Die Klimakrise ist voll angekommen, wie brennende Urlaubsorte diesen Sommer eindrucksvoll bewiesen haben. Dass Reiche viel stärker zur Klimakrise beitragen und gleichzeitig ihre negativen Auswirkungen weniger stark zu spüren bekommen, ist mittlerweile gut belegt. Sie haben jedoch nicht nur viel höhere Treibhausgasemissionen, ihr Beitrag ist in den letzten Jahren auch noch drastisch angestiegen, während jener der restlichen 99 Prozent sinkt. Deshalb ist es höchste Zeit, die Reichen und Superreichen bei der Bekämpfung der Klimakrise in die Verantwortung zu nehmen.
von Veronika Heimerl, Astrid Schöggl und Eva Six, A&W blog
Es brennt und löschen können nur alle gemeinsam
Die Klimakrise ist angekommen und ihre Folgen sind deutlich spürbar. Diesen Sommer waren viele der beliebtesten Urlaubsorte der Österreicher:innen von massiven Waldbränden und Überflutungen betroffen. Die Extremwetterereignisse in der Mittelmeerregion hängen mit Klimakrisen-auswirkungen wie den Temperaturhöchstwerten der Meeres- und Erdoberfläche und dem Wetterphänomen El Niño zusammen. Was für Palermo gilt, gilt also auch für die Dringlichkeit der Klimakrise: Es brennt.
Österreich hat sich im Rahmen diverser politischer Vereinbarungen verpflichtet, einen Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise zu leisten. Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um insgesamt 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. In Summe kann die Klimakrise nur eingedämmt werden, wenn alle Länder der Welt gemeinsam das globale verbleibende CO2-Budget (1.150 Gigatonnen CO2 für eine hohe Wahrscheinlichkeit, die 2-Grad-Grenze einzuhalten) nicht überschreiten.
Für die Einhaltung dieser Verpflichtungen wird in der öffentlichen Debatte nach wie vor stark auf individuelle Verantwortung gesetzt: Es wird zum Energiesparen, zum Fahrradfahren, zu nachhaltiger Ernährung und klimafreundlichem Kaufverhalten aufgerufen. Für die Arbeiterkammer, aber auch für viele andere Akteur:innen aus Wissenschaft und Klimabewegung ist schon lange klar: Mit Eigenverantwortung lässt sich die Klimakrise nicht abwenden. Wir müssen an den Strukturen ansetzen, die ein klimafreundliches Leben – also ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen – erst ermöglichen. Laut dem APCC-Bericht sind das jene Rahmenbedingungen und Verhältnisse, in denen das tägliche Leben stattfindet und die es erleichtern, erschweren oder sogar verhindern, ein klimafreundliches Leben zu führen. Die großen Stellschrauben liegen in Bereichen wie Öffi-Ausbau statt Pkw-Abhängigkeit, Energiewende und Gebäudesanierung, Ökologisierung der Landwirtschaft, Dekarbonisierung der Industrie und so weiter.
Emissionen der Vielen sinken …
Dennoch ist der bzw. die Einzelne nicht völlig handlungsunfähig, und mit steigenden finanziellen Mitteln erweitert sich auch der individuelle Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Daher lohnt sich ein Blick auf die Pro-Kopf-Emissionen, um die grassierende Ungleichheit bei der Verantwortung für die Klimakrise zu belegen.
Zunächst sollte dabei zwischen einer produktionsbasierten und einer konsumbasierten Berechnung der Treibhausgase unterschieden werden. Produktionsbasierte Emissionen sind jene, die bei der Herstellung von Waren und Dienstleistungen innerhalb Österreichs freigesetzt werden, während konsumbasierte Emissionen jene Treibhausgase sind, die bei der Nutzung von Waren und Dienstleistungen der österreichischen Bevölkerung entstehen – unabhängig von ihrem Produktionsort. In diesem Beitrag wird der Fokus auf konsumbasierte Emissionen gelegt, da produktionsbasierte Treibhausgase Einzelpersonen nicht sinnvoll zugeordnet werden können.
Dazu wird der „Personal Carbon Footprint“ der World Inequality Database herangezogen, der die geschätzten Treibhausgasemissionen misst, die mit dem Konsum und der Lebensweise einer Person in Verbindung stehen – das heißt, es werden sowohl Emissionen aus direkter Energieverwendung, wie etwa Benzin und Diesel, als auch indirekte Emissionen durch Waren und Dienstleistungen berücksichtigt.
Insgesamt sind in Österreich die Pro-Kopf-Emissionen seit 1995 leicht gesunken. Das heißt: Im Durchschnitt stößt jede Person in Österreich etwas weniger Treibhausgase aus als noch vor 30 Jahren – allerdings auf einem insgesamt noch immer viel zu hohen Niveau. Sieht man sich die konsumbasierten Emissionen nach unterschiedlichen Einkommensgruppen genauer an, zeigt sich jedoch, wie ungleich diese Reduktion zwischen den Einkommensgruppen verteilt ist.
Die Pro-Kopf-Emissionen der unteren 99 Prozent der Bevölkerung sind seit 1995 um circa 11 Prozent gesunken. Insbesondere die ärmere Hälfte und die mittleren 40 Prozent haben jedoch auch ein um ein Vielfaches geringeres Ausgangsniveau als reichere Personen (siehe Grafik 2). Das heißt, dass sich gerade der Beitrag jener, die ohnehin schon weniger für die Klimakrise verantwortlich sind, noch weiter verringert hat. Ein Bericht des Umweltbundesamtes zeigt, dass diese Reduktion primär auf strukturelle Veränderungen zurückzuführen ist, wie zum Beispiel eine verbesserte Gebäudedämmung, den Ausstieg aus der Verwendung von Kohle sowie Verbesserungen in der Antriebs- und Abgasnachbehandlung (z. B. Partikelfilter).
