Die vor über 30 Jahren beschlossene schrittweise Anhebung des Regelpensionsalters von Frauen steht nun ab 1. Jänner 2024 bevor. Die lange Übergangsfrist sollte garantieren, dass künftig neu in die Pension eintretende Frauen den Männern am Arbeitsmarkt gleichgestellt sind. Von einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter sind wir aber Lichtjahre entfernt. Gleichzeitig haben Politik und Unternehmen verabsäumt, geeignete Rahmen- und Arbeitsbedingungen für den späteren Pensionsantritt der Frauen zu schaffen.
von Viktoria Reisinger für A&W-Blog
Schrittweise Anhebung bis 2033
Bis dato konnten Frauen bereits mit 60 Jahren in die reguläre Alterspension gehen, vorausgesetzt, dass sie die Mindestversicherungszeiten von 180 Monaten (davon 84 Monate aus eigener Erwerbstätigkeit) erreicht haben. Das ändert sich nun mit Jahreswechsel: Ab 1. Jänner 2024 wird das Regelpensionsalter der Frauen schrittweise an jenes der Männer herangeführt. Die Altersgrenzen sollen dann mit 1. Juli 2033 gleich sein: Dann werden Frauen – wie Männer bereits jetzt – erst mit Erreichen des Alters von 65 Jahren ihre Pension antreten können.
Schrittweise Anhebung des Frauenpensionsalters
Geplanter Pensionsantritt mit 60 für alle kam nicht
Dass Frauen früher in Pension gehen konnten als Männer, geht auf das Jahr 1947 zurück. Eigentlich war angedacht, dass Männer und Frauen mit 60 Jahren das Regelpensionsalter erreicht haben sollen und, sobald sich die vom Krieg gebeutelte Wirtschaft wieder erholt hat, auch das Pensionsalter der Männer auf 60 herabzusetzen. Auf die Umsetzung dieses Vorhabens wurde dann allerdings „vergessen“ und die Regelung blieb bestehen bis 1991.
In diesem Jahr stellte ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nach einer Beschwerde eines Mannes wegen Ungleichbehandlung fest, dass die unterschiedlichen Altersgrenzen dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, und beauftragte die damalige Bundesregierung, Anpassungen vorzunehmen, welche 1992 im Parlament beschlossen wurden. Und zwar mit einer Übergangsfrist, die im Wesentlichen von der damaligen Frauenministerin Johanna Dohnal ausverhandelt wurde. Demnach sollten – nach dieser langen Übergangsfrist – Frauen des Geburtsjahres 1963 dann den Männern am Arbeitsmarkt gleichgestellt sein und auch gleichgestellt mit den Männern in Pension gehen.
Viele Frauen wissen noch gar nichts von ihrem „Glück“
Viele Frauen – laut Arbeitsklima-Index Frauen 2022 rund ein Drittel – wissen über die Änderungen des Pensionsantrittsalters für Frauen gar nicht Bescheid. Selbst jene, die unmittelbar von der schrittweisen Erhöhung betroffen sind: 13 Prozent der über 50-Jährigen gaben noch 2022 an, davon nichts zu wissen, und weitere 13 Prozent waren sich nicht sicher, ob sie davon schon gehört hatten.
„Anpassung“ des Pensionsantrittsalters auf dem Rücken der Frauen!
Die Anpassung wird im Turbo vollzogen, obwohl Frauen nach wie vor in vielen gesellschaftlichen Bereichen, vor allem aber am Arbeitsmarkt, benachteiligt sind:
- 2021 verdienten Frauen österreichweit trotz ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung(!) um knapp 17 Prozent weniger als Männer.
- Die Hauptlast der Kindererziehung und die unentgeltliche Pflege und Betreuung zu Hause wird – vor dem Hintergrund der schlecht ausgebauten sozialen Dienstleistungen – nach wie vor mehrheitlich von Frauen verrichtet.
- Dies wiederum drängt viele Frauen in Teilzeit: In Österreich arbeiten fünf von zehn Frauen 2022 in Teilzeit. Lange Teilzeitphasen wirken sich wegen der „Lebensdurchrechnung“ negativ auf das Pensionskonto aus.
- Elternkarenz ist nach wie vor Frauensache: In acht von zehn Partnerschaften übernimmt die gesamte Karenz die Mutter. Frauen tragen somit die direkten und indirekten Einkommenseinbußen durch Unterbrechungen allein. Zwar kompensieren Kindererziehungszeiten am Pensionskonto Unterbrechungen etwas, die Bewertung von diesen ist aber viel zu niedrig und schafft es nicht, die langfristigen negativen Folgen für Frauen abzufedern.
- Langfristige Folgen von kinderbedingten Unterbrechungen (und anschließende Teilzeitphasen) sind nachhaltige Einkommenseinbrüche bei Müttern („motherhood penalty“), wie die Forschung von Ökonomie-Nobelpreisträgerin Claudia Goldin aufzeigt.
Viele Frauen im Alter von Armut bedroht!
Für viele Frauen endet der Blick auf das eigene Pensionskonto im Alter mit einem Schock. 70 Prozent der Arbeitnehmerinnen in Österreich befürchten, ihre künftige Pension werde gerade beziehungsweise gar nicht ausreichen (Arbeitsklima Index 2023). Berechtigt, denn die jahrelangen Benachteiligungen resultieren aktuell in um 40,5 Prozent niedrigeren Pensionen im Vergleich zu Männerpensionsbezügen. Rund zwei Drittel der Ausgleichszulagenbezieher:innen sind weiblich. Und allein lebende Frauen mit Pension waren 2022 laut EU-SILC mit 26 Prozent überdurchschnittlich oft von Armut bedroht. Zum Vergleich: Bei den allein lebenden Männern mit Pension lag die Armutsgefährdung bei „nur“ 17 Prozent.
