Ting ist ein Kreuzding zwischen Spendenplattformen wie «Wemakeit», Microfinanzierung, Geldausleihen unter Freunden und einer Krankenkasse. Nur, dass nicht Operationen am offenen Herzen, sondern Projekte und Ausbildungen finanziert werden. Und im Gegensatz zu «Wemakeit» sind die Ting-Mitglieder näher dran bei der Entwicklung der anderen. Und verpflichten sich – am besten – ein Leben lang, monatlich in die «Ting»-Gemeinschaftskasse einzuzahlen.
Mit Freundschaft hat Ting insofern zu tun, als dass sich Ting als Community definiert. Die Mitglieder können einander kontaktieren, sich auf einer Plattform virtuell oder auch ganz real-life treffen. Im August 2019 gegründet, ist die Community mittlerweile auf 489 Mitglieder angewachsen.
Ting kennt drei Mitgliedskategorien: Die Transformer (heute gehören 207 Mitglieder in diese Kategorie) zahlen 150 Franken, die Boosters 65 Franken (111 Mitglieder) monatlich ein. Transformer und Boosters haben nach einer Sperrfrist von sechs Monaten das Recht Projektunterstützung von maximal 2500 Franken monatlich zu erhalten, sechs beziehungsweise zwei Monate lang. Die Enablers (171 Mitglieder) können ihren Monatsobulus ab zehn Franken aufwärts frei bestimmen. Und sind so etwas wie Sponsoren. Denn sie zahlen nur ein.
Wir haben gemerkt, dass wenn wir Vertrauen schenken, uns auch Vertrauen entgegengebracht wird.
Wow, und wie macht ihr das, dass ihr nicht ausgenutzt werdet? Also, dass einer nicht einfach sechs Monate einzahlt, sechs mal 2500 Franken monatlich abkassiert und dann abhaut? Eine meiner ersten Fragen an Ondine Riesen. Sie hat Ting mitbegründet und hat übrigens zwei Jahre lang für den «Zeitpunkt» gearbeitet. Ondine hat die Frage erwartet: «Solche Menschen gibt es, aber sie gehören zu einer ganz kleinen Minderheit. Die meisten kommen zu uns, weil sie genau diese Art von Solidarität und ein solches Ausleihsystem wünschen.»
Ondine weiter: «Wir haben gemerkt, dass wenn wir Vertrauen schenken, uns auch Vertrauen entgegengebracht wird.» Der Homo Oeconomicus, der nur auf seinen Vorteil aus ist, sei ein Konstrukt. Ondine: «Es wäre doch viel leichter, wenn mehr Dinge wieder auf Vertrauen anstatt Kontrolle basieren würden.»
Wie das nun genau ist mit dem Vertrauen und der gegenseitigen Unterstützung und überhaupt mit Ting, das soll nun auch wissenschaftlich erforscht werden. Sie seien mit verschiedenen Forschern im Austausch, erzählt Ondine. Ting ist eben auch ein Forschungsfeld für die Vertrauensökonomie.
Vertrauensbildend ist sicher auch, dass die Community jederzeit Einblick hat auf das sogenannte Cockpit hat. Hier sind alle Zahlen, Einnahmen, Ausgaben, die Mitgliederentwicklung jederzeit einsehbar. Transparenz gekoppelt mit Vertrauen scheint also die neue Währung zu sein.
Welche Projekte unterstützt den Ting nun?
Die Projektanträger müssen intrinsisch motiviert sein. Das Projekt muss den Antragsteller weiterbringen. Und das Projekt muss einen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen. So steht es in den Ting-Richtlinien. Zu Beginn haben Ondine und ihre Mitbegründer die Projekte selber ausgewählt. Nun kann jedes Mitglied «Prüfer:in» werden. Zusammen mit einer externen Ethikerin bewertet das Gremium, ob ein Projekt anhand der selbstdeklarierten Zielformulierungen den Ting-Massstäben gerecht wird.
Ondine: «Die Prüferinnen schreiben hin, was genauer definiert werden muss, so kann sich das Mitglied im Falle einer Ablehnung weiter verbessern.»
Die Idee mit der Prüferin kam übrigens aus der Community. Genauso wie die Anregung, die Sperrfrist, bis man Geld aus der Ting-Kasse beziehen kann, von drei auf sechs Monate heraufzusetzen.
Im Bereich Weiterentwicklungen auf Ting ist einsehbar, welche Art von Projekten gefördert werden. Es sind häufig soziale und therapeutische Vorhaben, so etwa empathische Sterbebegleitung oder eine Praxis für Bodycentering. Und eine Quereinsteigerin lässt sich ihren Beruf als Primarlehrerin ebenfalls sponsoren.
Selbsttragend würde Ting ab einer Mitgliederzahl von rund 2000. Bis dahin ist der alternative Geldverleihverein auf Partner angewiesen. In den ersten Jahren hat ihn der Migros Pionierfonds unterstützt. Besonders schön ist es natürlich, wenn reiche Menschen Ting unter die Arme greifen. Wie die Frau, die dem Verein jeden Monat 20 000 Franken spendet, 10 000 davon sind für Löhne, Miete und die Kosten für die Plattform reserviert.