Guatemala ist heute nur wegen der Flüchtlingsproblematik hin und wieder in den Medien – als Ausgangs- und als Transitland für die Flüchtlinge Lateinamerikas.
Es hat eine geringe ökonomische Bedeutung, weil der größte Teil seiner ca. 18 Millionen Einwohner zu arm ist, um einen nennenswerten Markt darzustellen, und weil es auch über keine besonderen Bodenschätze, seltenen Erden usw. verfügt. Nur als Anschauung: Das BIP Guatemalas betrug 2022 umgerechnet 78 Milliarden Euro, dasjenige Österreichs 480 Milliarden. Es hat im Unterschied zu vergangenen Zeiten auch eine relativ geringe strategische Bedeutung, da inzwischen für die militärische Präsenz der USA in der näheren Umgebung genug andere Territorien zur Verfügung standen oder stehen, wie Honduras, Puerto Rico und verschiedene kleinere Inseln der Karibik.
Der Tourismus wegen der reichlich vorhandenen Ruinen der Mayas wäre ein wichtiger Erwerbszweig, der aber auch nicht so recht in die Gänge kommt, da die Rechtssicherheit in Guatemala schlecht ist – eine Art Teufelskreis. Wegen Armut => Kriminalität, wegen Kriminalität => Unattraktivität für Investoren, Touristen und sonstige Leute mit Geld, daher => wenig Erwerbszweige => Armut => Kriminalität.
Die Landbevölkerung und die Maya
Die Maya sind die besterforschte und bekannteste der Präkolumbianischen Kulturen. Der Kult um sie steht in beachtlichem Widerspruch zu der Behandlung, mit der ihre Nachfahren im Laufe der Zeit und bis heute konfrontiert sind. 41% der Bevölkerung Guatemalas sind direkte Nachkommen der Maya, und über 50% sind Mestizen, also teilweise Nachfahren der Maya. Der Rest teilt sich auf in Nachfahren der Europäer, Einwanderer aus dem Nahen und Fernen Osten und afrikanischer Sklaven. Weniger als 10% der Bevölkerung sind also Kreolen, Weiße, und sie besitzen fast alles, was nicht in ausländischer Hand ist. Die einheimische Landbevölkerung verteilt sich auf den Petén, den nördlichen Teil, der zu einem guten Teil nicht erschlossener Dschungel ist, und die südlichen, gebirgigen Gebiete. Sie haben keine Eigentumsrechte und können jederzeit vertrieben werden, sobald jemand im In- und Ausland Interesse an diesen Gebieten bekundet, sei es für eine Plantage oder ein Bergbauunternehmen. Sie sind in ihrem eigenen Land also nur geduldet.
In der spanischen Kolonialzeit war die Lage etwas entspannter. Die Kolonialherrschaft erstreckte sich lediglich auf den gebirgigen, leichter zugänglichen Teil im Süden, der nördliche Teil abseits der Küste blieb sich selbst überlassen. Um die Lebensmittelproduktion zu sichern, wurden den Einheimischen gewisse Konzessionen gemacht und in königlichen Dekreten Gemeindeland zugesichert.
Die Maya
Während der spanischen Kolonialzeit wurde sehr viel von den mobilen und immobilen Kulturgütern der Maya zerstört. Die Eroberer sahen diese zunächst als eine Erinnerung an eine feindliche Kultur an, die man im Interesse der Festigung der eigenen Herrschaft ausmerzen musste. Für ihre Ideologen, die spanischen Geistlichen, waren diese Gebäude und Schriften der Maya darüber hinaus, bzw. in ideologischer Verbrämung heidnisches Teufelszeug, das man den Bewohnern der neuen Territorien austreiben musste, um sie zum Wort des einen und wahren Gottes zu bekehren.
