Die jährliche Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP28 findet vom 30. November bis 12. Dezember 2023 in Dubai statt. Sie wird 198 Staaten und Gruppen versammeln, um die globale Bedrohung durch die Klimakrise anzugehen. Agnès Callamard, die internationale Generalsekretärin von Amnesty International, wird vom 1. bis 6. Dezember an der Konferenz teilnehmen. Auch die Menschenrechtsbilanz des Gastgeberlandes, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), muss auf dem Prüfstand stehen. Wie wird sich die Austragung in den VAE – ein führender Produzent fossiler Brennstoffe – auf den Erfolg des Gipfels auswirken? Was haben frühere Klimagipfel gebracht? Was muss bei dieser COP dringend geschehen? Sechs Fragen und Antworten zur COP28.
1. Die Länder haben sich bereits auf vorangegangen COPs darauf geeinigt, die Erderwärmung zu begrenzen – was ist seitdem passiert?
Auf der COP21 in Paris im Jahr 2015 einigten sich die Länder darauf, die Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise abzuwenden. Wir haben bereits etwa 1,4 °C erreicht, und das Weltklima wird sich nach Angaben des wissenschaftlichen Beratungsgremiums IPCC bis zum Jahr 2100 um mindestens 2,8 °C erwärmen – was katastrophale Folgen für Milliarden von Menschen und für die Ökosysteme haben wird. Die Konzentrationen von Treibhausgasen, einschließlich Kohlendioxid und Methan, die die Atmosphäre erwärmen und hauptsächlich aus der Produktion und Verbrennung fossiler Brennstoffe stammen, haben bereits Rekordwerte erreicht und steigen weiter an.
2. Aber das Weltklima hat sich auch in der Vergangenheit verändert, wo liegt denn das Problem?
Die globalen Temperaturen steigen in einem noch nie dagewesenen Tempo. Die letzten acht Jahre waren die heißesten, die je aufgezeichnet wurden. Im Juli erlebte die Welt den heißesten Tag aller Zeiten, und 2023 wird mit ziemlicher Sicherheit das heißeste Jahr werden. Diese Hitze führt dazu, dass extreme Wetterereignisse immer häufiger und heftiger auftreten, Ernten und Viehbestände vernichtet werden, Ökosysteme geschädigt und Leben und Existenzgrundlagen zerstört werden. Das Muster von zunehmender Hitze, Dürren und Waldbränden, gefolgt von extremen Niederschlagsereignissen, wird immer alltäglicher. Längerfristige Prozesse wie das Abschmelzen und der Rückgang der Gletscher, der Schwund der polaren Eisschilde und der Anstieg des Meeresspiegels haben sich intensiviert.
3. Was hat die Klimakrise mit Menschenrechten zu tun?
Jeder Mensch hat das Recht, in einer sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt zu leben. Mit der Verschärfung der Klimakrise ist sowohl dieses als auch andere Rechte zunehmend bedroht. Die Klimakrise verschlimmert Dürren, schädigt Ernten und führt zu Nahrungsmittelknappheit und steigenden Lebensmittelkosten. Nach Jahrzehnten des stetigen Rückgangs ist der Hunger in der Welt wieder gestiegen. Diese Verknappung verschärft den Wettbewerb um Ressourcen und kann zu Vertreibung, Migration und Konflikten führen, was wiederum andere Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat. Die Hauptlast der Klimakrise tragen oft die ohnehin schon gefährdeten Bevölkerungsgruppen, die fossile Brennstoffe am wenigsten nutzen. Dazu zählen Bäuer*innen in Subsistenzwirtschaft (Selbstversorgung), indigene Völker und die Bewohner*innen niedrig gelegener Inselstaaten, die mit dem Anstieg des Meeresspiegels und stärkeren Stürmen konfrontiert sind, und deren Rechte auf Gesundheit, Leben, Nahrung und Bildung am häufigsten beeinträchtigt werden. Die Erderwärmung wirkt sich auch auf viele andere Rechte in Ländern aller Einkommensschichten aus, zum Beispiel indem sie die Luftverschmutzung erheblich verschlimmert. Sie führt dazu, dass sich krankheitsübertragende Stechmücken in neuen Gebieten ausbreiten. Extreme Hitze führt zu Todesfällen bei Menschen, die im Freien arbeiten müssen, und erhöht die Sterblichkeitsrate in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen. In einkommensstarken Ländern werden die durch die Förderung fossiler Brennstoffe und die Klimakrise verursachten Schäden oft unverhältnismäßig stark in den so genannten „Opferzonen“ verursacht, in denen oft bereits marginalisierte Gemeinschaften der schädlichen Umweltverschmutzung ausgesetzt sind und wo mangelnde Investitionen bedeuten, dass die öffentliche Infrastruktur schlecht für extreme Wetterereignisse gerüstet ist.
