Ein Interview mit Eve McMullen über ihren Einsatz gegen moderne Sklaverei
Du arbeitest in einer der großen, britischen Organisationen, die Opfern moderner Sklaverei Unterstützung anbieten. Was genau beinhaltet deine Rolle?
Leute kommen zu uns, wenn sie in den NRM (den Nationalen Vermittlungsmechanismus) aufgenommen wurden, und laut Gesetz sollen sie nur 45 Tage in diesem System bleiben, aber unsere Mandanten sind im Durchschnitt zwei Jahre bei uns, während sie auf ihre Entscheidungen warten. Wir sind also zu einem viel umfassenderen Unterstützungssystem geworden, als beabsichtigt war. In erster Linie sollten wir Wegweiser sein und sie [die Mandanten] mit allen Unterstützungssystemen verbinden, die sie brauchen – Überweisungen für psychologische Hilfe, den Hausarzt, Anträge auf Obdachlosigkeit. Da wir aber oft der einzige Unterstützungsdienst sind, der sich jeden Monat persönlich mit diesen Menschen trifft, bieten wir letztendlich eine umfassendere Unterstützung an. Ich helfe meinen Mandanten, was verschiedene Bedürfnisse angeht, zum Beispiel bei der Unterbringung, der Gesundheit, der psychischen Gesundheit, der finanziellen Bildung, wenn sie Englischunterricht wünschen, und bei der Suche nach einem Anwalt für ihren Einwanderungsfall.
Wie oft siehst du deine Mandanten?
Wir müssen sie mindestens einmal im Monat vor Ort sehen, aber Mandanten, mit denen ein höheres Risiko verbunden ist, haben einen erhöhten Kontaktplan, also sehe ich sie etwa alle zwei Wochen.
Deine Arbeit fokussiert sich auf Hilfe für Opfer moderner Sklaverei, stimmt das?
Ja, nur Opfer moderner Sklaverei. Nur wenn sie im NRM sind, kommen sie zu uns – weil wir vom Innenministerium beauftragt sind, die Unterstützung zu leisten, die sie eigentlich geben sollten. Aber moderne Sklaverei ist eine lächerlich vage Kategorie. Sie umfasst die meisten Formen von Ausbeutung, die man sich vorstellen kann. Die meisten Menschen denken bei Menschenhandel an die traditionellen Assoziationen zum Sklavenhandel – aber viele unserer Mandanten haben sich für einen Umzug entschieden und wurden dabei ausgebeutet oder sind britische Opfer. Es gibt viele Menschen im Vereinigten Königreich, die Teil des Drogenhandels, der „County Lines“ und der Zwangskriminalität waren. Wir arbeiten mit Opfern von häuslicher Sklaverei, sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit und manchmal sogar Organentnahme.
Gibt es irgendwelche Arten von moderner Sklaverei, die im Vereinigten Königreich stärker ausgeprägt sind als in anderen Ländern?
Es gibt definitiv wiederkehrende Motive. Bei britischen Opfern geht es oft um Drogenhandel und Zwangskriminalität. Sie haben manchmal schon Sozialhilfe erhalten oder wurden von klein auf in Gangs herangezogen. Wenn ich meine Arbeit in einem anderen Teil des Landes, zum Beispiel in Nottingham oder Liverpool, machen würde, würde ich wahrscheinlich noch häufiger auf diese Fälle stoßen. Da ich im Südosten des Landes arbeite, haben wir es mit viel mehr Asylbewerbern zu tun. Es liegt einfach daran, dass sie hier ankommen. Der größte Teil unserer Mandanten, ein Drittel, sind Albaner. Bei den meisten albanischen Fällen, mit denen ich es zu tun habe, handelt es sich um Frauen, die Opfer von Sexhandel geworden sind. Zunehmend erleben wir aber auch, dass junge albanische Männer mit Tricks zur Arbeit im Drogenhandel oder zu unbezahlter Arbeit im Baugewerbe gezwungen werden. In den britischen Nachrichten hören wir viel über den albanischen Exodus, aber vor Ort ist er äußerst beunruhigend.