… Emissionen der Reichen steigen
Das unterstreicht, wie wichtig strukturelle Maßnahmen sind, die dazu geführt haben, dass der Treibhausgasausstoß reduziert wurde. Währenddessen torpedieren die 1 Prozent mit den höchsten Einkommen diese Verbesserung mit ihrem Verhalten. Die Reichsten in Österreich tragen nicht nur nichts zu einer Reduktion bei, sondern sind im Gegenteil für einen steigenden Ausstoß klimaschädlicher Gase verantwortlich. Während die Emissionen der großen Mehrheit der Bevölkerung sinken, steigen die Emissionen einer ganz kleinen Gruppe, des obersten 1 Prozent, sogar rasant an – seit 1995 um ganze 11 Prozent.
Was bedeutet das in puncto Ungleichheit? Der Verbrauch pro Person des reichsten 1 Prozent in Österreich ist über 20-mal so hoch wie jener in der ärmeren Hälfte der Bevölkerung. Diese Ungleichheit lässt sich übrigens auch international beobachten. Reiche mit extrem hohem CO2-Ausstoß gibt es überall, nicht nur im globalen Norden. Die Ungleichheit innerhalb eines Landes zu betrachten zeigt allerdings doppelt Klassenverhältnisse auf. Denn neben den (exorbitanten) Konsummöglichkeiten bringen hohe Einkommen und Vermögen auch die Möglichkeit mit sich, genau jene Strukturen zu gestalten, die ein klimafreundliches Leben erst möglich machen oder auch klimafreundliche Vorhaben zu blockieren und Privilegien zu sichern.
Reiche verbrauchen überall mehr, Schere bei Mobilität am größten
Beiträge von Theine et al. (2017) und Theine et al. (2022) zeigen, dass reichere Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens, sei es Mobilität, Energie, Konsumgüter, Wohnen oder Dienstleistungen, mehr CO2-Emissionen verursachen als ärmere. Emissionen durch Mobilität, das heißt durch Flüge und Autofahrten, steigen jedoch mit dem Einkommen am stärksten an. Auch jene durch Konsumgüter (wie etwa Handys und Laptops) spielen insbesondere in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung eine große Rolle.
Während die übermäßigen Emissionen von Reichen primär für Luxuskonsum (z. B. Flugverkehr) anfallen, stammt bei den ärmeren Haushalten ein größerer Anteil der Emissionen aus (existenzsichernden) Bereichen wie etwa Energie (Strom, Heizen) und notwendiger Mobilität (wie Arbeitswege). Diese Muster zeigen die Notwendigkeit für regulatorische Maßnahmen am oberen Ende der Einkommensverteilung, denn wer besonders hohes Einkommen hat, lässt sich von höheren Preisen weniger abschrecken. Andererseits ist es wichtig, darauf zu schauen, welchen Bedarf an effektiven Unterstützungsmaßnahmen für ein klimafreundliches Leben von weniger wohlhabenden Haushalten es gibt. Denn langfristig können die Klimaziele nur durch einen weitreichenden und demokratisch legitimierten Umbau der Gesellschaft erreicht werden, wo die soziale Frage nicht außer Acht gelassen wird.
Klimapolitik kann nur gelingen, wenn sie das oberste 1 Prozent in die Verantwortung nimmt
Um Strukturen für ein klimafreundliches Leben zu schaffen, braucht es breite klimapolitische Bündnisse, die in der Lage sind, Druck auf Entscheidungsträger:innen auszuüben. Solange die Einschränkungen, die zur Eindämmung der Klimakrise notwendig sind, derart ungerecht verteilt sind, wird es schwierig sein, die dafür notwendige breite Unterstützung aufzubauen. Solange Reiche mit ihrem exorbitanten Konsum die CO2-Emissionen in die Höhe treiben (wie das Zitat „Ich scheiß auf das Klima“ aus der Dokumentation „Privatjets, Yachten, Kaviar: Wie beeinflussen Superreiche das Klima?“ verdeutlicht), bleiben alle Appelle zu Verzicht in der Breite unglaubwürdig.
Zentrale Forderungen sind daher:
- Gerechte Vermögensverteilung: Um die Klimakrise einzudämmen, führt kein Weg an Vermögens- und Erbschaftssteuern vorbei: einerseits weil Reiche hohe und weiterhin ansteigende Emissionen verursachen, andererseits weil sie ihr Geld auch einsetzen, um effektive Klimapolitik auszubremsen. Diese Steuern würden auch helfen, strukturelle Veränderungen zu finanzieren, beispielsweise die Energie- und Mobilitätswende.
- Einschränkung von Überkonsum, wie beispielsweise ein Verbot von Privatjets: Diese Maßnahmen sind natürlich alleine nicht ausreichend, dennoch sind sie vergleichsweise rasch umzusetzen und besonders effizient, da bei Reichen die Emissionen am höchsten sind. Außerdem zeigen sie der breiten Bevölkerung, dass ein Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise von allen verlangt wird.
- Demokratie auf allen Ebenen: Die Debatte um die Klimakrise darf endlich nicht mehr individuellen Verzicht in den Mittelpunkt stellen, denn Klimapolitik muss von der breiten Bevölkerung getragen werden, damit sie auch gegen fossile Profitinteressen durchsetzbar ist. Dafür müssen alle Bevölkerungsgruppen in die Gestaltung der Klimamaßnahmen einbezogen werden. Die arbeitenden Menschen müssen mitbestimmen können – nicht (nur) über ihr Kaufverhalten, sondern auch in der Produktion, in den Betrieben.
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