Interview mit Żaklin Nastić, Abgeordnete des Deutschen Bundestags und Mitglied der neugegründeten Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW)

Auf der diesjährigen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (13.1.) war sie prominente Teilnehmerin der zentralen Podiumsdiskussion zum Thema »Wer stoppt die Rechten?«.  Im Anschluss stellte sich Żaklin Nastić (MdB/BSW) im Backstagebereich des Berliner Tempodrom unseren Fragen.

Das Gespräch für Unsere Zeitung (UZ) führte Michael Wögerer

UZ: Es gab heute im Publikum bereits bei Ihrer Begrüßung gemischte Reaktionen. Einerseits Buh-Rufe, andererseits Applaus. Wie erklären Sie sich das?

Nastić: Ich hatte damit gerechnet, da ich die Partei DIE LINKE verlassen habe. Im Rahmen der Diskussion nannte ich den Umgang mit der Friedensbewegung als ein Beispiel von vielen, weswegen eine Mitgliedschaft in der Partei für mich inhaltlich nicht mehr tragbar war. Aber ich will keine Brücken zu den linkeren Parteien abreißen, die Partei DIE LINKE ist nicht mein Feind. Eines zeigt sich aber offensichtlich:  Wir können fröhlich darüber streiten, wie schlimm das kapitalistische System und wie schlimm die AfD ist, die wir selbstverständlich bekämpfen müssen. Aber – sei es nun die DKP oder DIE LINKE – es werden einfach zu kleine Teile der Bevölkerung erreicht. Um Rechte wirklich zu bekämpfen, braucht es ein breiteres Bündnis, aber mit bestimmten Partnern. Ich möchte gerne eine Vermittlerin in die linkeren Kreise sein und es wird sich zeigen, wie ernst es auch die kleineren, radikaleren Gruppen mit der Bekämpfung vom System und der Bekämpfung von Rechts meinen.

RLK24: Podiumsdiskussion »Wer stoppt die Rechten?« u.a. mit Żaklin Nastić (MdB/BSW)

UZ: Die Rosa-Luxemburg-Konferenz war auch Thema in der Pressekonferenz nach der Parteigründung, als die Frage kam, wie links offen das ‚Bündnis Sahra Wagenknecht‘ sei. Viele Proponenten dieser neuen Partei – von Wagenknecht bis Fabio De Masi – haben ja einen linken Background. Sind die teils negativen Reaktionen auch dadurch zu erklären, weil man als Verräter/Verräterin wahrgenommen wird, da man sich nicht mehr zu einer linken Gemeinschaft bekennt?

Nastić: Niemand sagt, dass man sich nicht zu einer linken Gemeinschaft bekennt, aber es braucht neue Antworten, denn die bisherigen haben nicht funktioniert. Die Leerstelle im deutschen Parteiensystem, die zum Aufstieg der AfD beigetragen hat, muss dringend gefüllt werden. Die herrschende Politik, die Politik der Ampelregierung, muss scharf angegriffen werden, denn sie hat die AfD groß gemacht. Wir müssen raus aus der Komfortzone des radikalen Sprechs und die Menschen erreichen und überzeugen. In der eigenen linken Blase die Revolution auszurufen und über Arbeiter zu reden verändert hingegen gesellschaftlich nichts.

„Dass die Grünen als eine linke Partei gelten, halte ich für ein Problem“

UZ: Sahra Wagenknecht hat auf der Gründungspressekonferenz gemeint, mit ‚links‘ können die Leute nichts mehr anfangen…

Nastić: Ich glaube, die Partei DIE LINKE hat diese Bezeichnung leider mittlerweile auch verbrannt.

UZ: Mit dem Begriff ‚links‘ werden Wokeness und Verbote in Verbindung gebracht, unter ‚links‘ verstehen die Leute nicht mehr sozialistisch, kommunistisch,… – mittlerweile denken manche Parteien, die sich links genannt haben, darüber nach sich wieder einem konkreteren Begriff zu nähern.

NastićDass etwa die Grünen als eine linke Partei gelten, halte ich für ein Problem. Aus meiner Sicht sind sie vieles, aber nicht links. Und dass DIE LINKE sich immer mehr zu einer sogenannten woken, Identitätspolitik betreibenden Partei entwickelt und die Sorgen und Nöte der so genannten kleinen Leute aus dem Blick verloren hat, war einer der Hauptgründe, warum ich meine langjährige politische Heimat verlassen habe.

