Rede auf dem Internationalen Arbeiterkongress in Paris 1889
Clara Zetkin wurde am 5.Juli 1857 geboren. Sie war und bezeichnete sich auch selbst so Sozialistin und Frauenrechtlerin.
„Clara Zetkin wurde am 5.Juli 1857 geboren. Sie war und bezeichnete sich auch selbst so Sozialistin und Frauenrechtlerin. Dabei hat sie der sozialen Revolution und der ökonomischen Emanzipation den Vorrang vor der Gleichberechtigung der Geschlechter eingeräumt. Oder anders: Sie hat darin die Grundlage gesehen, um der Frage der Gleichberechtigung in allen Bereichen überhaupt nachgehen zu können:
„Wir erwarten unsere volle Emanzipation weder von der Zulassung der Frau zu dem, was man freie Gewerbe nennt, und von einem dem männlichen gleichen Unterricht – obgleich die Forderung dieser beiden Rechte nur natürlich und gerecht ist – noch von der Gewährung politischer Rechte. Die Länder, in denen das angeblich allgemeine, freie und direkte Wahlrecht existiert, zeigen uns, wie gering der wirkliche Wert desselben ist.
Das Stimmrecht ohne ökonomische Freiheit ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wechsel, der keinen Kurs hat. Wenn die soziale Emanzipation von den politischen Rechten abhinge, würde in den Ländern mit allgemeinem Stimmrecht keine soziale Frage existieren. Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschliesslich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeiter in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen.“ (siehe u.a. Rede)
Die moderne Frauenbewegung – deutlich anders orientiert – versucht, so weit es geht, Clara Zetkin, auch Rosa Luxemburg und andere sozialistische Mitstreiterinnen gezielt auszugrenzen.
Die Damen sind ihnen ein Dorn im Auge, weil ihr Befreiungskampf herrschaftskritisch, und nicht konkurrenzorientiert wie der Ihrige angelegt ist. Immer währender Hauptfeind ist der Mann und nicht die Ausbeutungsgesellschaft namens Kapitalismus. Im Gegenteil: Z.B. wird beklagt, dass noch lange nicht alle Vorstandsposten in Unternehmen gleichermassen besetzt sind.
Schöner kann man den Kapitalismus kaum bejubeln: Was die Unternehmen machen, nach innen wie nach aussen – ist ausser des Betrachtungsfeldes- Hauptsache genug Frauen sind dabei, so die Modernen. Das hätte sich eine Clara Zetkin nicht gefallen lassen.
„Aber mit einer anderen ökonomischen Grundlage wird doch nicht automatisch alles anders“, argumentiert die moderne Frauenbewegung. So einen Unsinnssatz muss man erst einmal zusammenbringen. Alles, immer und automatisch. Wer würde oder hat so etwas jemals behauptet. Niemand. Automatisch und dann noch alles. Der Satz hat umgekehrt seine Bedeutung. Unautomatisch sind wir in dem ausbeuterischen Kapitalismus doch ganz gut aufgehoben, weshalb wir ja auch nicht an dessen Grundlagen kratzen wollen, sonden mehr beteiligt sein wollen.
Dafür zeigen daher die Schwierigkeiten und Bemühungen um den Aufbau einer neuen Gesellschaft und eines neuen Geschlechter Verhältnisses, dass eine solche Alternative grundsätzlich unmöglich ist. sonst würde diese sich ja sofort und automatisch einstellen.
Mal weniger theoretisch: Bei meinem Streifzügen durch 23 alternative Buchhandlungen in Süddeutschland. Schweiz und Österreich konnte ich jeweils reich eingedeckt Frauenbewegungsliteratur auffinden. Rosa Luxemburg und Clara Zetkin gerade zweimal.
So geht Ausgrenzung und Manipulation bis die schlichtesten Ebenen von zentralen Säulen der Frauenbewegung. Die Universitäten leisten ein Übriges. Viele gerade in im Bereich der Pädagogik besetzten Professorenstellenwerden mit Frauen bestückt, die die bürgerlich-konkurrenzorientierteVariante lehren.
Nicht zufällig wird das gefördert, trägt doch diese Variante zur Atomisierung der Gesellschaft bei. Es sind nicht die gemeinsamen Interessen der Geschlechter gegen einen 100MRd Rüstungskredit im Zentrum, sondern der prinzipiell unversöhnliche Gegensatz von Mann und Frau. Die Herrschaft freut das und deshalb befördert sie das ja auch. Übrigens: Wenn hier Konkurrenz als zentral verortet wird, heisst das auch, dass das Frausein sich im Resultat rauskürzt. Es wird eben konkurriert mit dem Zusatzargument ich bin aber Frau. Ich habe aber einen so weiten Anfahrtsweg, ich komme aber aus dem 2. Bildungsweg… wäre auch vorstellbar und kommt auch vor.