Ein weiterer, recht großer Anteil kommt aus nordafrikanischen Ländern. Manchmal sind es Frauen, die vor Verfolgung fliehen, oder junge Männer, die vor Konflikten entkommen möchten. Oft wurden sie durch Libyen geschleust, wo Zwangsarbeit und Folter durch die Schmuggler anscheinend zum Standard gehören. Diese Geschichten gehören zu den schrecklichsten, die ich je gehört habe, sie beinhalten häufig Folter und Vergewaltigung.
Selbst wenn Menschen es nach Großbritannien schaffen, sind sie nicht unbedingt sicher, da viele Formen der modernen Sklaverei hier gut versteckt sind. Wir sehen zum Beispiel viele philippinische Frauen, die von – oft sehr wohlhabenden – britischen Familien als Kindermädchen und Hausangestellte ausgebeutet werden. Natürlich sind nicht alle diese Unternehmen illegitim, aber es fällt mir schwer, an einer Autowaschanlage oder einem Nagelstudio vorbeizugehen, ohne mir Gedanken über die dort angestellten Gastarbeiter zu machen.
Wie haben es die Leute in diesen Fällen geschafft, sich aus dem Menschenhandel zu befreien? Und im Fall der albanischen Frauen: Wurden sie in Albanien Opfer des Sexhandels und haben im Vereinigten Königreich Zuflucht gesucht, oder passierte ihnen so etwas im Vereinigten Königreich?
Wir sehen eine ganze Bandbreite. Ich kann nicht genug betonen, wie oft es sich bei diesen albanischen Fällen um ganz normale Frauen handelt, denen eine scheinbar legale Arbeit angeboten wird; die inhaftiert werden, um die Schulden ihrer Ehemänner zu begleichen; die von einem Mann hintergangen wurden, den sie für ihren Freund hielten; oder die buchstäblich von der Straße entführt werden. Zwei unterschiedliche Fälle zum Vergleich: Ich habe mit einer Frau gearbeitet, die in Albanien von Männern angeworben wurde, unter Drogen gesetzt und erpresst wurde. Sie wurde dann quer durch Europa verschleppt. Sie [die Menschenhändler] neigen dazu, sie in verschiedene Länder zu bringen – Deutschland, Frankreich, die Schweiz – alle für dieselbe Arbeit. Sie waren gerade dabei, sie nach Großbritannien zu bringen. Als ihr Lastwagen im Vereinigten Königreich ankam, konnte sie fliehen, statt ihre Arbeit dort fortzusetzen. Man hört viel über Menschen, die durch „sichere“ Länder wie Frankreich oder Deutschland reisen, bevor sie in Großbritannien Asyl beantragen, aber ich habe viele Fälle erlebt, in denen sich die Opfer sicher waren, dass nur ein Ozean ausreicht, um sie vor erneutem Menschenhandel quer durch Europa zu schützen.
Der andere Fall war eine Minderjährige, damals etwa sechzehn oder siebzehn Jahre alt, die aus Albanien kam. Sie dachte, sie sei in das Vereinigte Königreich gekommen, um häuslicher Gewalt zu Hause zu entkommen. Sie dachte, sie käme mit ihrem Freund. Aber ihr Freund verließ sie, sobald sie auf das Schiff nach Großbritannien gesetzt wurde. Das ist eine der Methoden, die sie anwenden: „Lover-Boy“. Sie täuschen vor, ihr Freund zu sein, und rekrutieren sie [die Frauen] dann für die Prostitution. Ich bin nicht mehr leicht zu schocken, aber es gab einmal einen Fall, in dem eine Minderjährige aus ihrem Hotel im Vereinigten Königreich entführt wurde, um in einem örtlichen Bordell zur Prostitution gezwungen zu werden. Mein Herz brach, als ich davon hörte.
Wie oft erkennen Leute die Anzeichen moderner Sklaverei? Wie schwierig ist es, als außenstehende Person in den Kreislauf einzudringen?
