Für Bio-Hoteliers ist Bio mehr als eine Modeerscheinung und Nachhaltigkeit mehr als eine Bilanz auf dem Klimakonto. In Biohotels verbinden sich Begeisterung für biologischen Lebensstil, exquisite Küche und luxuriöse Gastfreundschaft. Ich ziehe den Hut vor ihrer Leidenschaft – und diesmal auch in eigener Sache.
von CHRISTA DREGGER
Am Rande des Dorfes Gargazon, inmitten von Apfelfeldern, Kakibäumen und einigen Palmen, am Fusse von Bergen und Wasserfällen in Südtirol liegt der moderne Holzbau des Biorefugiums Theiners Garten.
«Wir waren immer Bauern», erzählt Hoteldirektor Ingo Theiner. «Und wir betreiben immer noch den Bergerhof mit Obstplantagen, Äpfeln und Pfirsichen.»
Schon seine Eltern waren Biopioniere und stellten vor über 40 Jahren auf biologische Anbauweise um – angesichts immer resistenterer Schädlinge wollten sie die Spritzerei im Obstbau nicht mehr mitmachen und gehörten zu den ersten biologisch-dynamischen Landwirten Südtirols.
«Ich hatte den Hof übernommen, als sie entschieden, etwas ganz Neues zu machen: ein Bio-Hotel zu bauen.» Allein konnten sie die Investition nicht stemmen, so tagte der Familienrat und beschloss, das Vorhaben gemeinsam anzugehen. Ingo machte eine Ausbildung als Sommelier – Schwerpunkt Schnapsbrennerei – «Das Nachhaltigste, was man mit dem eigenen Obst machen kann.» Und im Jahr 2009 bauten sie das konsequent nach baubiologischen Prinzipien geplanten Holzhotel mit 1000 qm grossem Spa-Bereich mit Aussen- und Innenschwimmbad.
Warum sollte das Biorefugium Theiner´s Garten so gross werden?
«Die Küche war mir das Wichtigste», antwortet er. «Ich wollte, dass die Küche auch Menschen überzeugt, die nicht unbedingt bio-begeistert sind. Da haben wir durchgerechnet, wie gross Küche und Speisesaal sein müssen, damit sich wirklich gute Köche amortisieren – und danach haben wir die Anzahl der Zimmer und die Grösse des Wellnessbereiches ausgelegt.»
Und in der Tat: Die Kochkunst in Theiners Garten verdient nicht nur das Prädikat «biologisch». Sowohl das mehrgängige Abendmenü als auch die Buffets zeugen von kulinarischer Fantasie und Raffinesse. Und ein Teil der frischen Zutaten stammt direkt vom Bergerhof.
Ist das Konzept aufgegangen?
«Letztlich schon. Wir hatten das Glück, dass in den ersten Jahren die Netzwerk- und Vertriebspartner meiner Eltern unser Hotel füllten, Urlaub machten und Tagungen abhielten. Nach und nach wurden wir bekannter und haben mittlerweile etwa die Hälfte Gäste, die überzeuge Bio-Gäste sind – und die Hälfte, die auch so kämen.»
Der Verein Biohotels wurde vor 22 Jahren in Österreich gegründet. Die Partnerhotels verpflichten sich, in allen Bereichen ausschliesslich biologische Produkte zu verwenden: nicht nur die Lebensmittel, auch Reinigungsmittel, Kosmetik, Farben, baubiologische Materialien. Sie verpflichten sich ausserdem zu Transparenz über Nachhaltigkeit, Ressourcenverbrauch und Offenheit für Verbesserungen. Der Verein Biohotels stellt die entsprechenden Zertifikats aus.
Es gibt derzeit zertifizierte 32 Biohotels in Europa – viele in Österreich und Deutschland, aber auch in Italien, Griechenland, Slowenien und der Schweiz. Sie sehen sich nicht nur als Geschäftsinhaber, sondern als Botschafter eines Lebensstils. Viele von ihnen verbinden Landwirtschaft und Hotel.
Nicht so Christine Hütte, die Inhaberin der Villa Orange in der Innenstadt von Frankfurt. Ihr Motto ist: Grüner Urlaub in der Großstadt.
«Ich bin ursprünglich branchenfremd», erzählt die ehemalige Meinungsforscherin. «Ich hatte eine mehrmonatige Rucksackreise durch Australien und Neuseeland gemacht und in den Pensionen und Backpack-Hostels studiert, wo man sich wie zu Hause fühlte und wo nicht: klein, persönlich, gut eingerichtet – das gab es für Businessreisende in Frankfurt so nicht. Das wollte ich versuchen: ein Hotel, wo sich der Gast wirklich willkommen fühlt. Mein Vater unterstützte mich finanziell, und so fand ich ein ehemaliges Seniorenheim, das ich innerhalb von zwei Jahren umbauen liess. Die Menschen hier merken gar nicht, dass das Bankenviertel nur einen Steinwurf weit weg ist.“
Die meisten Biohotels haben die Corona-Zeit im Vergleich besser überstanden als andere Gastgewerbe. Wie kam das?
«Vielleicht weil wir breiter aufgestellt und flexibler sind», sagt Hütte. «Wir haben nicht nur Urlauber, sondern auch Business-Gäste. Wir machen Veranstaltungen wie den Literarischen Salon und bieten auch Raum für Tagungen. Heute versuchen viele Firmen, durch Green Meetings – das sind Tagungen, die Nachhaltigkeitsstandards entsprechen – umweltfreundlicher zu agieren.»
Wichtig ist den Bio-Hoteliers, dass man nicht nur «ein bisschen auf grün» macht, sondern 100% biologische Produkte verwendet: Von der Wandfarbe über die Marmelade am Frühstückstisch über die Bettlaken bis zur reich bestückten Bar ist alles bio.
Manchen reicht auch das nicht. Die Inhaber vom Gut Nisdorf an der Ostsee bieten nicht nur biologische Lebensmittel, sondern auch regionale an – und so kaufen sie die landwirtschaften Erzeugnisse für ihre Küche von Biobauern der Region.
Jürg Gloos und Sabine Stange erwarben vor 26 Jahren die Ruine eines alten Rittergutes – und bauten sie mit viel Handarbeit und Liebe zum Detail zu einem Biohotel mit Flair und Küstennähe, dem Gut Nisdorf, aus. Für den ehemaligen Informatiker und die ehemalige Krankenschwester war bio schon ein Lebensstil, als es noch eine Hippie-Angelegenheit war. Heute zieht das Gut Nisdorf nicht nur Bio-Liebhaber an, sondern alle möglichen Urlauber, die Ruhe und Naturnähe suchen. Nach über 24 Jahren sind sie müde geworden und haben Nachfolger gesucht.
Ich habe mich gleich in das Haus und seine Umgebung verliebt. Ebenso mein Mann und drei unserer besten Freunde. Wir haben eine Genossenschaft gegründet und vor vier Tagen das Gut Nisdorf – mit Hilfe von Bankdarlehen und Krediten vieler Freunden – erworben. Ein abenteuerlicher neuer Lebensabschnitt beginnt: Als kleine Gemeinschaft wollen wir ab nächstem Jahr ein Biohotels betreiben. Schon haben wir begonnen, die unendlich vielen Holzböden zu pflegen und zu ölen und uns in die Buchungssoftware einzuarbeiten. Ich bleibe natürlich Zeitpunkt-Redaktorin – und hoffe, dass der eine Leser oder die andere Leserin einmal den Weg zu uns an die Ostsee finden. Herzlich willkommen – und Entschuldigung für die Schleichwerbung!