So: aber gegen wen wird so etwas ins Feld geführt, gegen Männer? Ja, aber nicht nur! Natürlich auch gegen die anderen um den Vorstandsposten mitkonkurrierenden Frauen.
Das heisst, es geht letztlich nicht um die Geschlechterfrage, sondern um die Durchsetzung der absoluten Konkurrenz und die richtet sich naturgemäss eben auch gegen die Geschlechtsgenossinnen. Statt Herrschaftskritik also Atomisierung in Konkurrenzsubjekte.
Am Rande bemerkt: Auch die feministische Aussenpolitik hat – wie ich an anderer Stelle schon ausgeführt habe – mit Frausein nichts zu tun, sondern ist eine Methode, undemokratischen totalitären Auftretens, sich prinzipiell ins Recht setzens Wenn Frau Baerbock in diesem Namen auftritt, sind aller anderen Sichtweisen von vornherein falsch und haben sich der Sichtweise von Frau Baerbock argumentlos zu unterwerfen, sonst sind sie antifeministisch- z.B. vermehrte und dauerhafte -Waffenlieferungen an die Ukraine.
Wenn das Clara Zetkin hören würde, was hier im Namen – und ich sage extra im Namen – von Frauen herrschaftsaffirmativ angerichtet wird!
Ihr war klar, dass die Emanzipation der Frau auch in einer sozialistischen Gesellschaft noch eines langen Weges und vieler Fragen bedarf. Noch mehr war ihr allerdingsklar, dass die wirtschaftliche Unabhängigkeit unter kapitalistischen Bedingungen keine Befreiung der Frau darstellt.
„Die von ihrer ökonomischen Abhängigkeit dem Manne gegenüber befreite Frau ward der ökonomischen Herrschaft des Kapitalisten unterworfen; aus einer Sklavin des Mannes ward sie die des Arbeitgebers: Sie hatte nur den Herrn gewechselt.“ (siehe u.a. Rede)
Für die Befreiung der Frau!
Rede auf dem Internationalen Arbeiterkongress zu Paris (19. Juli 1889)
Bürgerin Zetkin, Abgeordnete der Arbeiterinnen von Berlin, ergreift unter lebhaftem Beifall das Wort über die Frage der Frauenarbeit. Sie erklärt, sie wolle keinen Bericht erstatten über die Lage der Arbeiterinnen, da diese die gleiche ist wie die der männlichen Arbeiter. Aber im Einverständnis mit ihren Auftraggeberinnen werde sie die Frage der Frauenarbeit vom prinzipiellen Standpunkt beleuchten. Da über diese Frage keine Klarheit herrsche, sei es durchaus notwendig, dass ein internationaler Arbeiterkongress sich klipp und klar über diesen Gegenstand ausspreche, indem er die Prinzipienfrage behandelt.
Es ist – führt die Rednerin aus – nicht zu verwundern, dass die reaktionären Elemente eine reaktionäre Auffassung haben über die Frauenarbeit. Im höchsten Grade überraschend aber ist es, dass man auch im sozialistischen Lager einer irrtümlichen Auffassung begegnet, indem man die Abschaffung der Frauenarbeit verlangt. Die Frage der Frauenemanzipation, das heisst in letzter Instanz die Frage der Frauenarbeit, ist eine wirtschaftliche, und mit Recht erwartet man bei den Sozialisten ein höheres Verständnis für wirtschaftliche Fragen als das, welches sich in der eben angeführten Forderung kundgibt.
Die Sozialisten müssen wissen, dass bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung die Frauenarbeit eine Notwendigkeit ist; dass die natürliche Tendenz der Frauenarbeit entweder darauf hinausgeht, dass die Arbeitszeit, welche jedes Individuum der Gesellschaft widmen muss, vermindert wird oder dass die Reichtümer der Gesellschaft wachsen; dass es nicht die Frauenarbeit an sich ist, welche durch Konkurrenz mit den männlichen Arbeitskräften die Löhne herabdrückt, sondern die Ausbeutung der Frauenarbeit durch den Kapitalisten, der sich dieselbe aneignet. Die Sozialisten müssen vor allem wissen, dass auf der ökonomischen Abhängigkeit oder Unabhängigkeit die soziale Sklaverei oder Freiheit beruht.