Sehr schwierig. Vor allem, weil es nicht viel Bewusstsein zum Problem gibt. Teil der Arbeit unserer Organisation besteht darin, bei großen Unternehmen und in Gemeinden Aufklärungsarbeit zu moderner Sklaverei zu leisten. Aber die Grenzen sind oft unklar. In Fällen von Zwangsprostitution und Sexhandel ist es ganz offensichtlich, dass es sich um ein Verbrechen handelt, aber oft sind Arbeiter ohne Einwanderungsstatus betroffen, und die Leute, die sie anstellen, sind vielleicht keine schlechten Menschen, vielleicht aber doch. Wenn ihre Arbeitsbedingungen nicht gut sind, können sie nicht zur Polizei oder zur Gewerkschaft gehen, sie können nichts tun. Sie wissen, dass sie keinen Status haben und dass sie abgeschoben werden, wenn sie sich an die Behörden wenden. Es gibt Arbeitgeber, die sich daraus einen Nutzen ziehen.
Haben Menschen, die als illegale Einwanderer ins Vereinigte Königreich kommen, eine echte Alternative zu Arbeit, die sie moderner Sklaverei aussetzen könnte?
[Lacht.] Ich würde gerne ja sagen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das die Realität ist. Viele der Gesetze zur modernen Sklaverei konzentrieren sich nicht wirklich auf Verhinderung oder Erkennung. Nicht ein einziger Fall, den ich hatte, kam vor Gericht oder wurde von der Polizei untersucht. Die Gesetzgebung konzentriert sich in erster Linie darauf, die Einwanderung zu stoppen, angeblich als Mittel, um auch den Menschenhandel zu beenden. Ein Großteil der Rhetorik, die im Moment verwendet wird, lautet: Wenn wir die Boote stoppen, stoppen wir auch die Menschenhändler. Das neue Gesetz über illegale Einwanderung bedeutet, dass jeder, der auf „illegale“ oder irreguläre Weise hierhergekommen ist, kein Recht hat, einen Antrag auf moderne Sklaverei oder Asyl zu stellen. Das liegt an der Einreiseart. Aber im Grunde genommen wird jemand, der von Menschenhändlern verschleppt wurde, immer auf illegalem Weg einreisen, das ist doch klar.
Es gibt also einen gesetzlichen Rahmen, aber ich glaube nicht, dass es das Ziel dieses Rahmens ist, den Opfern zu helfen. Ich denke, es geht in erster Linie um Einwanderungskontrolle. Es gibt auch keine wirkliche Trennung zwischen der Polizei und den Vollzugsbeamten der Einwanderungsbehörde. Das ist in anderen Ländern, wie etwa den Niederlanden, nicht so. Wenn man hier zur Polizei geht, ist es sehr wahrscheinlich, dass man angezeigt wird.
Hat der Brexit die Gesetzgebung stark beeinflusst?
Ich weiß nicht, welche EU-Rechtsvorschriften es zur modernen Sklaverei gibt. Da es sich bei dem Thema, mit dem wir uns befassen, um ein relativ „neues“ handelt, gibt es für viele Aspekte keine internationalen Rechtsvorschriften. Aber seit dem Brexit hat das Innenministerium mehr Spielraum für seine Einwanderungspolitik, wobei die Nationality and Borders Bill und die Illegal Migration [Bill] die beiden kennzeichnenden Maßnahmen sind. Aus meiner Sicht widerspricht das, was sie tun, dem internationalen Recht – man sollte Menschen nicht daran hindern können, einen Asylantrag zu stellen, unabhängig davon, wie sie ins Land gekommen sind.
Das Innenministerium finanziert euch also, will aber gleichzeitig nicht, dass die Leute kommen…?
