Berlin sucht mit allen Mitteln die Präsenz der Bundeswehr in Niger zu sichern. Niger hat wie Mali und Burkina Faso französische und EU-Truppen aus dem Land geworfen und leitet eine Militärkooperation mit Russland ein.
Die Bundesregierung sucht den Abzug der Bundeswehr aus Niger abzuwenden und stellt der Übergangsregierung in Niamey neue Unterstützungsmaßnahmen in Aussicht. Berlin sei bereit, ein Militärkrankenhaus in dem Land zu errichten, wenn man die militärische Zusammenarbeit weiterführen dürfe, teilte Verteidigungsminister Boris Pistorius unlängst bei einem Besuch in der nigrischen Hauptstadt mit. Hintergrund ist, dass die Übergangsregierung in Niamey, die nach dem Putsch vom 26. Juli 2023 an die Macht gekommen ist, die französischen Truppen aus dem Land geworfen und die Militärkooperation mit der EU aufgekündigt hat; stattdessen leitet sie nun eine engere Militärkooperation mit Russland ein. Das tut sie gemeinsam mit Mali und Burkina Faso, die beide ebenfalls europäische Truppen zum Abzug gezwungen haben. Mali, Burkina Faso und Niger haben zudem ein Bündnis gegründet, die Alliance des États du Sahel (AES), die sie auf lange Sicht zur Föderation ausbauen wollen. Um auch ökonomisch eigenständig zu werden, arbeiten sie darüber hinaus auf eine umfassendere finanzielle Zusammenarbeit und womöglich sogar auf eine gemeinsame Währung hin.
Bruch mit Frankreich
Burkina Faso und Niger haben in den vergangenen Monaten wie bereits zuvor Mali [1] eine ganze Reihe an Schritten unternommen, um den lange Zeit dominanten Einfluss Frankreichs abzuschütteln. Burkina Faso hatte schon zu Jahresbeginn den Abzug der französischen Truppen durchgesetzt; ihre Präsenz in dem Land wurde am 19. Februar offiziell beendet.[2] Darüber hinaus kündigte Ouagadougou sämtliche Verteidigungsabkommen mit Paris, warf im September den französischen Militärattaché aus dem Land und schloss seine Militärmission in der französischen Hauptstadt.[3] Zudem wird Burkina Faso eine neue Verfassung erstellen, die mit der bisherigen Fixierung auf französische Traditionen bricht. Niger hat nach dem Putsch vom 26. Juli ebenfalls den Abzug der französischen Truppen erzwungen, der Ende des Jahres abgeschlossen wurde. Frankreich wiederum hat seine Botschaft in Niger im Dezember geschlossen – ein sehr ungewöhnlicher Schritt, der die Tiefe des Bruchs zwischen beiden Ländern scharf markiert.[4] Niger hat Anfang Dezember außerdem seine Einwilligung zu den zwei EU-Einsätzen EUMPM (militärisch) und EUCAP Sahel (nichtmilitärisch) annulliert. Gemeinsam haben sich Burkina Faso und Niger schließlich aus den G5 Sahel zurückgezogen, über die Frankreich und die EU die Sahelstaaten zu steuern suchten.[5] Mali hatte dies schon zuvor getan.
Kooperation mit Russland
Parallel haben beide Staaten – auch dies wie bereits zuvor Mali [6] – eine engere militärische Kooperation mit Russland eingeleitet. Burkina Faso hatte zunächst darauf gesetzt, den Kampf gegen die Jihadisten mit Hilfe einer Art Bürgerwehr zu führen, mit den offiziell rund 90.000 Personen starken Volontaires pour la défense de la patrie (VDP). Im September hat es dann jedoch den stellvertretenden russischen Verteidigungsminister Junus-Bek Jewkurow zu ersten Gesprächen über eine intensivere Zusammenarbeit empfangen, die im November während eines Besuchs von Verteidigungsminister Kassoum Coulibaly vertieft wurden. Dabei ging es laut Berichten zum einen um russische Rüstungslieferungen, zum anderen um die Ausbildung burkinischer Militärs, insbesondere von Piloten. Kurz nach den Gesprächen traf eine rund 20-köpfige russische Militärdelegation in Ouagadougou ein, um die Pläne zu konkretisieren.[7] Anfang Dezember reiste Jewkurow dann zu weiteren Gesprächen nach Niamey. Auch dort wurde eine intensivere Militärkooperation vorbereitet; Jewkurow traf dazu unter anderem mit Nigers Verteidigungsminister Salifou Mody zusammen.[8] Zwar wurde anschließend ein Protokoll unterzeichnet; Details über den genauen Inhalt der Zusammenarbeit sind aber noch nicht bekannt.