„Die Klimakrise ist auch eine Menschenrechtskrise – und zwar in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Einerseits wird das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt für Millionen Menschen bedroht – ein Recht, das vom UN-Menschenrechtsrat 2021 und von der UN-Generalversammlung 2022 anerkannt wurde und in den nationalen Verfassungen von mehr als 100 Ländern verankert ist. Das verpflichtet die Staaten, aber auch Unternehmen, die gemäß der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte die Verantwortung haben, keinen Schaden anzurichten. Die Wahrheit ist, dass fossile Brennstoffe unsere Zukunft gefährden, indem sie das Klima zerstören. Leider profitieren einige wenige Unternehmen und Staaten nach wie vor an der Industrie für fossile Brennstoffe. Diese haben ein großes Interesse daran, einen gerechten Übergang zu erneuerbaren Energien zu blockieren.“
Ronya Alev, Expertin für Klimagerechtigkeit bei Amnesty International Österreich
4. Was müssen wir tun, um das Problem zu lösen?
Viel mehr. Eine Vereinbarung über einen schnellen, fairen und ausfinanzierten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen auf der COP28 ist entscheidend für den Schutz der Menschenrechte. Regierungen und führende Wirtschaftsvertreter*innen können und sollten viel mehr tun, um der zunehmenden Erschließung fossiler Brennstoffressourcen Einhalt zu gebieten, die mit den Menschenrechtsverpflichtungen der Staaten und dem Ziel, die Erderwärmung auf unter 1,5°C zu begrenzen, unvereinbar ist. Viele Länder investieren in den Ausbau erneuerbarer Energien. Doch für die Energiewende, die allen Menschen Zugang zu nachhaltiger Energie verschafft, ist weit mehr erforderlich. Sowohl öffentliche Finanzierung von erneuerbaren Energien, die Verursacher*innen von Umweltverschmutzung zur Kasse zu bitten als auch verpflichtende Elektrifizierung sind politische Ansätze, die messbare Auswirkungen auf die Emissionen haben können.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Verletzung von Rechten sind mehrere Gerichtsverfahren im Gange, an denen auch Amnesty International beteiligt ist und die zeigen, dass es rechtliche Möglichkeiten gibt, Staaten und Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Durch Kampagnen und Klima-Aktivismus konnten wichtige Siege errungen werden, die zeigen, dass der Druck der Basis auf Regierungen und Unternehmen, nicht mehr in fossile Brennstoffe zu investieren, uns helfen kann, die Wende zu schaffen. Junge Menschen und Minderheiten, die am meisten unter den Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel leiden, stehen oft an der Spitze dieser Bemühungen.
