Agrogentechnik im Landkreis Starnberg e.V.“ hat Wahlprüfsteine zur Landtagswahl verschickt. Die bayerischen Grünen haben sich für nicht zuständig erklärt und die Verantwortung auf Berlin und Brüssel geschoben. Lediglich die CSU hat darauf detailliert geantwortet. Allerdings zeigen die wachsweichen Antworten eine deutliche Priorisierung der wirtschaftlichen Interessen Bayerns. Aber lesen Sie das Antwortschreiben der CSU und die Wahlprüsteine für die Grünen selbst.

Das letzte Mittel gegen Gentechnik-Willkür

Wenn das EU-Palament am 7.2. für den Deregulierungsvorschlag der EU-Kommission stimmt, wird unmittelbar darauf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht. Es geht um nicht weniger als um den Erhalt der Schöpfung. Dafür lohnt es sich allemal zu kämpfen und zu investieren.

Klagen kostet Geld. Die Interessensgemeinschaft gentechnikfreie Lebensmittel und Landwirtschaft e.V. ruft deshalb gemeinsam mit der Aktion GEN-Klage dazu auf, für die bereits laufende juristische Vorbereitung der Klage zu spenden.

Spendenkonto:
Interessensgemeinschaft gentechnikfreie Lebensmittel und Landwirtschaft e.V.
Verwendungszweck: GVO-Deregulierung stoppen
IBAN: DE64 7025 0150 0027 4597 91
BIC: BYLADEMIKMS

Hinweise der Redaktion:

Der Bioverband Demeter e.V. bietet auf seiner Webseite die Möglichkeit, alle EU-Abgeordneten mit einer vorgefertigten Nachricht aufzufordern, die Deregulierung der Neuen Gentechnik abzulehnen. Es haben bereits über 117.000 Menschen unterzeichnet, vier Tage Zeit verbleiben noch:

Aktion „Nein zur Deregulierung der Neuen Gentechniken“

Die Aktion ist auf der Webseite des Corporate Europe Observatory für alle europäischen Länder verfügbar. Durch Anklicken des jeweiligen Landes werden automatisch die zuständigen EU-Abgeordneten als Empfänger eingefügt:

Aktion „Take action! New GMOs need to stay checked for safety and labelled“

Dieser Artikel von Karl Heinz Jobst darf und soll gerne weiter verbreitet und veröffentlicht werden.