Palästina-Israel: von einer Geschichte zu mehr als einer Geschichte, vom ‚wir gegen sie’ zu Zusammengehörigkeit, vom Kreislauf der Gewalt zur Gewaltfreiheit…. hin zu einer kollektiven Befreiung.
Es gibt keinen Weg zum Frieden
Frieden ist der Weg
Ich habe Rana Salman und Eszter Koranyi interviewt, die beiden neuen Co-Direktoren von Combatants for Peace.
Dem/der „Anderen“ durch seine/ihre persönliche Geschichte begegnen und die Perspektive durch die kollektive Erzählung der Anderen verschieben.
Eine der Hauptaktivitäten von Combatants for Peace ist es, Menschen der sogenannten zwei Seiten, Israelis und Palästinenser, zusammenzubringen. Sie können sich begegnen, indem sie sich die Geschichten der anderen anhören und gemeinsam an einer Zukunft in Gerechtigkeit und Frieden arbeiten. Die Begegnung mit „dem Anderen“ ist aufgrund der Fakten vor Ort (die Checkpoints, die Mauer …) und aufgrund der mediengesteuerten Erzählungen, die die Spaltung aufrechterhalten, nicht so selbstverständlich.
Sowohl Rana als auch Eszter hatten die Gelegenheit, „den Anderen und die Erzählung der Anderen“ im Ausland kennenzulernen.
Eszter erzählt im Interview, dass sie die palästinensische Geschichte in Neapel kennengelernt hat, weil ihre Mitbewohnerin an der Universität „L’Orientale“ studiert und sich für die palästinensische Sache engagiert. Die Tatsache, dass Eszter in eine multikulturelle Erfahrung eintauchte, machte sie offener für eine andere Perspektive. Da ihre Familie aus Ungarn stammt und den Holocaust überlebt hat, war Israel in den Erzählungen, die sie gehört hatte, immer „der sichere Ort“, an den man gehen konnte, „falls es wieder passieren sollte“, und die Besatzung war eine Besetzung von Gebieten, nicht von Menschen. Was sie in Neapel entdeckte, war schwer zu verarbeiten und es dauerte Jahre, bis sie „wirklich das ganze Bild sah“.
Rana traf einen Israeli im Rahmen eines Programms des Outward Bound Center Peacebuilding and Search for Common Ground, einer Expedition in die Wildnis, bei der sich ihre Denkweise änderte: von einer Denkweise „wir gegen sie“ zu einer Denkweise „gemeinsam auf einer schwierigen Reise“. Sie war in der Lage, einem Israeli, der den Weg anführte, blindlings zu folgen. Es ging darum, Vertrauen aufzubauen und ihren Geist zu öffnen.
Als Frauen in einem Land, das in einem Kreislauf der Gewalt gefangen ist, und als Teil einer gewaltfreien Bewegung.
Rana und Eszter erzählen, dass Combatants for Peace eher männlich dominiert war, weil die Organisation von ehemaligen Kämpfern, hauptsächlich Männern, gegründet wurde. Im Laufe der Jahre hat sich das innerhalb der Organisation geändert und sie hat sich für mehr Frauen und auch für Menschen geöffnet, die nicht an gewalttätigen Aktionen beteiligt waren. Heute sind zwei Frauen, Rana und Eszter, die beiden Co-Direktorinnen. „Mir wurde klar, dass ich meine Stimme erheben musste, auch wenn ich die Einzige war, auch wenn ich in meiner eigenen Gesellschaft eine Minderheit war, auch wenn es keine Gleichstellung der Geschlechter gab“ (Rana). Frauen können die Dinge auf unterschiedliche Weise angehen und zur Versöhnung aufrufen, wobei die Gefühle aller berücksichtigt werden. Untersuchungen zeigen, dass der Frieden nachhaltiger ist und länger anhält, wenn Frauen in den Friedensprozess einbezogen werden.
Gewalt ist nicht die einzige Option. Auch jetzt ist es möglich, zu hoffen und sich für Gewaltfreiheit zu entscheiden.
Ich habe Eszter und Rana gebeten, sich ein Gespräch mit jemandem vorzustellen, der in Angst und Wut ist und nicht an Gewaltfreiheit glauben kann.
Eszter erzählte von einem realen Gespräch, das sich in ihrem Leben mit einem der Männer ereignet hat, die mit ihr den Reiseleiterkurs besucht haben. Sie sprachen über „Sicherheit“ und gingen dabei von sehr unterschiedlichen Vorstellungen aus. Nach vielen einseitigen Gesprächen führten sie schließlich einen echten Dialog, und am Ende sagte der Mann etwa Folgendes: „Der einzige große Unterschied, den ich jetzt zwischen dir und mir sehe, ist, dass du optimistisch bist, und ich wünschte, ich hätte deinen Optimismus, um daran zu glauben, dass es auch ohne Gewaltanwendung geht.“
Rana betonte, dass dieser Wandel von Angst und Wut zu Vertrauen und Offenheit ein persönlicher Prozess ist, den jeder Mensch durchlaufen muss.
Beide betonten die Macht der kleinen Schritte im Alltag, im Raum für Begegnungen und Austausch und in der Entscheidung für Gewaltfreiheit für kollektive Befreiung, Gerechtigkeit und Frieden.
Ilaria Olimpico
Übersetzung von Heike Pich vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!
Gesamtes Interview (Englisch):