Besonders zeichnete sich in der Vernichtung der Schriften der Maya der Franziskanermönch Diego de Landa aus, der sie – in Anlehnung an die im Mutterland üblichen Autodafés – öffentlich verbrennen liess und auch sonst einiges unternahm, um den Eingeborenen ihre Flausen auszutreiben. Aufgrund eines Gerichtsverfahrens gegen ihn und vielleicht auch von Bedenken über seine Taten bewegt, verfasste er später eine Chronik und überlieferte auch einiges aus den von ihm vernichteten Aufzeichnungen. Deshalb ist sein Name heute mit der Maya-Forschung untrennbar verbunden. Vor allem die Entzifferung der Hieroglyphenschrift der Maya beruht auf den Schriften von Diego de Landa. Auf verschlungenen Wegen gelangte auch die Schöpfungsgeschichte der Maya, das Popol Vuh, im 19. Jahrhundert in Guatemala an die Öffentlichkeit.
Das Interesse an den Maya erwachte im 19. Jahrhundert, durch Personen aus dem englischsprachigen Raum. Besonders ist der britische Zeichner und Kulturforscher Frederick Catherwood zu erwähnen, der mit seinen Zeichnungen der Maya-Ruinen das kulturbeflissene angelsächsische Publikum begeisterte.
Für Briten und Amerikaner, deren Staaten nicht an der Zerstörung der Tempel und Kultur der Maya beteiligt waren, war es attraktiv, sich im ihrem neuen Hinterhof als Kulturfreunde zu gebärden, und sich damit auch als würdigere Nachfolger der Spanier bei der Ausbeutung dieser Weltgegenden zu präsentieren. In dieser Heuchelei, sich zum Anwalt einer untergegangenen Kultur zu machen und damit Überlegenheit gegenüber den gegenwärtigen Bewohnern an den Tag zu legen, überboten sich das viktorianische England und die USA, die sich anschickten, gegenüber dem British Empire die Vormachtstellung auf dem ganzen amerikanischen Kontinent zu erobern.
Dies zeigte sich auch im Verhältnis zu anderen Kulturen in Gegenden, an denen ein imperialistisches Interesse bestand, und führte mitunter zu groß angelegten Kunstrauben, weil viele der Kunstwerke ja in US-Museen oder dem British Museum viel besser aufgehoben waren als im Dschungel und bei Blossfüssigen, die dergleichen ja ohnehin nicht zu würdigen wussten.
Es war ausgerechnet die United Fruit Company, die nach dem II. Weltkrieg als erste Institution grosszügig Studien und Ausgrabungen zur die Kultur der Mayas finanzierte, nachdem neben einer Plantage in Guatemala Ruinen aufgetaucht waren. Sie tat dies in einer Art Sponsorentum mit dem sie sich als kultursinniger Mäzen darstellte, um ihrer Ausbeutung von Land und Leuten die höhere Weihe der überlegenen Zivilisation zu verleihen. Auf jeden Fall wurde kräftig investiert. Die Firma beauftragte Archäologen und dotierte sie grosszügig. Andere Institutionen schlossen sich später an und begannen, die alten Maya-Städte auszugraben. Die Archäologie in den USA und der Tourismus, erst aus den USA, dann auch aus Europa, nahmen damals einen Aufschwung und stellen bis heute einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, auch für die Staaten, wo sich diese Ruinen befinden.
Für das Selbstverständnis der USA ist es bis heute wichtig, diese amerikanische Hochkultur zu beforschen und sich darüber als der wahre Chef des Kontinents selbstzubespiegeln. Das gibt der Maya-Forschung Auftrieb und den Maya-Forschern ein Sendungsbewusstsein.
Reisebüros, Hotels, Kreuzfahrtschiffe und andere Tourismus-Unternehmungen inner- und ausserhalb der Maya-Regionen schneiden hier ebenfalls kräftig mit. Die Marke „Maya“ zieht auch in alternativer Ernährung, der Welt des Designs, und Esoterik.