Diejenigen, welche auf ihr Banner die Befreiung alles dessen, was Menschenantlitz trägt, geschrieben haben, dürfen nicht eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes durch wirtschaftliche Abhängigkeit zu politischer und sozialer Sklaverei verurteilen. Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, so- lange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht. Die Unerlässliche Bedingung für diese ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die Arbeit. Will man die Frauen zu freien menschlichen Wesen, zu gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft machen wie die Männer, nun, so braucht man die Frauenarbeit weder abzuschaffen noch zu beschränken, ausser in gewissen, ganz vereinzelten Ausnahmefällen.
Die Arbeiterinnen, welche nach sozialer Gleichheit streben, erwarten für ihre Emanzipation nichts von der Frauenbewegung der Bourgeoisie, welche angeblich für die Frauenrechte kämpft. Dieses Gebäude ist auf Sand gebaut und hat keine reelle Grundlage. Die Arbeiterinnen sind durchaus davon überzeugt, dass die Frage der Frauenemanzipation keine isoliert für sich bestehende ist, sondern ein Teil der grossen sozialen Frage. Sie gehen sich vollkommen klare Rechenschaft darüber, dass diese Frage in der heutigen Gesellschaft nun und nimmermehr gelost werden wird, sondern erst nach einer gründlichen Umgestaltung der Gesellschaft. Die Frauenemanzipationsfrage ist ein Kind der Neuzeit, und die Maschine hat dieselbe geboren.
Emanzipation der Frau heisst die vollständige Veränderung ihrer sozialen Stellung von Grund aus, eine Revolution ihrer Rolle im Wirtschaftsleben. Die alte Form der Produktion mit ihren unvollkommenen Arbeitsmitteln fesselte die Frau an die Familie und beschränkte ihren Wirkungskreis auf das Innere ihres Hauses. Im Schoss der Familie stellte die Frau eine ausserordentlich produktive Arbeitskraft dar. Sie erzeugte fast alle Gebrauchsgegenstände der Familie. Beim Stande der Produktion und des Handels von ehedem wäre es sehr schwer, wenn nicht unmöglich gewesen, diese Artikel ausserhalb der Familie zu produzieren. Solange diese älteren Produktionsverhältnisse in Kraft waren, solange war die Frau wirtschaftlich produktiv …
Die maschinelle Produktion hat die wirtschaftliche Tätigkeit der Frau in der Familie getötet. Die Grossindustrie erzeugt alle Artikel billiger, schneller und massenhafter, als dies bei der Einzelindustrie möglich war, die nur mit den unvollkommenen Werkzeugen einer Zwergproduktion arbeitete. Die Frau musste oft den Rohstoff, den sie im deinen einkaufte, teurer bezahlen als das fertige Produkt der maschinellen Grossindustrie. Sie musste ausser dem Kaufpreis (des Rohstoffes) noch ihre Zeit und ihre Arbeit dreingeben. Infolgedessen wurde die produktive Tätigkeit innerhalb der Familie ein ökonomischer Unsinn, eine Vergeudung an Kraft und Zeit. Obgleich ja einzelnen Individuen die im Schoss der Familie produzierende Frau von Nutzen sein mag, bedeutet diese Art der Tätigkeit nichtsdestoweniger für die Gesellschaft einen Verlust.
Das ist der Grund, warum die gute Wirtschafterin aus der guten alten Zeit fast gänzlich verschwunden ist. Die Grossindustrie hat die Warenerzeugung im Hause und für die Familie unnütz gemacht, sie hat der häuslichen Tätigkeit der Frau den Boden entzogen. Zugleich hat sie eben auch den Boden für die Tätigkeit der Frau in der Gesellschaft geschaffen. Die mechanische Produktion, welche der Muskelkraft und qualifizierten Arbeit entraten kann, machte es möglich, auf einem grossen Arbeitsgebiete Frauen einzustellen. Die Frau trat in die Industrie ein mit dem Wunsche, die Einkünfte in der Familie zu vermehren. Die Frauenarbeit in der Industrie wurde mit der Entwicklung der modernen Industrie eine Notwendigkeit. Und mit jeder Verbesserung der Neuzeit ward Männerarbeit auf diese Weise überflüssig, Tausende von Arbeitern wurden aufs Pflaster geworfen, eine Reservearmee der Armen wurde geschaffen, und die Löhne sanken fortwährend immer tiefer.
Ehemals hatte der Verdienst des Mannes unter gleichzeitiger produktiver Tätigkeit der Frau im Hause ausgereicht, um die Existenz der Familie zu sichern; jetzt reicht er kaum hin, um den unverheirateten Arbeiter durchzubringen. Der verheiratete Arbeiter muss notwendigerweise mit auf die bezahlte Arbeit der Frau rechnen.
