Poltern kann er auch mit 82 Jahren noch. Anlässlich seines neuen Buches «Agrarrebellion jetzt!» sprach ich mit dem bekannten Bergbauern aus Österreich über die Bauernproteste und was Bauern heute anders machen sollten.
von Christa Dregger
Sepp Holzer, heute 82, übernahm mit 19 Jahren den elterlichen Bergbauernhof im Lungau im Bundesland Salzburg – auch als Kälteloch oder «Sibirien Österreichs» bekannt. Der junge und streitbare Bauer begann mit seiner Frau Veronika in den 60er-Jahren ganz intuitiv etwas, was viel später als «Permakultur» weltbekannt werden sollte: eine ganzheitliche Mischkultur, ein Biotop aus verflochtenen Symbiosen. Und das auf 1100 – 1500 m Seehöhe. Er las «im Buch der Natur», wie er nicht müde wird zu erklären, und fand heraus, dass auch in diesen widrigen Umständen ohne Kunstdünger und Pestizide ein sehr gutes Auskommen war. Seen und Teiche auf Berghängen, Mischwälder statt Fichtenwüsten, üppige Ernten von Obst, Kräutern und Gemüse, artgerecht gehaltene, tatsächlich glücklich wirkende Nutztiere.
Vertretern von Landwirtschaftskammern und Behörden drohte er manchmal Prügel an und jagte sie vom Hof: Er blieb stur und liess sich nicht dreinreden. Der Erfolg gab ihm recht: Sein Krameterhof, den inzwischen sein Sohn Josef Holzer übernommen hat, wirft seit Jahrzehnten ohne jegliche Subvention Gewinne ab. Jetzt schrieben Sepp und Josef Holzer zusammen ein neues Buch: «Agrarrebellion jetzt!».
Darin legen sie nieder, wie ein echter Bauernaufstand aussehen könnte: Indem sich die Landwirte ganz von der Industrie und der Bürokratie abkoppeln – und mit der Natur kooperieren!
„Eine Subvention ist keine Förderung. Das ist eine teilweise Schadensabgeltung einer verfehlten Agrarpolitik. Und dieses geschenkte Geld hat die Bauern süchtig gemacht.“
Zeitpunkt: Herr Holzer, der Titel Ihres neuen Buches könnte nicht besser zur aktuellen Situation passen. Sind die Bauernproteste in Deutschland der Beginn einer Agrarrebellion?
Sepp Holzer: Die Bauern kommen mit ihrem Protest viel zu spät. Sie haben sich von der Industrie vereinnahmen lassen und sind Arbeitssklaven auf ihrem eigenen Betrieb geworden. Sie lassen sich von den Behörden, den Genossenschaften und Konzernen vorschreiben, wann sie liefern sollen, wieviel sie liefern sollen, was sie düngen. Sie halten sich daran, weil sie Angst hatten, dass man ihnen die Subvention streicht. Eine Subvention ist aber keine Förderung. Das ist eine teilweise Schadensabgeltung einer verfehlten Agrarpolitik. Und dieses geschenkte Geld hat die Bauern süchtig gemacht.
So wurden Bauern, die ja früher verantwortungsvoll mit der Natur umgegangen sind, zu Naturzerstörern, Vergiftern, Tierquälern. Was ich alleine heute in der Massentierhaltung sehe, ist haarsträubend, überall auf der Welt, auch in einigen Biobetrieben. Diese Tierquälerei ist katastrophal.
Wenn der Bauer das aber nicht fühlt, dann geht er nicht mit der Natur. Und dann geht die Natur auch nicht mit ihm, sondern gegen ihn. Der Verwaltungsapparat ist eine Katastrophe, die Auflagen sind Schikanen! Das ist für Bauern so kompliziert, dass sie es nicht mehr selbst machen können und von Beratern abhängig werden. Sie sollen sich verschulden und sündhaft teure Maschinen anschaffen – die dann auch noch den Boden und die Fruchtbarkeit zerstören. Bauer gehen pleite, weil sie kein Gefühl mehr für die Natur haben. Viele Bauern hören auf, denn die Produktion rechnet sich nicht mehr. Verdienen tun nur noch Grossgrundbesitzer und Industrie. Die Kinder der Bauern wollen den Leidensweg der Eltern nicht mehr weiterführen und gehen in die Stadt. Darum verkümmern die Höfe. 250.000 Bauern haben in Österreich seit dem Beitritt zur EU aufgegeben. (In der EU haben in den letzten 15 Jahren 5 Millionen Bauern aufgegeben… d.R.) Bei uns kaufen Banker ganze Dörfer auf. Warum lassen die Bauern das so lange mit sich machen? Das sollten sie ändern. Und das könnten sie ändern.
„Die Natur ist meine Förderung. Wenn ich es so bewirtschafte, wird die Natur für mich arbeiten. Die Vielfalt arbeitet Tag und Nacht für mich.“
Was können sie denn tun?
Viel mehr an den Ursachen anfangen. Bauern müssen wieder lernen, mit ihrem Grund und Boden verantwortlich umzugehen. Die Grosseltern oder Urgrosseltern haben das vielleicht noch gekonnt. Doch die Industrie hat die Bauern dazu gebracht, ganz anders vorzugehen: Der Boden wird planiert, alles soll auf einer Ebene sein, alle Sträucher und Steine weg, das Wasser wird abgeleitet, das Saatgut kommt von der Genossenschaft. Bauern wurden hinterwäldlerisch genannt, wenn sie nicht mit machen.