Ja, das stimmt. Wir machen uns Sorgen, dass die Inkraftsetzung der neuen Gesetzgebung bedeuten wird, dass wir keine Opfer [hält inne, lacht] mehr in unserem Dienst haben werden. Denn wenn Menschen, die illegal einreisen, keinen Anspruch auf moderne Sklaverei geltend machen können…Wahrscheinlich sind 80 Prozent meiner Mandanten, wenn nicht sogar mehr, Asylbewerber, und keiner von ihnen ist auf „normalem“ Wege eingereist. Keiner von ihnen kam mit einem Visum oder mit dem Flugzeug hierher. Ich bin also ziemlich besorgt. Und du hast recht, es ist widersprüchlich. Das Innenministerium finanziert uns, aber die Gesetzgebung ist nicht wirklich darauf ausgerichtet, den Menschen zu helfen, mit denen wir arbeiten.
Wenn die neue Gesetzgebung in Kraft tritt, werden die Menschen immer noch zu deiner Organisation als sicherem Ort kommen können? In der Realität werden natürlich weiterhin neue Menschen ins Vereinigte Königreich kommen…
Das Problem ist, dass die Menschen über den Nationalen Vermittlungsmechanismus zu uns kommen, den man durchläuft, wenn man eine Klage wegen moderner Sklaverei einreicht. Normalerweise wird man von einem Beamten des Innenministeriums, einem Polizeibeamten oder einem Anwalt an uns verwiesen. Es gibt keine wirkliche Möglichkeit für Menschen, sich an uns zu wenden, wenn sie gerade im Land ankommen, als Zufluchtsort oder wie auch immer man es nennen möchte. Wenn jemand nicht an den NRM verwiesen wird, kommt er nicht zu uns.
Du erwähnst Zufluchtsorte. Deine Organisation bietet „Safehouses“ in und außerhalb von London an. Wie funktionieren diese?
Die Safehouses sind Teil unseres NRM-Angebots für Personen, die keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten haben. Wenn jemand einen Antrag auf moderne Sklaverei, aber keinen Asylantrag gestellt hat, hat er keinen Anspruch auf eine Unterkunft des Innenministeriums – in der Regel Hotels. Sie [die Antragsteller] haben keinen Anspruch auf öffentliche Gelder, können also keine Sozialleistungen oder den Universalkredit beantragen. Wenn sie also keine Freunde oder Familienangehörigen im Land haben, bei denen sie unterkommen können – was bei vielen der Fall ist -, bleibt ihnen nur die Unterbringung in einer sicheren Unterkunft. Wir können ihnen immer einen Unterschlupf anbieten, aber wir können nie garantieren, wo dieser sein wird. Es gibt Safehouses im ganzen Land, vielleicht landen sie in Birmingham oder in London. Sie [die Häuser] sind recht klein, sie werden von Leuten geleitet, die im Wesentlichen meine Arbeit machen. Sie [die Opfer] können dort so lange bleiben, wie sie es brauchen, aber primär soll die Unterbringung ihnen helfen, einen Plan für ihren weiteren Weg zu entwickeln. In der Regel landen mehr Hochrisiko-Mandanten in sicheren Unterkünften, weil es für sie nicht viele andere Möglichkeiten gibt.
Zählen dazu auch Menschen, die dem Menschenhandel entkommen sind und die befürchten, dass die Menschenhändler sie wieder finden könnten?
Ja, das kann der Fall sein. Und manchmal hat ein britischer Mandant zwar Zugang zu öffentlichen Geldern, ist aber in dem Bezirk, in dem er derzeit untergebracht ist, nicht sicher. Das kommt häufiger beim Drogenhandel und bei erzwungener Kriminalität vor, wo wir buchstäblich Fälle haben, in denen Auftragsmörder beauftragt werden, einen Mandanten zu töten.
Gibt es Überschneidungen zwischen Obdachlosigkeit und Anfälligkeit für moderne Sklaverei?