Durch diese Tatsache wurde die Frau von der ökonomischen Abhängigkeit vorn Manne befreit. Die in der Industrie tätige Frau, die unmöglicherweise ausschliesslich in der Familie sein kann als ein blosses wirtschaftliches Anhängsel des Mannes – sie lernte als ökonomische Kraft, die vom Manne unabhängig ist, sich selbst genügen. Wenn aber die Frau wirtschaftlich nicht mehr vom Manne abhängt, so gibt es keinen vernünftigen Grund für ihre soziale Abhängigkeit von ihm. Gleichwohl kommt diese wirtschaftliche Unabhängigkeit allerdings im Augenblick nicht der Frau selbst zugute, sondern dem Kapitalisten.
Kraft seines Monopols der Produktionsmittel bemächtigte sich der Kapitalist des neuen ökonomischen Faktors und liess ihn zu seinem ausschliesslichen Vorteil in Tätigkeit treten. mehr dem Mann gegenüber wirtschaftlich minderwertig und ihm untergeordnet, sondern seinesgleichen. Der Kapitalist aber begnügt sich nicht damit, die Frau selbst auszubeuten, er macht sich dieselbe ausserdem noch dadurch nutzbar, dass er die männlichen Arbeiter mit ihrer Hilfe noch gründlicher ausbeutet.
Die Frauenarbeit war von vornherein billiger als die männliche Arbeit. Der Lohn des Mannes war ursprünglich darauf berechnet, den Unterhalt einer ganzen Familie zu decken; der Lohn der Frau stellte von Anfang an nur die Kosten für den Unterhalt einer einzigen Person dar, und selbst diese nur zum Teil, weil man darauf rechnete, dass die Frau auch zu Hause weiterarbeitet ausser ihrer Arbeit in der Fabrik. Ferner entsprachen die von der Frau im Hause mit primitiven Arbeitsinstrumenten hergestellten Produkte, verglichen mit den Produkten der Grossindustrie, nur einem kleinen Quantum mittlerer gesellschaftlicher Arbeit. Man ward also darauf geführt, eine geringere Arbeitsfähigkeit bei der Frau zu folgern, und diese Erwägung liess der Frau eine geringere Bezahlung zuteil werden für ihre Arbeitskraft. Zu diesen Gründen für billige Bezahlung kam noch der Umstand, dass im ganzen die Frau weniger Bedürfnisse hat als der Mann.
Was aber dem Kapitalisten die weibliche Arbeitskraft ganz besonders wertvoll machte, das war nicht nur der geringe Preis, sondern auch die grössere Unterwürfigkeit der Frau. Der Kapitalist spekulierte auf diese beiden Momente: die Arbeiterin so schlecht wie möglich zu entlohnen und den Lohn der Männer durch diese Konkurrenz so stark wie möglich herabzudrücken. In gleicher Weise machte er sich die Kinderarbeit zunutze, um die Löhne der Frauen herabzudrücken; und die Arbeit der Maschinen, um die menschliche Arbeitskraft überhaupt herabzudrücken.
Das kapitalistische System allein ist die Ursache, dass die Frauenarbeit die ihrer natürlichen Tendenz gerade entgegengesetzten Resultate hat; dass sie zu einer längeren Dauer des Arbeitstages führt, anstatt eine wesentliche Verkürzung zu bewirken; dass sie nicht gleichbedeutend ist mit einer Vermehrung der Reichtümer der Gesellschaft, das heisst mit einem grösseren Wohlstand jedes einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft, sondern nur mit einer Erhöhung des Profites einer Handvoll Kapitalisten und zugleich mit einer immer grösseren Massenverarmung. Die unheilvollen Folgen der Frauenarbeit, die sich heute so schmerzlich bemerkbar machen, werden erst mit dem kapitalistischen Produktionssystem verschwinden.
Der Kapitalist muss, um der Konkurrenz nicht zu unterliegen, sich bemühen, die Differenz zwischen Einkaufs-(Herstellungs-)preis und Verkaufspreis seiner Waren so gross wie möglich zu machen; et sucht also so billig wie möglich zu produzieren und so teuer wie möglich zu verkaufen. Der Kapitalist hat folglich alles Interesse daran, den Arbeitstag ins Endlose zu verlängern und die Arbeiter mit so lächerlich geringfügigem Lohn abzuspeisen wie nur irgend möglich. Dieses Bestreben steht in geradem Gegensatz zu den Interessen der Arbeiterinnen, ebenso wie zu denen der männlichen Arbeiter.