Żaklin Nastić im Gespräch mit UZ-Gründer Michael Wögerer

UZ:  Konkret gefragt: Gibt es dieses Links-Rechts-Schema überhaupt noch?

Nastić: Naja, ich wurde schon als „rechts-offen“ beschimpft, oder wir werden als „Links-Konservative“ bezeichnet. Es ist erstaunlich, was die Leute darunter verstehen. Innerhalb der Partei DIE LINKE galt „links-konservativ“ als böse, nationalsozial, konservativ und so weiter, und wenn sie einen CDUler fragen – wie mal jemand tatsächlich in meinem Beisein sagte – für ihn sind das radikale Kommunisten, Marxisten, die die Revolution wollen…

UZ: … also dogmatische Linke.

Nastić: Ja, genau! Wenn wir heute eine Podiumsdiskussion geführt hätten über die verschiedenen linken Spektren, was für eine Gesellschaft stellt ihr euch vor, wie sieht für dich der Kommunismus oder Sozialismus aus, da wäre eine spannende Debatte entstanden, weil ich glaube, keiner hat das so wirklich durchdiskutiert und durchdekliniert, auch nicht in den Programmen. Das hatte DIE LINKE auch nicht.

UZ: Kommen wir zum ‚Bündnis Sahra Wagenknecht‘. Was sind die konkreten nächsten Ziele dieser neuen Partei, wie funktioniert der Aufbau?

Nastić: Wir werden am 27. Januar einen ersten Bundesparteitag und Europaparteitag haben, einen erweiterten Vorstand wählen, die Satzung und auch ein Europawahlprogramm beschließen, damit inhaltlich besser zu fassen wird, wo wir politisch hinwollen. Es werden Kandidaten gewählt und eine Europaliste aufgestellt. Das Ziel ist ganz klar: Möglichst ein gutes Wahlergebnis zu erreichen, um auch auf europäischer Ebene ein bisschen den Finger in die Wunde legen zu können. Das Nächste sind die Landtagswahlen, für die wir uns gute Wahlergebnisse erhoffen und gute Leute aufstellen wollen – durchaus möglichst breit, deswegen heißt es auch Bündnis Sahra Wagenknecht. Irgendwann soll auch der Name der Partei überdacht werden, aber fürs Erste finden uns die Leute über diesen Namen besser auf dem Wahlzettel. Schließlich soll auch ein ausführlicheres Programm erarbeitet werden. Keine Partei, die sich gegründet hat, hatte von Beginn an schon Antworten auf alle Fragen und ein 120-seitiges fertiges Papier. Es wäre auch ziemlich undemokratisch, wenn wir mit 44 Personen schon alles zurechtgerupft hätten.

UZ: Wobei es Kritik gibt, dass die Mitglieder in einem sehr selektiven Verfahren aufgenommen werden.

Nastić: Ja, das halte ich aber für richtig.

UZ: Im Übrigen eine kommunistische Tradition.

Nastić: Ich weiß.

UZ: Sie waren lange Zeit in der Partei DIE LINKE, haben dort auch viel Herzblut reingesteckt. Inwiefern haben Sie jetzt das Gefühl, dass dieses neue Projekt nicht dieselben Fehler macht oder in dieselbe oder eine andere Richtung abgleitet, wo Sie nicht mehr mitkönnen?

Nastić: Das ist genau der Punkt, warum nicht jeder rein darf. Wir haben innerhalb der LINKEN erlebt, wie plötzlich bestimmte urbane Milieus kamen und irgendwelche Funktionäre eingesetzt wurden, um die Inhalte zu verschieben – entgegen dem Grundsatzprogramm. Darüber hat dann kaum jemand mehr geredet. Wir möchten, dass mit uns Leute arbeiten und in die Partei kommen, die mit uns und unseren Inhalten an einem Strang ziehen. Nur so können wir die politische Landschaft verändern. Bislang gelingt das sehr gut und ich hoffe, wir werden es auch weiter so hinbekommen.

UZ: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!


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