Die Wohnungssituation in London ist im Moment [lacht] verrückt. Viele unserer Mandanten werden als vorrangig bedürftig eingestuft. Sie haben vielleicht gesundheitliche Probleme oder sind von Ausbeutung bedroht. Wir arbeiten mit den Menschen, von denen man annehmen würde, dass sie bei der Wohnungssuche Vorrang haben. Aber oft ist das nicht der Fall. Wenn die örtlichen Behörden für die Unterbringung verantwortlich sind, müssen sie ein Angebot für eine geeignete Unterkunft machen, und wenn sie [die Mandanten] dieses eine Angebot ablehnen, machen sie sich absichtlich obdachlos. Das ist eine wirklich gefährliche Bedingung. Ich hatte eine Familie, in der die Frau im sechsten Monat schwanger war. Sie leidet an einer lebensbedrohlichen Krankheit und kann nur in einem bestimmten Krankenhaus in London behandelt werden. Sie haben einen vierjährigen Sohn. Und sowohl der Mann als auch die Frau sind Opfer moderner Sklaverei. Sie musste ihre Unterkunft beim Innenministerium verlassen, weil sie ihren Flüchtlingsstatus erhalten hatte, also gingen sie zur örtlichen Behörde, wie es sich gehört, und die örtliche Behörde sagte, Die einzige Wohnung, die wir Ihnen geben können, ist in Bradford. Das ist bei Leeds. Obwohl sie eine Krankenhausbehandlung in London benötigte. Und als sie dieses Wohnungsangebot ablehnten, sagte die örtliche Behörde: „Nun, das ist das einzige Angebot, Sie haben sich absichtlich obdachlos gemacht. Wir können nichts anderes für Sie tun.“ Das ist ein extremes Beispiel, aber es zeigt, wie die Wohnsituation aussieht.
Durch deine Arbeit erfährst du viele Einzelheiten, persönliche Geschichten, und wie es ist, in so einer Situation zu sein. Das ist bei deinen Kollegen bestimmt ähnlich. Setzt ihr, als Organisation, dieses Wissen in Kampagnenarbeit um oder versucht, die Regierung zu sensibilisieren, die vielleicht nicht weiß, wie kompliziert die Situation ist?
Wir versuchen es – die fehlenden Ressourcen sind manchmal ein Problem. Wir haben eine gewisse Lobbymacht. Es gibt eine Anti-Sklaverei-Koalition, die aus uns und einer Reihe großer Anti-Sklaverei-NGOs besteht, [und wir] haben eine Lobbyfront gegen das neue Gesetz über illegale Migration gebildet. Die Lords stimmten wiederholt unseren Änderungsanträgen zu, die darauf abzielten, Opfer moderner Sklaverei von einigen der härteren Bestimmungen des Gesetzes auszunehmen. Das ging ins Ping-Pong-Spiel mit dem Unterhaus. Und das Oberhaus kann sich leider nicht darüber hinwegsetzen, wenn der Gesetzentwurf wiederholt vom Unterhaus abgelehnt wird. Unsere Änderungsanträge wurden also abgelehnt.
Wir versuchen auch, Sozialforschung zu betreiben. Jedes Jahr haben wir ein Forschungsprojekt, das sich jährlich auf ein anderes Thema konzentriert. In diesem Jahr ging es aus naheliegenden Gründen um albanische Opfer. Ich war teilweise an diesem Projekt beteiligt. Es ging darum, unsere albanischen Mandanten zu ihren Geschichten zu befragen, die gemeinsamen Themen herauszufiltern und unsere Mandanten zu befragen – denn realistisch gesehen verfügen wir über eine der größten ungenutzten Datenbanken zu Opfern moderner Sklaverei im Land. Das Projekt soll im Oktober oder November veröffentlicht werden, und das wird ziemlich viel Aufmerksamkeit erregen.
Ich freue mich darauf, es zu sehen.
Es ist nützlich. Ich habe einige meiner Mandanten dafür interviewt, damit ihre Geschichten verwendet werden können.
Hast du jemals Probleme mit Sprachbarrieren?