Es gibt also einen wirklichen Gegensatz zwischen den Interessen der Arbeitet und der Arbeiterinnen nicht; sehr wohl aber existiert ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen den Interessen des Kapitals und denen der Arbeit. Wirtschaftliche Gründe sprechen dagegen, das Verbot der Frauenarbeit zu fordern. Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage ist so, dass weder der Kapitalist noch der Mann auf die Frauenarbeit verzichten können. Der Kapitalist muss sie aufrechterhalten, um konkurrenzfähig zu bleiben, und der Mann muss auf sie rechnen, wenn er eine Familie gründen will. Wollten wir selbst den Fall setzen, dass die Frauenarbeit auf gesetzgeberischem Wege beseitigt werde, so würden dadurch die Löhne der Männer nicht verbessert werden. Der Kapitalist würde den Ausfall an billigen weiblichen Arbeitskräften sehr bald durch Verwendung vervollkommneter Maschinen in umfangreicherem Masse decken – und in kurzer Zeit würde alles wieder sein wie vorher.
Nach grossen Arbeitseinstellungen, deren Ausgang für die Arbeitet günstig war, hat man gesehen, dass die Kapitalisten mit Hilfe vervollkommneter Maschinen die errungenen Erfolge der Arbeiter zunichte gemacht haben.
Wenn man Verbot oder Beschränkung der Frauenarbeit auf Grund der aus ihr erwachsenden Konkurrenz fordert, dann ist es ebenso logisch begründet, Abschaffung der Maschinen und Wiederherstellung des mittelalterlichen Zunftrechts zu fordern, welches die Zahl der in jedem Gewerbebetriebe zu beschäftigenden Arbeiter festsetzte.
Allein, abgesehen von den ökonomischen Gründen sind es vor allem prinzipielle Gründe, welche gegen ein Verbot der Frauenarbeit sprechen. Eben auf Grund der prinzipiellen Seite der Frage müssen die Frauen darauf bedacht sein, mit aller Kraft zu protestieren gegen jeden derartigen Versuch; sie müssen ihm den lebhaftesten und zugleich berechtigtsten Widerstand entgegensetzen, weil sie wissen, dass ihre soziale und politische Gleichstellung mit den Männern einzig und allein von ihrer ökonomischen Selbständigkeit abhängt, welche ihnen ihre Arbeit ausserhalb der Familie in der Gesellschaft ermöglicht.
Vom Standpunkt des Prinzips aus protestieren wir Frauen nachdrücklichst gegen eine Beschränkung der Frauenarbeit. Da wir unsere Sache durchaus nicht von der Arbeitersache im allgemeinen trennen wollen, werden wir also keine besonderen Forderungen formulieren; wir verlangen keinen anderen Schutz als den, welchen die Arbeit im allgemeinen gegen das Kapital fordert.
Nur eine einzige Ausnahme lassen wir zugunsten schwangerer Frauen zu, deren Zustand besondere Schutzmassregeln im Interesse der Frau selbst und der Nachkommenschaft erheischt. Wir erkennen gar keine besondere Frauenfrage an – wir erkennen keine besondere Arbeiterinnenfrage an! Wir erwarten unsere volle Emanzipation weder von der Zulassung der Frau zu dem, was man freie Gewerbe nennt, und von einem dem männlichen gleichen Unterricht – obgleich die Forderung dieser beiden Rechte nur natürlich und gerecht ist – noch von der Gewährung politischer Rechte.
Die Länder, in denen das angeblich allgemeine, freie und direkte Wahlrecht existiert, zeigen uns, wie gering der wirkliche Wert desselben ist. Das Stimmrecht ohne ökonomische Freiheit ist nicht mehr und nicht weniger als ein Wechsel, der keinen Kurs hat. Wenn die soziale Emanzipation von den politischen Rechten abhinge, würde in den Ländern mit allgemeinem Stimmrecht keine soziale Frage existieren. Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschliesslich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeitet in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen.
In Erwägung dieser Tatsachen bleibt den Frauen, denen es mit dem Wunsche ihrer Befreiung ernst ist, nichts anderes übrig, als sich der sozialistischen Arbeiterpartei anzuschliessen, der einzigen, welche die Emanzipation der Arbeiter anstrebt.
Ohne Beihilfe der Männer, ja, oft sogar gegen den Willen der Männer, sind die Frauen unter das sozialistische Banner getreten; man muss sogar zugestehen, dass sie in gewissen Fallen selbst gegen ihre eigene Absicht unwiderstehlich dahin getrieben worden sind, einfach durch eine klare Erfassung der ökonomischen Lage.
Aber sie stehen nun unter diesem Banner, und sie werden unter ihm bleiben! Sie werden unter ihm kämpfen für ihre Emanzipation, für ihre Anerkennung als gleichberechtigte Menschen.