Plantagen und Zwangsarbeit
In der postkolonialen Zeit war die Kontrolle und die Benutzung der Landbevölkerung das wichtigste Ziel verschiedener Caudillos. Da sich bei den Kämpfen der Sezession von der mittelamerikanischen Republik ein liberaler General – mit gewissem Erfolg – der indianischen Bevölkerung bedient hatte, beschloss der guatemaltekische General und Präsident Carrera und auch einige seiner Nachfolger, die Nachfahren der Eingeborenen mit allen Mitteln niederzuhalten, um die Stellung der Kreolen, also spanischstämmigen Grundherren und katholischen Geistlichen abzusichern. Die Eingeborenen blieben land- und rechtlos und wurden unter der Regierung des Generals Barrios 1877 mit der „Tagelöhner-Regelung“ sogar zu Zwangsarbeit verpflichtet, nachdem ihnen vorher das noch aus der Kolonialzeit verbriefte Gemeindeland weggenommen worden war.
Diese Benutzung der Eingeborenen war ein Service an die neu ins Land geholten belgischen und deutschen Agrarkapitalisten, die die landwirtschaftliche Produktion im Land beleben sollten und den Kaffee als Haupt- – und praktisch einziges – Exportprodukt Guatemalas etablierten.
Unter dem Präsidenten Reina Barrios wurde dieses Gesetz aufgehoben und erstmals ein Schulsystem eingerichtet, das den Analphabetismus – von 93 % der Bevölkerung – bekämpfen und auch die Beherrschung des Spanischen unter der Landbevölkerung verbreiten sollte.
Rund um den Kaffee-Boom, eine Weltausstellung, den Bau der Eisenbahn und Verschuldung bei britischen Banken kam es 1897 zu einem Staatsbankrott, der in einem Aufstand und der Ermordung des Präsidenten gipfelten, dessen Reformen den Eliten Guatemalas zu weit gegangen waren. Außerdem hatte die Verschuldung erwiesen, dass sich Guatemala so etwas wie ein modernes Staatswesen mit Schulen und Infrastruktur überhaupt nicht leisten konnte. Das Tagelöhner Gesetz wurde wieder in Kraft gesetzt.
Ausbeutung
Das Kapital hat die Mehrarbeit nicht erfunden. Überall, wo ein Teil der Gesellschaft das Monopol der Produktionsmittel besitzt, muss der Arbeiter, frei oder unfrei, der zu seiner Selbsterhaltung notwendigen Arbeitszeit überschüssige Arbeitszeit zusetzen, um die Lebensmittel für den Eigner der Produktionsmittel zu produzieren, sei dieser Eigentümer nun … amerikanischer Sklavenhalter, walachischer Bojar, moderner Landlord oder Kapitalist. …
Sobald aber Völker, deren Produktion sich noch in den niedrigen Formen der Sklavenarbeit, Fronarbeit usw. bewegt, hineingezogen werden in einen durch die kapitalistische Produktionsweise beherrschten Weltmarkt, der den Verkauf ihrer Produkte ins Ausland zum vorwiegenden Interesse entwickelt, wird den barbarischen Gräueln der Sklaverei, Leibeigenschaft usw. der zivilisierte Gräuel der Überarbeit aufgepfropft.
Gesetzt, der Arbeitstag zähle 6 Stunden notwendiger Arbeit und 6 Stunden Mehrarbeit. So liefert der freie Arbeiter dem Kapitalisten wöchentlich 6 x 6 oder 36 Stunden Mehrarbeit. Es ist dasselbe, als arbeite er 3 Tage in der Woche für sich und 3 Tage in der Woche umsonst für den Kapitalisten. Aber dies ist nicht sichtbar. Mehrarbeit und notwendige Arbeit verschwimmen ineinander. Ich kann daher dasselbe Verhältnis z.B. auch so ausdrücken, dass der Arbeiter in jeder Minute 30 Sekunden für sich und 30 Sekunden für den Kapitalisten arbeitet usw.
