Urs P. Gasche für die Online-Zeitung INFOsperber
Die Schweizer Friedensaktivistin und ehemalige Zürcher Kantonsrätin Anjuska Weil und ihr Mann Jochi Weil, die sich beide seit Jahrzehnten für einen friedlichen Dialog zwischen Juden und Palästinensern einsetzen, haben einen früheren unkonventionellen Vorschlag aufgegriffen. In der Zeitung «Zeitgeschehen im Fokus» fordern sie die Freilassung von Marwan Barghouti. «Das wäre ein grosser und wichtiger Schritt», erklären die beiden. Jochi Weil ergänzt: «Barghouti hat einen ähnlichen Weg gemacht wie Nelson Mandela. Irgendwann kam er zu der Erkenntnis ‹Nein, Gewalt ist es nicht. Diesen Weg gehen wir friedlich›.»
Anjuska Weil doppelt nach:
«Immer wieder wird gesagt, auf palästinensischer Seite gäbe es keine Gesprächspartner. Mit Marwan Barghouti gibt es aber jemanden, der den Konsens von allen palästinensischen Fraktionen hätte. Es geht nicht darum, zu einfache Parallelen zu ziehen zu Südafrika. Doch dort hat es jemanden gegeben, der im Gefängnis war, Nelson Mandela. Der südafrikanische Staatspräsident Frederik Willem de Klerk hatte die Weisheit, diesen aus dem Gefängnis zu entlassen und ihn als Gesprächspartner zu akzeptieren. Wenn es möglich wäre, Marwan Barghouti als Gesprächspartner aus dem Gefängnis zu holen, wäre das ein ganz grosser und wichtiger Schritt.»
Die beiden Weils denken an eine internationale Kampagne zur Freilassung von Marwan Barghouti, auch um ihn bekannter zu machen.
Die Inhaftierung von Marwan Barghouti
In einer parlamentarischen Motion erklärte der damalige Nationalrat Daniel Vischer am 17.12.2004:
«Mit der Verhaftung, Gefangenhaltung und Folterung von Marwan Barghouti verletzt Israel das Völkerrecht, die Menschenrechte sowie das Osloer Abkommen. Barghouti wurde am 15. April 2002 aufgrund seiner Führungsrolle in der palästinensischen Intifada gegen Israels Besatzung verhaftet. Am 5. September 2002 begann die Gerichtsverhandlung. Barghouti wurde am 6. Juni 2004 zu 5-facher lebenslänglicher plus 40 Jahre Haft verurteilt.
Barghouti wurde in Ramalah verhaftet, einer Stadt, die durch das Osloer Abkommen der Zone A angehört, d. h. vollständig unter palästinensische Rechtsprechung fällt. Eine Verhaftung ist in diesem Fall nur zulässig, wenn ein Individuum unter dringendem Verdacht steht, gegen Israelis oder in Israel ein Attentat verübt zu haben.
Gleichzeitig verletzen die Verhaftung Barghoutis in Ramalah und die Überführung in ein Gefängnis in Israel Artikel 49 der IV. Genfer Konvention.
Barghouti wurde physisch und psychisch misshandelt, während 100 Tagen gefoltert, menschenverachtende und widerrechtliche Shebe-Verhör-Methoden (vier Tage Sitzen auf einem Stuhl mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen), Schlafentzug und andere körperliche Misshandlungen kamen zur Anwendung.
Barghouti war 1996 in den Palestinian Legislative Council gewählt worden. Überdies ist er Generalsekretär der Fatah in der West Bank.»Der Bundesrat antwortete am 31.8.2005:
«Der Bundesrat ist sich der Festnahme und Inhaftierung von Marwan Barghouti sowie dessen ungebrochener Popularität, welche dieser in der palästinensischen Bevölkerung geniesst, bewusst. Marwan Barghouti spielt auch weiterhin eine wichtige Rolle im politischen Leben der Palästinenserinnen und Palästinenser und bei der Reform und Erneuerung der palästinensischen Institutionen […] Nach Auffassung des Bundesrates ist eine Intervention für einen Einzelfall, und sei dieser auch noch so wichtig, zurzeit nicht angebracht. Die Freilassung von Marwan Barghouti ist in der Tat integraler Bestandteil der allgemeinen Anstrengungen im Hinblick auf eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern, und die Schweiz muss diesen Prozess weiterhin in seiner Gesamtheit unterstützen.»
Ein weiterer Gesprächspartner für Israel wäre laut Jochi Weil Mustafa Barghouti. Im Jahr 2005 hatte er bei den Wahlen für das Amt des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde den zweiten Platz nach Mahmoud Abbas erreicht. Seither gab es keine Wahlen mehr. Mustafa Barghouti ist heute Präsident der Palestinian Medical Relief Society, verfüge jedoch über keine Hausmacht (Mustafa Barghouti ist ein entfernter Cousin von Marwan Barghouti).
«Die Hamas soll sich ergeben»
Der Hamas würde Jochi Weil empfehlen: «Ergebt euch im bewaffneten Kampf, sonst gibt es eine unglaubliche Katastrophe. Ihr habt militärisch keine Chance – wirklich keine.» Weil betont, dass dies nichts mit Gerechtigkeit für Palästinenserinnen und Palästinenser zu tun habe. Wir hätten alle nur ein Leben auf dieser Erde. Die vielen Toten und Verletzten dürfe es nicht geben. Die Hamas könne auch nicht ihre Würde verteidigen: «Wenn ich sehe, wie die Hamaskämpfer am 7. Oktober gewütet haben, dann muss ich sagen, da ist nichts von Würde. Ich rede auch davon, wie die Hamas in Gaza mit ihrer Zivilbevölkerung umgeht.»