Die nächste Protestwelle ist im vollen Gange und verschiedene Akteure arbeiten an einem Generalstreik, mit welchem vor allem die Ampel-Regierung unter Druck gesetzt, wenn nicht gar zur Abdankung bewegt werden soll.

Nach Migrationswelle, Pandemie, Krieg und Inflation ist dies der nächste Zyklus, der zu einer Ausweitung des rechts-nationalistischen und -populistischen Projektes führen wird. Das bedeutet, die Verankerung und Verfestigung der AfD, in ihrem Windschatten aber ebenso anderer rechtsradikaler Gruppierungen wie III. Weg, Freie Sachsen, Recihsbürgergruppen usw., wird auch im Zuge der anhaltenden Proteste weiter zunehmen. Und dies ungeachtet dessen, dass bspw. das AfD-Programm keineswegs für eine arbeiter*innenfreundliche Politik steht.

Zugleich fliessen die Landwirtschaftssubventionen jahrzehntelang vorrangig in die Taschen von kapitalistischen Grossbauern. Das bedeutet: Immer grössere Felder, der Böden durch Megamaschinen verdichtet werden, immer mehr Dünger- und Pestizideinsatz, die Ausweitung der Massentierhaltung. Das Ganze ist eine ökologische Katastrophe und ebenso Faktor für die Anheizung des Klimawandels.Die damit niedrig gehaltenen Lebensmittelpreise dienen erstens zur Befriedung der ärmeren Hälfte der Bevölkerung, welche mit Billigprodukten bei Laune gehalten, bzw. vom Streik gegen ihre niedrigen Löhne und schlechten und unsicheren Arbeitsbedingungen abgehalten werden soll.

Zweitens haben die europäischen Agrarsubventionen eine geostrategische und geopolitische Bedeutung: Es gilt die Ernährungssicherheit langfristig zu gewährleisten und der günstigen ausländischen Landwirtschaft das Wasser abzugraben, während jene zugleich exportorientiert für die Märkte der westlichen Staaten produzieren sollen, anstatt ihre regionale Selbstversorgung zu gewährleisten.

Drittens ist das europäische Subventionsmodell im Wesentlichen eine clever eingerichtete Geldmaschine, die den Agrar-Kapitalisten dient. Zwar werden so auch Arbeitsplätze in der Landwirtschaft erhalten, um Regierungen erpressen zu können. Das bedeutet aber nicht, dass eine selbständige Schicht von Bäuer*innen gefördert wird, die für eine sozial-ökologischen Transformation der Landwirtschaft engagiert wäre – weil sich dies auch in ihrem eigenen Interesse lohnen würde.

Die Bäuer*innschaft ist trotz geteilter Interessen keine homogene Gruppe. Selbstverständlich gibt es unter ihnen auch einige, welche emanzipatorische Anliegen teilen. So gilt es insbesondere Solidarische Landwirtschaften zu stärken, welche genossschaftlich organisiert sind und entgegen der ökologischen Apokalypse zukunftsorientiert arbeiten.

Zugleich gab es historisch auch eine starke Verbreitung hart-konservativer Einstellungen unter den Bäuer*innen. Den Stadt-Land-Gegensatz konnten rechts-nationalistische Kräfte stets gut für sich nutzen. Dafür stehen in der Zeit der Weimarer Republik etwa der Reichs-Landbund, in welchem unter anderem der Thüringer Landbund eine wichtige Stellung einnahm. Auch Nazis suchten historisch wie heute mit ihrer Blut-und-Scholle-Ideologie Anknüpfungspunkte zu den Bäuer*innen und auch Esoteriker*innen wühlen bekanntlich gerne in der Erde herum und spielen dem Faschismus damit in die Hände.

Dennoch war es ein historischer Fehler, die Bäuer*innenschaft als per se reaktionär abzutun. Bekannt ist unter anderem die Verachtung von Marx für die aus seiner Sicht rückständigen Klassen. Selbstverständlich eröffnete die Entstehung der modernen Gesellschaft ungeheuere Möglichkeiten für die Emanzipation sehr vieler Gruppen. Die Abhängigkeiten der feudal-patriarchalen Ständegesellschaft konnten endlich geflohen und angegriffen werden. Dies bedeutet aber umgekehrt nicht, eine Gruppe wie Bäuer*innen als an sich reaktionär abzutun, sie einfach zu ignorieren oder dumm zu machen. Vielmehr gilt es für eine emanzipatorische Gesellschaftstransformation einen Bezug zu ihnen herzustellen, ihnen zuzuhören und ihre Anliegen zu verstehen, um eine Vision für eine sozial-ökologische Landwirtschaft der Zukunft zu erarbeiten.