Anders mit der Fronarbeit. Die notwendige Arbeit, die z.B. der Walachische Bauer zu seiner Selbsterhaltung verrichtet, ist räumlich getrennt von seiner Mehrarbeit für den Bojaren. Die eine verrichtet er auf seinem eignen Felde, die andre auf dem herrschaftlichen Gut. Beide Teile der Arbeitszeit existieren daher selbständig nebeneinander. In der Form der Fronarbeit ist die Mehrarbeit genau abgeschieden von der notwendigen Arbeit. An dem quantitativen Verhältnis von Mehrarbeit und notwendiger Arbeit ändert diese verschiedne Erscheinungsform offenbar nichts. Drei Tage Mehrarbeit in der Woche bleiben drei Tage Arbeit, die kein Äquivalent für den Arbeiter selbst bildet, ob sie Fronarbeit heisse oder Lohnarbeit. Bei dem Kapitalisten jedoch erscheint der Heisshunger nach Mehrarbeit im Drang zu massloser Verlängerung des Arbeitstags, bei dem Bojaren einfacher in unmittelbarer Jagd auf Frontage.“(Karl Marx, das Kapital, Band I, 8. Kapitel: Der Arbeitstag. Der Heisshunger nach Mehrarbeit. Fabrikant und Bojar.)
Die Periode der Bananenrepublik: Unter dem Einfluss USA und die United Fruit Company
Sein Nachfolger wandte sich hilfesuchend an die USA, um eine britische Inkasso-Intervention zu verhindern. Unter diesem Präsidenten Cabrera begann die Karriere Guatemalas als Bananenrepublik der United Fruit Company (UFC). Der Ausbau der Dominanz der USA in Guatemala und den Nachbarstaaten verlief parallel zum Bau des Panamakanals und den Kriegen gegen die Spanier in Kuba und Puerto Rico.
Für die UFC kamen die Tagelöhner Gesetze gerade recht, sie fand ideale Ausbeutungsbedingungen vor. Der guatemaltekische Präsident war auch Aktionär der UFC, die Interessen gingen Hand in Hand. Auch die von der UFC zu Ende gebaute Eisenbahn und der Karibikhafen von Puerto Barrios wurden von der UFC betrieben, die damit den grössten Teil des Exports und Imports Guatemalas abwickelte.
Unter der Herrschaft der UFC und der USA stellte sich eine Art ökonomische Zweiteilung ein: Der Kaffee wurden von guatemaltekischen Plantagenbesitzern europäischer Herkunft angebaut und exportiert, aus dieser Ökonomie flossen magere Einnahmen in die Kassen des Staates. Die Bananen, obwohl sie auch auf guatemaltekischem Boden abgebaut und mit guatemaltekischer Arbeitskraft erzeugt und abtransportiert wurden, waren eine Art exterritoriales Produkt, deren Gewinne die UFC exklusiv für sich beanspruchte.
Unter der Diktatur des Präsidenten Cabrera wurde auch eine Geheimpolizei eingerichtet, die alle Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung im Keim ersticken sollte, und ein Gefängnissystem, das Unzufriedene hinter hohen Mauern verschwinden liess.
Unter diesen Bedingungen waren es vor allem Kräfte aus dem Schoss der Kirche, Studenten und städtische Arbeiter, die eine Bewegung initiierten, die 1920 den Präsidenten stürzte.
Die Weltwirtschaftskrise führte zum Sturz der nächsten – volksfreundlichen – Regierung und brachte den Militär Ubico an die Macht. Unter diesem Präsidenten, einem Anhänger des europäischen Faschismus, der aber dennoch den USA Tür und Tor öffnete, um sich an der Macht zu halten, wurde die Polizei zur Ermordung gefährlicher oder krimineller Personen ermächtigt. Davon machte sie auch reichlich Gebrauch.
Ubico hatte das Tagelöhner Gesetz zwar aufgehoben, im Gefolge der Weltwirtschaftskrise erliess er jedoch ein neues „Gesetz gegen den Müssiggang“, in dem Vagabundentum unter Strafe gestellt und die vorher aufgehobene Arbeitspflicht wiedereingeführt wurde, und ein Strassenbaugesetz, das jeden Bürger entweder zu Zahlung oder zu Arbeitsleistung für den Strassenbau verpflichtete. Die guatemaltekische Lehrerbildungsanstalt wurde militarisiert, d.h. neben der pädagogischen einer militärischen Ausbildung unterworfen.
Die bei Grossbritannien aufgelaufene Schuld, die Cabrera an die Macht gebracht und Guatemala zur Bananenrepublik gemacht hatte, wurde erst unter Ubico zurückgezahlt.
