Die grüne Welle hat sich in den letzten Jahren in Mexiko von Bundesstaat zu Bundesstaat ausgebreitet. Nun endlich hat sie sich auch auf nationaler Ebene durchgesetzt: Am 6. September traf der Oberste Gerichtshof (SCJ) die historische Entscheidung, Abtreibungen im ganzen Land zu entkriminalisieren. Ab jetzt sollen Frauen wegen einer Abtreibung nicht mehr ins Gefängnis kommen, und nicht nur das: Alle Gesundheitseinrichtungen sind ab jetzt verpflichtet, den Wunsch einer Frau nach Schwangerschaftsabbruch zu respektieren und die Gesundheitsdienstleistung anzubieten.
Einstimmiger Beschluss
Die Minister*innen des Obersten Gerichtshofs folgten einstimmig dem Antrag der Grupo de Información en Reproducción Elegida (GIRE): Die Initiative „Information und selbstgewählte Reproduktion“ spielt im Kampf für sexuelle und reproduktive Rechte im Land eine führende Rolle. Nach Prüfung des Antrags kam der Oberste Gerichtshof zu dem Schluss, dass „ein Rechtssystem, das den Schwangerschaftsabbruch im Bundesstrafgesetzbuch kriminalisiert, verfassungswidrig ist, da es die Menschenrechte von Frauen und gebährfähigen Personen verletzt“, verkündete die Organisation auf X (ehemalsTwitter). „Keine Frau oder schwangere Person noch das Gesundheitspersonal kann für einen Schwangerschaftsabbruch bestraft werden“, heißt es dort weiter. Der Abschnitt des Bundesstrafgesetzbuchs, der die Abtreibung unter Strafe stellt, ist somit außer Kraft gesetzt. Das Urteil sei nach seiner Verabschiedung „für alle lokalen und föderalen Richter verbindlich.“
Wichtige Signalwirkung
In den letzten Monaten hatte GIRE zusammen mit anderen Gruppen auf Landeseben eine juristische Strategie verfolgt, die darin bestand, die Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus den Strafgesetzbüchern der Bundesstaaten zu beantragen. Nun endlich wurde das Ziel erreicht: Aguascalientes ist der 12. Bundesstaat, in dem Abtreibungen entkriminalisiert wurden, und der erste, der mit diesem Schritt auf eine zivilgesellschaftliche Beschwerde reagiert. Alle eingereichten Anträge stützen sich auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom September 2021, das die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs im Bundesstaat Coahuila für verfassungswidrig erklärte. Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, und das medizinische Personal, das sie behandelt, können nun nicht mehr strafrechtlich belangt werden. Die stellvertretende GIRE-Direktorin Isabel Fulda erklärte gegenüber El País Mexiko, dies sei „der größte Erfolg“, den die Organisation in diesem Kampf erreicht habe. Die Streichung aus dem Bundesstrafgesetzbuch habe eine wichtige Signalwirkung. Endlich werde das Stigma abgeschafft, mit dem einige Gesundheitseinrichtungen ihre Weigerung, die Leistung anzubieten, begründet hatten. Allerdings sei der Kampf damit noch nicht zu Ende, so die Aktivistin weitergeht: „Wie es mit der Umsetzung aussieht, ist und bleibt eine offene Frage. Wir wollen, dass die Abtreibung vollständig aus den Gesetzbüchern entfernt wird und ausschließlich als Gesundheitsdienstleistung gilt.“