„Untätigkeit ist keine Option, wenn sich unser Klima in einem noch nie dagewesenen Tempo erwärmt und die Rechte von Milliarden von Menschen auf dem Spiel stehen. Der einzig sichere Weg, diese Katastrophe abzuwenden, besteht darin, dass sich die Staaten auf der COP28 auf einen schnellen Ausstieg aus der Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe einigen“
Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International
5. Wie steht es mit den Menschenrechten in den VAE? Ist das Land nicht ein führender Produzent fossiler Brennstoffe?
Die miserable Menschenrechtsbilanz der VAE stellt eine Gefahr für den Erfolg des Gipfels dar. Die Zusage, auf der COP28 unterschiedliche Stimmen zuzulassen, ist unzureichend und unterstreicht das normalerweise restriktive Menschenrechtsumfeld in den VAE und die starken Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung. Die Blockade des zivilen Raums und die Möglichkeit digitaler Spionage und Überwachung geben Anlass zur Sorge. Amnesty International hat ein umfassendes Briefing zur Menschenrechtslage in den VAE erstellt. Die COP muss ein Forum sein, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest gewahrt wird. Die Zivilgesellschaft, indigene Völker und vom Klimawandel betroffene Gruppen müssen offen und ohne Angst teilnehmen können. Emiratis und Menschen aller Nationalitäten müssen in der Lage sein, Staaten, Regierende, Unternehmen und die Politik, auch die der VAE, frei zu kritisieren, damit sie die Politik ohne Einschüchterung mitgestalten können.
Die VAE gehören zu den zehn größten Erdöl-produzierenden Staaten der Welt und sind gegen einen raschen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Die Industrie für fossile Brennstoffe erwirtschaftet enormen Reichtum für relativ wenige Unternehmen und Staaten, die ein ureigenes Interesse daran haben, einen echten Übergang zu erneuerbaren Energien zu blockieren und Gegner*innen zum Schweigen zu bringen.
Den Vorsitz der COP28 hat Sultan Al Jaber inne, der auch Chef des staatlichen Öl- und Gasunternehmens ADNOC der Vereinigten Arabischen Emirate ist, das seine Produktion fossiler Brennstoffe ausbaut. Amnesty International hat Sultan Al Jaber aufgefordert, von ADNOC zurückzutreten, da es sich um einen eklatanten Interessenkonflikt handelt, der den Erfolg der COP28 gefährdet und symptomatisch für den zunehmenden Einfluss ist, den die Lobby der fossilen Brennstoffe auf die Staaten und die COP ausüben kann.
6. Wie kann von Ländern mit weniger Ressourcen erwartet werden, dass sie die Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen erreichen?
Viele Länder verfügen nicht über ausreichende Ressourcen, um die durch die Erderwärmung verursachten Schäden zu beheben, sich an ihre Auswirkungen anzupassen und die Rechte der Menschen zu schützen. Staaten mit höherem Einkommen sind nach den Menschenrechtsbestimmungen und dem Pariser Abkommen von 2015 verpflichtet, ihnen Unterstützung zu leisten. Im Jahr 2009 versprachen die einkommensstärksten Staaten, die in der Vergangenheit die größten Treibhausgasemittenten waren, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar, um den „Entwicklungsländern“ bei der Emissionsreduzierung und der Anpassung an die Klimafolgen zu helfen. Bislang sind sie dieser Finanzierungszusage nicht nachgekommen. Die Einhaltung aller bestehenden Zusagen und die Aufstockung der Mittel für Anpassungs- und Sozialschutzprogramme sind entscheidend für den Schutz der Menschenrechte. Die einkommensstärkeren Staaten hatten sich jahrelang geweigert, für die durch den Klimawandel verursachten Verluste und Schäden in den „Entwicklungsländern“ aufzukommen. Doch auf der letztjährigen COP wurde die Einrichtung eines Fonds für Verluste und Schäden beschlossen („Loss and Damage“). Wie dieser Fonds betrieben und verwaltet werden soll, wird Gegenstand der Verhandlungen auf der diesjährigen Tagung sein.
Einkommensstärkere Staaten können durch ihre Rolle als Gläubiger und Regulatoren sowie durch ihren Einfluss auf die Weltbank im Hinblick auf einen Schuldenerlass oder Darlehen mit weniger strengen Bedingungen dazu beitragen, einen gerechten Übergang zu erneuerbaren Energien weltweit zu beschleunigen.
Amnesty International hat ausführliche Empfehlungen zur COP28 veröffentlicht. Hier findest du weitere Informationen zu unserer Arbeit zum Thema Klimakrise.