Nach Streikwellen und deren Niederschlagung etablierten die USA im Rahmen des II. Weltkriegs Basen in Guatemala.
Nach wachsendem Widerstand der Eliten übergab Ubico im Juli 1944 die Macht an eine Militärjunta. Diese versuchte, weiterzumachen wie bisher, wurde jedoch ein paar Monate später durch die „Oktoberrevolution“ (ja, auch Guatemala hat eine solche!) gestürzt, die ein zivil-militärisches Trio, die „revolutionäre Junta“ an die Macht brachte.
Der „guatemaltekische Frühling“
Diese neue Regierung war mit dem Status der Bananenrepublik gründlich unzufrieden. Sie erliess eine neue Verfassung und es kam zu den ersten Wahlen in Guatemala.
Der Präsident Arévalo gilt als der erste, der demokratisch gewählt wurde. Allerdings war bei diesen Wahlen nur ungefähr ein Achtel der Bevölkerung wahlberechtigt, aufgrund eines Registrierungsverfahren, der die analphabetische Landbevölkerung nicht erfasste. Die Schulgründungen und die Volksbildung waren nämlich schnell wieder aufgegeben worden, als sich herausstellte, dass Schüler und Studenten sich besonders oft gegen die herrschenden Verhältnisse empörten. Während der Regierungszeit (von 1945 bis 1951) Arévalos, der sich vor allem an F.D. Roosevelts Politik orientierte, fanden 30 Putschversuche statt. Er sah sich im In- und Ausland mit wachsendem Widerstand konfrontiert. In den USA wurden zaghafte Schritte in Richtung Demokratie zur Zeit McCarthys als Kommunismus gebrandmarkt, die UFC war empört über die Versuche der Regierung, die Eingeborenen aus dem Status der Rechtlosigkeit herauszuholen und das Bananengeschäft zumindest teilweise dem guatemaltekischen Staatssäckel zuzuführen, um ehrgeizige Projekte wie ein Schul- und Gesundheitswesen zu finanzieren.
Arévalo konnte sich gegen die ganzen Putschversuche nur deshalb halten, weil er einen Verteidigungsminister hatte, der die Fäden im Militär in der Hand hielt und diese ganzen Versuche vereiteln konnte. Als dieser Mann schliesslich mit einem Erdrutschsieg die nächsten Wahlen gewann – inzwischen durfte schon rund ein Sechstel der Guatemalteken wählen – war für USA-Regierung, den CIA und die United Fruit endgültig klar, dass hier grundlegende Massnahmen notwendig werden, um einen Präzedenzfall im Hinterhof und womöglich ein Kippen ganz Mittelamerikas zu verhindern.
Um so mehr, als der neue Mann, Jacobo Árbenz, sich eine Reform des Rechtswesens und eine Landreform vornahm, die zu Lasten der UFC gegangen wäre. Und nicht nur das: Er setzte auch Massnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, die das Monopol der UFC in Fragen Transport brechen sollten, wie einen Hafen und eine Strasse zum Atlantik. Da er sich auch von Mitgliedern der Arbeiterpartei Guatemalas beraten liess, war klar, dass hier der Kommunismus bekämpft werden musste, um nicht den ganzen Kontinent zu erfassen.
Hinterhof
„Unsere Regierung beabsichtigt, den Weg der wirtschaftlichen Entwicklung in Guatemala einzuleiten und dabei die folgenden drei grundlegenden Ziele anzustreben: unser Land von einer abhängigen Nation und einer halbkolonialen Wirtschaft in ein wirtschaftlich unabhängiges Land umzuwandeln; Guatemala von einem rückständigen Land mit überwiegend halbfeudaler Wirtschaft in ein modernes und kapitalistisches Land umzuwandeln; und sicherzustellen, dass dieser Wandel so durchgeführt wird, dass er den Lebensstandard der grossen Massen des Volkes so weit wie möglich steigert.“ (Jacobo Árbenz, Antrittsrede 1951)
Der Sturz von Árbenz und der Bürgerkrieg
Um die Regierung von Árbenz zu stürzen, wurde alles aufgeboten, was nur gut und teuer war. Ein Botschafter, der vorher erfolgreich in Griechenland den Kommunismus bekämpft hatte, machte sich in Guatemala ans Werk. Bestechungsgelder flossen reichlich. Eine – allerdings recht jämmerlich ausgestattete – Invasionsarmee wurde von Honduras aus losgeschickt.