[Lacht.] Keiner meiner aktuellen Mandanten spricht Englisch. Ich nehme Dolmetscherdienste in Anspruch. Aber man muss immer sensibel sein, wenn man Übersetzer einsetzt, denn es kommt auch zu kulturellen Missverständnissen. Wenn man etwas Rechtliches und Wichtiges über den Fall mitteilt und es nicht klar kommuniziert wird, kann man dem Mandanten viel Sorgen bereiten. Ich arbeite viel mit albanischen Dolmetschern. Die meisten, mit denen ich arbeite, sind sehr gut. Aber es gibt auch viel Misstrauen, sogar innerhalb der albanischen Gemeinschaft, deshalb muss man vorsichtig sein. Manche Leute arbeiten nur mit einem bestimmten Dolmetscher zusammen, weil sie eine besondere Beziehung zu ihm haben oder weil sie anderen Mitgliedern ihrer Gemeinschaft misstrauen. Sie [die Sprache] ist definitiv ein interessanter Teil der Arbeit. Natürlich muss ich meinen Mandanten oft Nachrichten übermitteln, und ich muss mich viel mehr auf Google Übersetzer verlassen, als ich sollte.
Leute neigen dazu, zu vergessen, dass sprachübergreifende Verständigung oft der entscheidende Faktor in Situationen ist, in denen es um Menschenrechte geht…
Ganz genau. Und ich werde oft wütend im Namen meiner Mandanten, wenn ich versuche, sie an andere Unterstützungsdienste zu verweisen, und wir versuchen, ihre Unabhängigkeit zu fördern, aber die anderen Unterstützungsdienste weigern sich einfach, einen Dolmetscher einzusetzen. Wie sollen sie dann Zugang zur Unterstützung erhalten? Manchmal muss man sich sogar mit Hausärzten auseinandersetzen. Der staatliche Gesundheitsdienst [NHS] hat kostenlosen Zugang zu Telefondolmetschern, wann immer man sie braucht, und trotzdem muss man sich mit dem Hausarzt streiten, um einen Termin mit einem Dolmetscher zu bekommen. Wie können sie [die Ärzte] erwarten, dass die Mandanten mit ihnen über ihre Sorgen oder ihre psychische Gesundheit sprechen?
Vielleicht als letzte Frage: Sind dir bei deiner Arbeit zu moderner Sklaverei irgendwelche falschen Grundvorstellungen aufgefallen, die Menschen immer wieder zu dem Thema haben?
Die meisten Menschen wissen einfach nicht, was es ist. Und ich denke, mit gutem Grund. Meiner Meinung nach ist es eine etwas konstruierte Kategorie, die die vielfältigen Formen der Ausbeutung, die Menschen erleben und deren Opfer sie werden können, nicht anerkennt. Aber ich arbeite mit Sozialarbeitern, Wohnungsvermittlern, Ärzten und psychiatrischen Teams zusammen und merke, wie ich ihnen mindestens einmal pro Woche erkläre, was moderne Sklaverei ist, was der NRM ist, was es bedeutet, dass unsere Opfer Erfahrungen gemacht haben, was es für ihren Einwanderungsstatus bedeutet. Es gibt einfach kein professionelles Wissen, geschweige denn öffentliches Wissen. Und in der Öffentlichkeit herrscht die falsche Vorstellung, dass man von moderner Sklaverei oder Menschenhandel nur hört, wenn es um die Einwanderungspolitik geht, und deshalb denken sie, dass jeder, der mit einem Boot einreist, Opfer von Menschenhandel ist. Dabei ist ihnen nicht klar, dass moderne Sklaverei auch im Vereinigten Königreich vorkommen kann. Sie nimmt die unterschiedlichsten Formen an und hat nicht nur etwas mit Einwanderung zu tun.
Also verzerren die Medien auch das Bild…?
Die Medien haben eine bestimmte politische Erzählung gefördert, die sich nicht wirklich auf die Opfer konzentriert. Nichts daran ist opferorientiert.
Eve McMullen verließ die Organisation im Oktober 2023, um im Bereich der Menschenrechte zu arbeiten. Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen sind ihre eigenen, und nichts in diesem Artikel sollte als Ausdruck der Ansichten der Organisation verstanden werden.