Das bedeutet: Gerade weil die gegenwärtigen und folgenden Proteste stark von konservativ-nationalistischen und faschistischen Akteur*innen beeinflusst werden, muss versucht werden, sie zu spalten. Den unsicheren, suchenden, angepissten Leuten gilt es zumindest aufzuzeigen, dass es Alternativen zum reaktionären Projekt gibt.

Ein kleiner Verband jedenfalls, der von unserer Seite her unterstützenswert ist, ist die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Daher spiegele ich ihr Statement zum aktuellen Unmut über die Dieselpreiserhöhungen und Subventionsstreichungen: Worauf sollen wir aufbauen? – Landwirtschaftliche Jugendverbände fordern realitätsnahe Politik und Planungssicherheit.

Pressemitteilung von jAbL, KLJB und BJL 22.12.2023

Die landwirtschaftlichen Jugendverbände junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bündnis Junge Landwirtschaft und die Katholische Landjugendbewegung Deutschlands stellen klar, dass die aktuellen Beschlüsse zur Streichung von Agrardieselrückvergütung und Kfz-Steuerbefreiung ein Schlag ins Gesicht sind. Angesichts der niedrigen Erzeugerpreise trifft eine zusätzliche finanzielle Belastung besonders kleinere Betriebe hart.

„Ganz ehrlich, für mich steht Klimaschutz nicht zur Debatte. Als Junglandwirt*innen haben wir ein grosses Interesse am Klimaschutz, aber der Diesel, den wir verbrauchen, wird nicht weniger durch diesen Beschluss, sondern nur teurer. Darum verfehlt der Beschluss sein Ziel. Der Umbau zu einer klimafreundlicheren Landwirtschaft darf nicht auf Kosten bäuerlicher Betriebe geschehen, die gerade von der zusätzlichen Kfz-Steuer besonders stark getroffen würden. Ich verstehe nicht, dass der äusserst systemrelevante Sektor Landwirtschaft gleich für zwei drastischen Einsparungen ausgewählt wird, während eine Kerosinsteuer für Flugverkehr, das Dienstwagenprivileg und die Einführung einer Vermögenssteuer unangetastet bleiben.“ urteilt Junglandwirtin Evelyn Laux.

Gerade Junglandwirt*innen stehen vor massiven Herausforderungen beim Aufbau einer eigenen landwirtschaftlichen Existenz: Die Kapitalintensität ist hoch, auf dem Bodenmarkt stehen sie ausserlandwirtschaftlichen Investoren gegenüber und die Erzeugerpreise sanken dieses Jahr, während die Produktionskosten gestiegen sind. Die hohe Altersstruktur in der Landwirtschaft zeigt, dass die Förderung von Junglandwirt*innen für den Fortbestand einer vielfältigen Agrarstruktur unabdingbar ist.

„Unter diesen Marktbedingungen und innerhalb des aktuellen globalen Agrarsystems können wir unserer Verantwortung ohne staatliche Unterstützung und ein klares Bekenntnis zur regionalen bäuerlichen Landwirtschaft nicht gerecht werden. Ich möchte eine Existenz in der Landwirtschaft gründen, regionale Lebensmittel erzeugen und Leistungen für das Gemeinwohl erbringen. Dafür braucht es zielgerichtete politische Entscheidungen, die mit uns betroffenen Bäuer*innen abgestimmt werden. Mit Beteiligung und Sachverstand, statt über unsere Köpfe hinweg“ sagt Junglandwirtin Maria Natt.

Die Jugendverbände betonen, dass sie gerade jetzt einen demokratischen und überlegten Umgang mit der Situation fordern und sich klar gegen populistische Hetze stellen. Die Regierung muss die unverantwortlichen Kürzungen zurücknehmen und die politischen Rahmenbedingungen für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft schaffen.

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Der Originalartikel kann hier besucht werden