Vor allem aber wurde medial alles aufgeboten, was damals möglich war. Die Kampagnen neuerer Zeiten wurden damals auch bereits durchgespielt. Sowohl in den US-Medien als auch in der internationalen Presse wurde Árbenz als Steigbügelhalter der Sowjetunion dargestellt, der dem Kommunismus auf dem amerikanischen Kontinent Tür und Tor öffnen würde, und alle so enteignen, wie er es mit der UFC vorhatte. Die UFC wurde sozusagen mit dem ehrbaren Bürger gleichgesetzt, dem man seine Scholle und sein Erspartes wegnehmen würde.
In Guatemala selbst wurde mit einem CIA-gesponserten Radiosender gegen das Böse in Form von Árbenz und der mit ihm verbündeten Arbeiterpartei gehetzt. Auch die katholische Kirche legte sich propagandistisch ins Zeug. Der Erzbischof von Guatemala schuf eine eigene Christusfigur für Wallfahrten, in denen für die Erlösung vom Kommunismus gebetet wurde. All das führte dazu, dass Árbenz schliesslich Ende Juni 1954 abdankte und das Land verliess, weil er eine Intervention der US-Armee fürchtete, wenn er die interne Rebellion erfolgreich unterdrücken würde.
Árbenz und seine Familie wurden von der Propaganda und dem CIA weiter verfolgt, und scheiterten bei Asylansuchen in verschiedenen Staaten. Árbenz selbst verfiel dem Alkohol und starb im Alter von 57 Jahren Jahren unter ungeklärten Umständen in Mexiko. All das sollte verhindern, dass er jemals wieder Anteil an der Politik Guatemalas nahm.
In den turbulenten Monaten, die dem Sturz von Árbenz vorangingen, lebte in Guatemala ein junger Arzt namens Ernesto Guevara, der genau deshalb in dieses Land kam, weil er in den Vorhaben der Regierung und den Entwicklungen im ganzen Land ein zu Hoffnung Anlass gebendes Modell für ganz Lateinamerika sah.
Was er in Guatemala erlebte, brachte ihn zu dem Schluss, dass die Probleme dieses Kontinents nur auf revolutionärem Weg und durch eine völlig Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu lösen wären.
In Guatemala selbst setzte unter dem von den USA unterstützten Putschisten Castillo Armas und seinen Nachfolgern eine Hexenjagd gegen alle Unterstützer und Anhänger von Árbenz ein. Die Landreform wurde zurückgenommen. Die katholische Kirche krallte sich einen guten Teil des Schulsystems. Wer konnte, flüchtete ins Ausland.
Der Präsident Ydigoras genehmigte das Training der späteren Schweinebucht-Invasoren auf einer guatemaltekischen US-Basis. Das führte 1963 zu seinem Sturz – er wurde von den USA für die Invasion verantwortlich gemacht, um das eigene Scheitern zu bemänteln.
Mitte der 60-er Jahre begannen die Repression und der Widerstand sich zu einem regelrechten Bürgerkrieg auszuwachsen. Der allmähliche Abstieg der United Fruit Company auf dem Weltmarkt trug dazu bei, dass Guatemala für die USA und die Kommunismus Bekämpfung zweitrangig wurde. Die Unterstützungsgelder für die Militärregierungen flossen spärlicher.
Die extrajudikalen Morde durch die Polizei und das Militär wurden wieder aufgenommen. Das System des „schmutzigen Krieges“, das später in Argentinien seine theoretische Grundlage fand und seinen Höhepunkt erreichte – die Entführung und Ermordung von Verdächtigen, oft unter verschwindenlaßen der Leichen – wurde zunächst in Guatemala ausprobiert und ging in Serie. Internationale Aufmerksamkeit erregte der Falle einer 1967 auf diese Art ermordeten ehemaligen „Miss Guatemala“.