Pensionssystem entspricht weiblichen Lebensrealitäten kaum
Kern der strukturellen Benachteiligungen von Frauen ist, dass unser erwerbszentrierter Sozialstaat – trotz Gender Budgeting und Gleichbehandlungsgesetz – grundlegend männlich normiert ist. Bereits die Pensionsformel 65/45/80 zeigt, dass diese einen männlichen Idealerwerbsverlauf beschreibt: Einen Mann, der 45 Jahre in Vollzeit gearbeitet hat und dann mit dem Regelpensionsalter von 65 Jahren (das immerhin bis 2033 das Regelpensionsalter ausschließlich von Männern sein wird) mit 80 Prozent seines durchschnittlichen monatlichen Lebenseinkommens als Pension rechnen kann. Die starke Erwerbszentriertheit hinterlässt bei denen, deren Arbeit zum größten Teil unbezahlt und unterbezahlt ist, eine riesengroße Lücke. Das sind vorwiegend Frauen! Ganz zu schweigen, dass 45 Jahre für Frauen nach der Geburt eines oder mehrerer Kinder kaum schaffbar sind. Viele Frauen arbeiten aber bereits jetzt länger als sie eigentlich müssten: 2022 lag das faktische Antrittsalter bei Frauen bei 60,7 Jahren.
Arbeitsbedingungen erschweren „Durchhalten“ bis zur Pension
Rund ein Drittel der Arbeitnehmerinnen gibt an, bis zur Pension wahrscheinlich nicht „durchhalten“ zu können (Arbeitsklima Index 2023). Das zeigt sich auch im Rückgang direkter Übergänge in eine Alterspension, wie eine WIFO-Studie zeigt: 2018 traten nur etwas mehr als die Hälfte der Pensionistinnen direkt aus einer Erwerbstätigkeit in eine Alterspension über. Die Lücke vor dem Pensionsantritt betrug 2018 für Frauen durchschnittlich 6,2 Jahre.
Große Versäumnisse angesichts des höheren Frauenpensionsalters
Politik und Unternehmen haben es verabsäumt, alter(n)sgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen. Älteren Arbeitssuchenden – insbesondere Frauen, die durch Alter und Geschlecht einer Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind – wird ein lückenloser Übertritt in die Pension schwer gemacht. Darüber hinaus scheiden nach wie vor auch viele ältere Frauen am Arbeitsmarkt aus, weil es an Pflegemöglichkeiten fehlt. Gerade viele Frauen kümmern sich in ihren 50ern zu Hause unbezahlt um ihre pflegebedürftigen Eltern oder Schwiegereltern. Zwar gibt es im Rahmen der Pensionsversicherung die Möglichkeit der kostenlosen Selbstversicherung bei der Pflege von Angehörigen, diese wird mit 2.090,61 Euro (2023) wie bei den Kindererziehungszeiten unter dem durchschnittlichen Einkommen österreichischer Arbeitnehmer:innen bewertet (2021: 2.703 Euro).
Gleichstellungsbooster jetzt!
Bevor es zur „Anpassung“ des Regelpensionsalters kommt, würde es ein Maßnahmenbündel brauchen, das an vielen Stellschrauben dreht und vor allem einen gleichberechtigten Zugang zur (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit mit gleicher Bezahlung gewährleistet. Aber auch im Pensionssystem braucht es Reformen, um weibliche Realitäten besser mitzudenken, wie auch mehr politisches Engagement, Erwerbslücken vor dem Pensionsantritt durch aktive Arbeitsmarktpolitik zu bekämpfen.
Ausbau sozialer Dienstleistungen:
- Ausbau vollzeittauglicher, flächendeckender, kostenloser Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten und maximal fünf Wochen Schließzeiten inkl. eines Rechtsanspruchs auf einen qualitätsvollen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag bis zum Ende der Sekundarstufe I.
- Ausbau der professionellen mobilen und stationären Betreuung und Pflege.
UmFAIRteilung bezahlter/unbezahlter Arbeit:
- Ausgewogene Verteilung der Arbeitszeit, insbesondere kürzere Vollzeit mit Ausgleich bei Lohn und Personal für beide Geschlechter.
- Reform des Kinderbetreuungsgeldes, sodass ein Anreiz für echte partnerschaftliche Aufteilung (50:50) besteht.
Gender-Pay-Gap endlich schließen!
- Gleicher Lohn für gleich(wertig)e Arbeit!
- „Echte“ Einkommenstransparenz durch eine schnelle und effektive Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie.
- Finanzielle und gesellschaftliche Aufwertung von „typischen“ Frauenbranchen (wie Handel, Reinigung, Pflege, Kinderbetreuung etc.).
In der Pensionsversicherung:
- Höhere Teilpflichtversicherung am Pensionskonto für Kindererziehungs- und Pflegekarenzzeiten in der Höhe des monatlichen österreichischen Durchschnittserwerbseinkommens (2021: 2.703 Euro).
- Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes über die Armutsgefährdungsschwelle (aktuell 1.392 Euro).
Alter(n)sgerechte Arbeitsbedingungen:
- Durch u. a. Schulung von Führungskräften, Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen – das bedeutet auch ausreichend Personal und Zeitressourcen und auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter:innen.
- Rechtsanspruch auf Altersteilzeit inkl. Erhalt der auslaufenden Blockvariante.
Ältere Arbeitssuchende besser unterstützen:
- Durch ein Bonus-Malus-System, das Betriebe bestraft, die eine gewisse Quote an älteren Arbeitnehmer:innen nicht erfüllen, und jene Betriebe belohnt, die diese erfüllen oder übererfüllen.
- Jobgarantie insbesondere für ältere Arbeitnehmer:innen.
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