Die Alliance des États du Sahel
Geplant ist allerdings, wie Malis Präsidialamt Anfang Dezember mitteilte, dass die engere Militärkooperation zwischen Russland sowie den Sahelstaaten auch im Rahmen der Alliance des États du Sahel (AES) stattfindet.[9] Die AES ist am 16. September von Mali, Burkina Faso und Niger gegründet worden, um Niger gegen die – von Frankreich unterstützte – Interventionsdrohung der westafrikanischen Regionalorganisation ECOWAS zu verteidigen. Langfristig wollen Mali, Burkina Faso und Niger, wie die Außenminister der drei Länder nach einem Treffen am 1. Dezember mitteilten, ihre Zusammenarbeit systematisch ausbauen und womöglich eine – noch nicht näher definierte – Föderation bilden.[10] Bereits Ende November vereinbarten die Wirtschafts- und Finanzminister der AES-Staaten eine engere Wirtschaftskooperation, die Gründung einer Investitionsbank und die Schaffung eines Stabilisierungsfonds. Darüber hinaus sprachen sie sich dafür aus, einen Ausschuss zu bilden, der eine umfassende Wirtschafts- und Finanzunion planen soll.[11] Längst ist auch ein Ausstieg aus dem Franc CFA im Gespräch, der an den Euro gebunden ist und der AES keine wirkliche ökonomische Eigenständigkeit erlaubt. Um diese zu erlangen, könne der Franc CFA durch eine eigene Währung ersetzt werden, heißt es.
Washington gegen Paris
Noch unklar ist, wie sich die Beziehungen zwischen Niger und den Vereinigten Staaten in Zukunft gestalten werden. Die US-Streitkräfte unterhalten bei Agadez im Norden des Landes eine Drohnenbasis, von der aus sie weite Teile des Sahel überwachen und gegen die es in der Vergangenheit bereits Proteste gab. Washington hatte bereits kurz nach dem Putsch, am 7. August, die Staatssekretärin für politische Angelegenheiten im State Department, Victoria Nuland, zu Verhandlungen in die nigrische Hauptstadt geschickt und Mitte August eine neue Botschafterin nach Niamey entsandt; damit hatte es Paris brüskiert, das auf die Isolierung der nigrischen Putschregierung setzte.[12] Im September hatten die US-Streitkräfte zudem die Drohnenflüge wieder aufgenommen, die sie unmittelbar nach dem Putsch ausgesetzt hatten. Am 13. Dezember teilte die US-Staatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten, Molly Phee, nach Gesprächen mit Nigers Ministerpräsident Ali Mahamane Lamine Zeine in Niamey mit, Washington sei bereit, die USA seien bereit, ihre Zusammenarbeit mit Niger in vollem Umfang wieder aufzunehmen, sofern die Übergangsregierung eine schnelle Rückkehr zur Demokratie vollziehe.[13] Käme es dazu, dann hätten die Vereinigten Staaten in Niger Frankreich ausgebootet, das dort bis zum Putsch besonderen Einfluss besaß.
Neue Prioritäten
Unklar ist auch die Zukunft der Bundeswehr in Niger, die am Flughafen von Niamey einen Lufttransportstützpunkt unterhält. Die Kündigung der Zusammenarbeit mit den beiden EU-Einsätzen EUMPM und EUCAP Sahel betrifft auch deren deutschen Anteil. Prinzipiell denkbar wäre es jedoch für Berlin, mit Niamey bilateral zu kooperieren. Dies würde es der Bundesrepublik erlauben, sich wenigstens eine Rumpfpräsenz im Sahel zu sichern, wo Berlin, Paris und Brüssel eigentlich eine umfassende Kontrolle angestrebt hatten, jetzt aber Moskau weichen müssen. Verteidigungsminister Boris Pistorius war noch kurz vor den Weihnachtsfeiertagen eigens in die nigrische Hauptstadt gereist, um dort unter anderem mit seinem Amtskollegen Salifou Mody über einen etwaigen Verbleib der Bundeswehr zu verhandeln. Pistorius bot dabei an, die militärische Zusammenarbeit – gemeint waren wohl Ausbildungsprogramme – wieder aufzunehmen und in Niger ein Militärkrankenhaus zu errichten, sofern Niamey die deutschen Streitkräfte nicht gänzlich aus dem Land werfe.[14] Die nigrische Regierung lehnte nicht ab, legte sich aber auch nicht fest und teilte mit, die gesamte auswärtige Truppenpräsenz solle künftig „auf neue formelle Beine gestellt werden und immer abhängig sein von der nigrischen Beurteilung der Lage“. Das ist neu: Bislang musste Niger sich nach den Bedürfnissen der ehemaligen Kolonialmächte richten.