Einen neuen Schwung erhielt der Bürgerkrieg durch den Sieg der Sandinisten in Nicaragua und der Finanzierung der Contras in Honduras. Die Militärs in Guatemala wurden ausser von den USA von Israel unterstützt.
Im Zuge dieses Bürgerkrieges kam es zur Erstürmung der spanischen Botschaft in Guatemala City im Jänner 1980 durch die guatemaltekische Polizei, bei der 39 Personen ums Leben kamen und das Gebäude von der Polizei in Brand gesetzt wurde. Der spanische Botschafter hatte versucht, im Bürgerkrieg zu vermitteln und deshalb Mitglieder der Guerilla und ehemalige guatemaltekische Politiker in die Botschaft gelassen, auf den exterritorialen Status derselben vertrauend. Die Tochter eines der in der Botschaft Ermordeten thematisierte die Verhältnisse in Guatemala. Sie erhielt 1992 den Nobelpreis.
Der zentrale Teil Guatemalas wurde in diesem Bürgerkrieg ziemlich verwüstet, da das guatemaltekische Militär bei der Guerillabekämpfung Methoden eingesetzt hatte, die der US-Kriegsführung in Vietnam entnommen und nach Guatemala transferiert worden waren. Ausserdem war Guatemala eine Art grosses Ausbildungslager für die Aufstandsbekämpfung, in dem diverse in der „School of the Amerikas“ ausgebildete Militärs im Gelände üben konnten.
Der Bürgerkrieg wurde 1996 formell beendet. Bis dahin wurden die Opfer auf 200.000 Tote, 100.000 Vertriebene und 45.000 Verschwundene geschätzt.
Nach dem Ende des Kalten Krieges: Ausser Spesen nichts gewesen
Dass unter solchen Bedingungen die Nationalökonomie nicht so richtig vorankam, ist nachvollziehbar. Dazu kamen noch ein schweres Erdbeben im Jahr 1976.
Der Friedensschluss 1996 wurde möglich, weil die Kommunismus Gefahr nach dem Ende der SU vorbei war. Ähnlich wie in El Salvador endete der Krieg mit einer völligen Niederlage der Guerilla.
Ein Bischof, der Material für die von der UNO und der Regierung gemeinsam eingerichtete Kommission zur „Historischen Aufklärung“ über die Morde und das Vorgehen der Streitkräfte gesammelt hatte, wurde 1998 ermordet. Die katholische Kirche muss die Sorge um das Seelenheil der Bewohner inzwischen mit evangelikalen Kirchen teilen, die als eine Art fundamentalistische Vorposten der US-Interessen zahlreich in Guatemala anzutreffen sind.
Der Hurrikan Mitch 1998 und ein weiterer 2005 trugen weiter dazu bei, dass in Guatemala mehr oder weniger alles beim alten Elend blieb. Einzig die UFC bzw. ihre Nachfolgerin Chiquita wurde durch andere Agrarunternehmen in den Hintergrund gedrängt. Der Grundbesitz ist nach wie vor in den Händen weniger In- und Ausländer. Der Rest der Bevölkerung hält sich hauptsächlich mit Subsistenz, Lohnarbeit und kriminellen Aktivitäten über Wasser. Der Kaffee und die Bananen sind nach wie vor die wichtigsten Exportprodukte, neben anderen, neueren, rein für den Export angebauten Cash Crops wie Broccoli und Kardamom.
Es ist nicht ganz klar, wer heute die tatsächliche Macht in Guatemala in der Hand hat. Vermutlich ist es nach wie vor das Militär, das sämtliche Regierungen seither davon abhält, zu sehr an den etablierten Verhältnissen zu rühren oder die Rolle von Polizei und Militär bei der Bekämpfung der Guerilla zu untersuchen. Dafür dürfen die Politiker sich bereichern, so gut sie können. Der vorige Präsident Morales war ein Komiker, der jetzige Giammattei ist ein ehemaliger Gefängnisdirektor.