Wir haben in unserem Buch beschrieben, wie man vorgehen muss, damit man bei der Arbeit Freude hat: Neugierig sein. Vieles ausprobieren. Und dann herausfinden, was auf meinen Boden am besten passt. Das ist ja unterschiedlich, lehmig oder sandig, trocken oder feucht. Wenn ich mit der Natur kommuniziere, dann spüre ich ja, wie es dem Boden und den Pflanzen und Tieren geht. Da muss ich mir von so genannten Experten nichts sagen lassen. Ich muss nur den Boden etwas aufkratzen und mit den Fingern hineinspüren, dann erkenne ich die Feuchtigkeit, das Körnungsmuster usw. Mit der Natur kommunizieren, sich hineinversetzen in unser Gegenüber, in die Natur, dann verstehen wir, was es braucht.
„Wenn der Bauer nicht mit der Natur geht, dann geht sie auch nicht mit ihm.“
Inzwischen ändert sich das Klima. Im Sommer wird es trockener, wenn es dann doch einmal regnet, gibt es gleich Überschwemmungen. Die Last am Klimawandel tragen die Bauern.
Aber warum ändert sich das Klima? Wegen der falschen Bewirtschaftung! Wasser ist das allerwichtigste! Das grösste Problem ist, dass man es, wo es auftritt, sofort kanalisiert, drainagiert und ableitet. Quellen versiegen, das Wasser wird weniger, gleichzeitig gibt es jedes Jahr Überschwemmungen. Was muss denn noch passieren, dass der Mensch kapiert, dass er der Verursacher ist!
„Die Bauern haben aber gelernt, immer nur zu fragen: Wie kann ich in kürzester Zeit am meisten herausholen.“
Dagegen kann man was tun: das Wasser auf dem Land halten, nicht abführen! Das hat man vor über hundert Jahren schon gemacht, durch Teiche und Gräben. Heute hat man dazu aber viel mehr technische Möglichkeiten. Jetzt kann man grossflächig in den verschiedenen Zonen Retentionsbecken anlegen – ein, zwei oder wie viele notwendig sind, damit der Boden das Regenwasser aufnehmen kann. Wenn es dann im Sommer nicht mehr regnet, ist noch genug Feuchtigkeit für das Wachstum vorhanden. Denn ich mache die Teiche anhand der Höhenlinien so, dass das Wasser in trockenen Zeiten zwar sinkt, aber nie ganz leer wird. Heute haben wir auf dem Krameterhof ein verbundenes System mit 30-40 Teichen. Das bringt Wachstum und Vielfalt, ein regelrechtes Paradies.
Sie haben oben auf dem Berg, wo ansonsten Almen sind, 30-40 Teiche angelegt – wo kommt das Wasser denn her?
Das Wasser kommt vom Himmel! Das Niederschlagswasser muss in den Boden einsickern können. Die Teiche sind alle ohne Folie oder Beton. Durch die Feuchtigkeit entwickelt sich das Bodenleben und Humus. Und je mehr Humus ich habe, desto grösser ist die Speicherwirkung. Dann rauscht kein Regen mehr ins Tal, spült mir den Boden aus und wäscht die Nährstoffe weg.
Die Bauern haben aber gelernt, immer nur zu fragen: Wie kann ich in kürzester Zeit am meisten herausholen an Mais oder Weizen oder was auch immer? Dadurch geschehen all die Fehler. Dann streuen sie Kunstdünger, die sind salzhaltig, und das Salz macht das ganze Bodenleben kaputt. Die Regenwürmer und alle anderen Kleinstlebewesen verschwinden. Wenn das alles tot ist, wird der Boden hart und fest, das Wasser kann nicht mehr einsickern. Der wenige verbleibende Humus wird weggeschwemmt und landet auf den Strassen und Bächen, dann werden die Flüsse braun und der Boden verarmt. Das sieht man bei jedem Regen. Wie kann man so blöd sein, dass man das nicht kapiert: Die Böden werden immer magerer, immer weniger wächst.
Die Bauern machen das mit, weil ihnen das von Seiten der Kammer, der Genossenschaft so gesagt wird. Sie laufen ihnen nach und vergessen, dass sie das ändern können.
Jetzt nochmal: Wie?
Indem sie anfangen, die Flächen zu renaturieren, die sie kaputtgemacht haben, und statt dessen Retentionsbecken aufbauen. Dann können sie Vielfalt anpflanzen. Ob sie sich dann für Tierhaltung entscheiden oder Getreide, Kräuter oder Gemüse haben, das ist dann ihnen überlassen. Oder zum Beispiel für einen essbaren Wald, leicht bewirtschaftbar.
Dafür kriegt aber niemand eine Förderung.
Ich brauche keine. Die Natur ist meine Förderung. Wenn ich es so bewirtschafte, wird die Natur für mich arbeiten. Die Vielfalt arbeitet Tag und Nacht für mich. Schauen, beobachten, lesen in der Natur – lernen, wie es einfacher geht.