Die GDL hat eine Schwerpunktforderung: Einstieg in die 35 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich für Schichtarbeiter. Was daran ist schlimm oder falsch???

Von Peter Vlatten

Vor 40 Jahren (1984) haben wir IG Metaller:innen die gleiche Forderung mit Streiks durchgesetzt. Da gab es viele Solidaritätsadressen für uns von der IG Metall von den anderen Gewerkschaften, aus der gesamten Gesellschaft und den politischen Parteien links von der Mitte. Da gehörten auch Lokomotivführer dazu. Sie zeigten ihre Unterstützung und waren präsent, wie auch jüngst bei den Streiks des Berliner Klinikpersonals (siehe Titelfoto gemeinsam mit Ver.di und IG Metall Kollegen). Ich erinnere mich an beides noch persönlich daran.

Sicher wäre es schöner, wenn die GDL zum DGB gehören und Seite an Seite mit der EVG gemeinsam die Interessen der Bahnkolleg:innen durchsetzen würde. Es wäre noch schöner, wenn sich umgekehrt die EVG gemeinsam mit der GDL weitergehende Ziele im Interesse aller Kolleg:innen stecken und den Streik konsequenter als erfolgversprechendstes Kampfmittel in den Mittelpunkt der Tarifrunden rücken würde.

Inhaltlich hat die GDL recht. Was Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Bahnverkehr betrifft, besteht riesiger Nachholbedarf. Die GDL setzt hier neue Zielmarken. Warum sollen Lokomotivführer länger arbeiten, familienunfreundliche Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen und unter der gegenwärtigen Inflation draufzahlen? Warum kann der Vorstand der Deutschen Bahn, der sich selbst Millionen Euro Boni zuschiebt, nicht mindestens das anbieten, was die GDL bereits mit 18 anderen privaten kleineren Bahnunternehmen ausgehandelt hat?

Der gegenwärtige Arbeitskampf zeigt eins: es wird den Beschäftigten nichts geschenkt. Am Verhandlungstisch bewegt sich gar nichts, wenn nicht der Kapitalseite richtig weh getan wird. Das allein, zusammen mit der Stellung in der Produktion und dem Organisationsgrad, bestimmt die Durchsetzungsfähigkeit einer Gewerkschaft.

Die selbstdarstellerischen Kapriolen des GDL Vorsitzenden Claus Weselsky sind da völlig unerheblich. Der Aufschrei seitens Mainstreampresse und Politprominenz über die Auswirkungen des Streiks zeigen, dass die GDL auf dem richtigeren Weg ist. Die auf den Fuss folgenden Vorschläge, Streikrecht und gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen weiter einschränken zu wollen, müssen von ALLEN Gewerkschaften unisono -ohne gekränkte Eitelkeiten- in voller Schärfe zurückgewiesen werden. Was die GDL aktuell tut, schadet keiner einzigen Kollegin oder keinem einzigen Kollegen ausserhalb der Lokomotivführersparte. Im Gegenteil, sie setzt positive Beispiele im Interesse aller Kolleg:innen. Zu kritisieren wäre aus unserer Sicht allein, dass auch die GDL bezüglich der Lohnabschlüsse noch zu kompromissbereit ist.

Der Bahnbeauftragte der Ampel aus dem Verkehrsministerium Theurer warnt vor negativen Folgen für die Verkehrswende!

“Das ist ein Spiel mit dem Feuer” droht der Bahnbeauftragte Theurer. Bahnkunden würden durch die Streiks abgeschreckt und dem öffentlichen Verkehr den Rücken kehren und sich wieder dem Auto zuwenden.[1]

Tatsächlich ist es genau umgekehrt. Der Streik der Lokomotivführer nützt der Verkehrswende! Auch dazu braucht es unsere Solidarität!

Denn der marode Zustand der Bahn geht nicht zuletzt darauf zurück, dass es einen hohen Personalmangel und aufgrund der Arbeitsbedingungen hohe Krankenstände gibt. Für Ausbau und einen funktionierenden Betrieb von Bahn und öffentlichen Nahverkehr werden dringend Fach- und Arbeitskräfte benötigt. Die kommen aber nur – ähnlich wie im Gesundheitsbereich -, wenn die Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten attraktiv sind und das Lohn- und Gehaltsniveau mit dem in anderen Branchen Schritt halten kann.

Verkehrswende geht nur, wenn es einen spürbaren Transfer von Arbeitsplätzen aus den Bereichen des Individualverkehrs zum öffentlichen Verkehr hin gibt. Unsere Kolleg:innen aus dem Automobilbereich werden aber den Teufel tun, die Branche zu wechseln, wenn sie dann nur noch miese Verhältnisse vorfinden. Die GDL pflügt dazu gerade den Acker. Fortschritte in einer ökologischen Transformation sind nur möglich, wenn unsere DGB Gewerkschaften lernen, mehr branchenübergreifend zu denken und zu handeln. Dazu gehört auch die Integration kampfstarker Spartengewerkschaften. Statt diese Kolleg:innen mit Schlüsselstellungen in der kapitalistischen Produktion einzuebnen, müssen sie in den traditionellen Gewerkschaften ausreichend Berücksichtigung finden und ihre Kampfkraft gezielt für ALLE Kolleg:innen genutzt werden. Allein so geht Stärkung der Einheitsgewerkschaften. Und eben auch sozialverträglicher Öko-Transfer! Die gewerkschaftlichen Großorganisationen müssen lernen, was wir Beschäftigte an der Basis schon lange bei Warnstreiks tun. Wenn die Kolleg:innen an den Schaltstellen der Produktion die Arbeit einstellen, kommt der ganze Laden zum Erliegen. Und es tun sich – was die Angebote der Kapitalseite betrifft- zuweilen wahre Wunder auf.

Und die Bahnkunden? Sie haben allen Grund zu bleiben, wenn die Bahn mit mehr und zufriedenen Mitarbeitern pünktlicher und regelmäßiger fährt.

Selbst unter Abzug der eigenfinanzierten Arbeitszeitabsenkung sind die vom DB Vorstand angebotenen elf Prozent weniger als 3,5 Prozent pro Jahr. Die GDL hat bisher bereits bei insgesamt derzeit 18 Eisenbahnverkehrsunternehmen Laufzeiten von 24 Monaten abgeschlossen. Die dabei erreichten Entgelterhöhungen übersteigen elf Prozent deutlich. Auch 3,5 Prozent pro Jahr reichen nicht aus, um die bereits vereinbarten Entgelterhöhungen ansatzweise einzuholen. Hier die aktuelle Erklärung der GDL dazu: https://www.gdl.de/…/gdl-erlaeutert-hintergruende-der…/


Quellen:

Kritik an GDL-Streik: “Das ist ein Spiel mit dem Feuer” | tagesschau.de

 

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