Inmitten der Spekulationen um einen möglichen Niedergang des US-Dollars als wichtigste Leit- und Reservewährung versuchen immer mehr Länder, auf dieses Zahlungsmittel bei den internationalen Transaktionen zu verzichten und dafür stattdessen andere Währungen zu verwenden. Diese Entwicklung verstärkt nicht nur den aktuellen Trend der Abkehr vom Dollar, die sogenannte „De-Dollarisierung“, sondern befeuert auch die Diskussion um die Schaffung einer ebenbürtigen Alternative zum „Greenback“.
Von Alexander Männer
Wenn man die Tatsache beachtet, dass der Dollar sowohl für die globale Vormachtstellung der Vereinigten Staaten als auch für die US-geleiteten Wirtschaftssanktionen gegen Russland, Venezuela und andere Länder die finanzielle Grundlage darstellt, dann wird es klar, warum zunehmend mehr Mitglieder der Weltgemeinschaft den Dollar als Risiko betrachten und ihre Handels- und Finanzgeschäfte daher nicht mehr unter der Verwendung dieser Währung abwickeln wollen.
Indes hat die US-Währung im Welthandel zuletzt an Marktanteil deutlich eingebüßt, wie Analysten konstatieren. Auch ihr Anteil an den weltweiten Devisenreserven soll in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken sein – von 72 Prozent im Jahr 1999 auf derzeit etwa 50 Prozent. Doch welche Währung könnte die Führungsposition des Dollars im Weltfinanzsystem künftig streitig machen?
Für zahlreiche Experten weltweit gilt die chinesische Landeswährung Yuan in der Perspektive (oder zum Teil sogar schon heute) als eine gängige Option, um bei internationalen Zahlungen nicht mehr auf den Dollar zurückgreifen zu müssen und trotzdem weiterhin handlungsfähig auf der globalen Bühne zu bleiben. Zudem sollen die Investitionen der internationalen Anleger in den Yuan noch weiter zunehmen und ihn als Reservewährung dadurch noch attraktiver machen.
Dies erhofft man sich offenkundig auch in China, dessen Führung den Kampf um die „Kontrolle“ der weltweiten Geldströme zunehmend verstärkt und dabei alles daran setzt, die Internationalisierung des Yuan – von der Verwendung bei bilateralen Geschäftsabwicklungen bis hin zu seiner vollständigen Etablierung als führende Reservewährung der Welt – umzusetzen.
Diesbezüglich ist in erster Linie die chinesische Initiative zu nennen, den Kauf fossiler Brennstoffe von den wichtigen Erdölproduzenten des Nahen Ostens künftig in Yuan abzurechnen. Damit versucht Peking den sogenannten „Petroyuan“ ins Spiel zu bringen, um bei dem nach wie vor mehrheitlich in Dollar abgewickelten Rohstoffhandel mehr Einfluss auszuüben. Darüber hinaus hat man mit Brasilien vor wenigen Wochen ein vielversprechendes gemeinsames Wirtschaftsabkommen verabschiedet, in dessen Rahmen der Handel zwischen den beiden Ländern ausschließlich in ihren eigenen Währungen stattfinden soll. Medien zufolge wollen beide Seiten unter anderem eine Clearingstelle einrichten, die sowohl die Abrechnungen ohne den Dollar als auch Kredite in Landeswährungen anbieten wird. Damit wolle man die Transaktionskosten senken und die Abhängigkeit von der US-Währung in der bilateralen Beziehung beseitigen.
Herausforderungen für den Yuan
Angesichts dessen darf man jedoch die Bindung der meisten anderen Länder an die bislang etablierten Reservewährungen Dollar, Euro, Yen und Pfund nicht außer Acht lassen, was den Yuan in puncto Internationalisierung vor gewisse Herausforderungen stellt. Außerdem gibt es für die chinesische Währung in diesem Zusammenhang auch noch andere Hindernisse, die die Nachichtenagentur Bloomberg in einem kürzlichen Bericht erläutert. So meint zum Beispiel der Ex-Chefvolkswirt von Goldman Sachs, Jim O’Neill – der vor mehr als 20 Jahren das Kürzel „BRIC“ prägte, um das wirtschaftliche Potenzial der aufstrebenden Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China zu erfassen –, dass ein „globaler Yuan“ erst dann geschaffen werden könnte, wenn China seiner Währung sowohl bei inländischen als auch bei externen Investitionen mehr Freiheit gewähren würde.
Diesbezüglich verweisen auch andere namhafte Experte darauf, dass der Yuan nicht vollständig konvertierbar sei, da es für ihn Einschränkungen etwa bei der grenzüberschreitenden Kreditvergabe oder bei dem grenzüberschreitenden Geschäft mit Wertpapieren existieren würden. Zudem soll es noch Beschränkungen bei zahlreichen auf dem Yuan basierenden Investitionsobjekten geben.
Laut Chen Xindong, dem Leiter der Marktforschung in China bei der französischen Großbank BNP Paribas, hat die Volksrepublik „noch einen langen Weg vor sich, um ihren globalen Einfluss zu stärken“. Ungeachtet der Tatsache, dass das Land in den vergangenen beiden Jahrzehnten einige der mit dem Yuan verbundenen Beschränkungen gelockert hatte und auch die entsprechenden Schritte unternahm, um die Aktien- und Anleihemärkte zu öffnen sowie den Investitionszufluss zu fördern.
Bloomberg zufolge will die chinesische Führung dem Yuan aber auch nicht zu viel Freiheit gewähren. Zum Beispiel erlaubt sie nach wie vor keinen freien Kapitalverkehr, der eigentlich zu den Grundfreiheiten einer Marktwirtschaft zählt. Damit will Peking offenbar einen plötzlichen Kapitalabfluss vermeiden, der die Wirtschaft des Landes möglicherweise destabilisieren könnte. Allerdings würde ein freier Kapitalverkehr die internationale Verwendung des Yuan noch mehr fördern, heißt es.
Nicht zu vergessen sei auch, so die US-Agentur, dass der Yuan sich bei weltweiten Transaktionen, die unter Nutzung des SWIFT-Zahlungssystems durchgeführt werden, nur an fünfter Stelle befinde. Demnach soll die chinesische Währung im vergangenen März bei gerade mal 1,7 Prozent der grenzüberschreitenden Zahlungen verwendet worden sein. Im Vergleich dazu machte der Dollar etwa die Hälfte aus, auf den Euro entfielen 22 Prozent der Zahlungen. Diese Statistik umfasst jedoch nicht jene Transaktionen, die mittels des chinesischen Zahlungssystems CIPS (Cross-Border Inter-Bank Payments System) getätigt werden. Im Gegensatz zu SWIFT ist das chinesische System jedoch vergleichsweise jung und derzeit auf den Yuan beschränkt.
Letztendlich ist zu konstatieren, dass die De-Dollarisierung ein langwieriger Prozess bleibt, selbst wenn solche aufstrebenden Wirtschaftsmächte wie China und Indien sowie auch andere Schwellenländer sich bei der Abwicklung internationaler Transaktionen vom Dollar noch schneller abwenden sollten. Der Greenback wird deshalb auch in naher Zukunft als dominierendes Transaktionsmedium eine Sonderstellung in der Welt einnehmen, auch wenn dieser Status von der Weltgemeinschaft vermehrt angezweifelt wird.